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Schießwaffen. Einige Worte über den Gebrauch und die Behandlung der Büchsen und Flinten

In diesem Blogartikel wollen wir Euch ein komplettes Dokument zur Verfügung stellen. Es handelt über die Handhabung der Büchsen, Flinten und Perkussionsgewehre von Friedrich Gerstäcker aus dem bedeutenden Jahr 1848. Wir haben das Kapitel "Handhabung einer gezogenen Büchse" ausgewählt und hier abgebildet.

Das originale Dokument enthielt keine Kapitelüberschriften, diese haben wir nachträglich zur besseren Übersichtlichkeit hinzugefügt. Der Text ist in die neue deutsche Rechtschreibung umgearbeitet worden.

Ihr könnt das Dokument Euch am Ende des Blogartikel als PDF herunterladen.

 

Inhaltsverzeichnis

Schießwaffen. Einige Worte über den Gebrauch und die Behandlung der Büchsen und Flinten    1
Häufige Fehler bei Schießübungen    2
Vorgehensweise bei Schießübungen    3
Handhabung einer Muskete    5
Handhabung eines Perkussionsgewehrs    6
Handhabung einer gezogenen Büchse    7
Über das Säubern der Büchse    10
Über die Gefahren beim unsachgemäßen Ladevorgang    11
Tipps im Gebrauch mit der Büchse    12
Allgemeine Regeln im Gebrauch der Schusswaffe    13

Schießwaffen. Einige Worte über den Gebrauch und die Behandlung der Büchsen und Flinten

Handhabung einer gezogenen Büchse

 

Eine weit genauere und sorgfältigere Behandlung verlangt die gezogene Büchse, die aber auch dafür in ihrer Wirkung sicherer und tödlicher ist. Gezogen heißt sie deshalb, weil ihr Inneres nicht glatt, wie bei der Muskete, sondern mit gewöhnlich acht spiralförmig laufenden Zügen versehen ist, die, in dreißig Zoll Länge etwa, einmal herumgehen.

 

Um nun stets eine gleichmäßige Quantität Pulver zu haben, bedient man sich bei der Büchse einer sogenannten Gradladung und wird etwa, zu einer Kugel die zwei und zwanzig aufs Pfund gießt, fünf Grad auf hundert Schritt gebrauchen. Das kann jedoch keineswegs als wirklicher Maßstab betrachtet werden, sondern ist nur eine sehr ungefähre Angabe, da jede Büchse besonders eingeschossen und probiert sein will. Beiläufig erwähnt, hat der Amerikaner (bekanntlich der beste Büchsenschütze der Welt, die Tiroler kaum ausgenommen) auf seine praktische Manier eine eigene Art die Quantität Pulver zur Kugel zu bestimmen, wenn er kein Maß bei der Hand hat oder gar erst im Begriff ist, eins aus Hirschhorn zu fertigen. Er legt die Kugel in die flachausgestreckte linke Hand und schüttet mit der rechten langsam so viel Pulver darüber, bis sie ganz davon bedeckt ist – das ist die Ladung für die Kugel, denn ist diese klein, so braucht sie natürlich wenig Pulver, das mit der Größe ebenfalls steigt.

 

Um eine Büchse aber zu laden, müssen wir von vorn beginnen. Zuerst wird also, wenn man das irgendwie bei der Hand hat, ein klein wenig Werg oder Hede auf das Piston, zwischen dieses und den darauf niedergelassenen Hahn gelegt. Das hat den Vorteil, dass später, wenn die dicht schließende Kugel in den Lauf kommt, die ausströmende Luft hierdurch entweichen kann, ohne einen Teil des Pulvers mitzunehmen. Das erstere würde verhindert, läge der Hahn fest und ohne Werg auf das Piston, das zweite wäre unfehlbar der Fall, hätte man den Hahn aufgezogen. Hiernach schüttet man die gehörige Ladung Pulver, die man an seiner Gradladung angezeigt hat, hinein und legt nun ein sogenanntes Pflaster auf den Lauf oben. Diese Pflaster werden am besten aus Leinen- oder halbleinen Barchent gefertigt, mit einem kreisförmigen dazu geschmiedeten Eisen ausgeschlagen oder auch viereckig geschnitten, dann auf einen Faden gereiht und in zerlassenes, reines Talg getaucht. Sobald sie durchzogen sind, ausgedrückt, – doch nicht zu fest – und dann hingestellt, bis sie erkalten. Ihre Größe richtet sich nach der Kugel und es wird weiter nichts vom Pflaster verlangt, als dass es die Kugel rings umschließe und sie von der Berührung des Laufes selbst abhalte. Die raue Seite des Barchents kommt auf den Lauf und die hieraufgesetzte Kugel muss so passen, dass sie sich etwas schwer aber nichts desto weniger glatt in den Lauf hinunterdrängen lässt.

 

Bei Scheibenständen bedient man sich hierzu vor allen Dingen eines kleinen hölzernen Hammers, der die Kugel erst mit dem Pflaster oben in den Lauf schlägt, und mit dessen Stiel man ihr nachher noch kräftig ein Stück weiter nachhilft und sie endlich mit Hilfe des Setzstockes ganz hinunterstößt. Je besser die Kugel sich in die Züge hineindrängt, desto sicherer ist der Schuss. Sie darf aber doch auch, besonders nicht auf der Jagd und im Felde, zu schwer hinuntergehen. Auf der Jagd verträgt das Wild das Klopfen nicht und im Krieg hält es zu lange auf, wie denn auch nichts leichter verloren ist, als ein solcher Hammer selbst. Das, was ich zu einem praktischen Gebrauch der Büchse im Feld raten möchte, wäre ein einfacher starker Setzstock von hartem Holz mit rundem Knopf oder Griff oben, den man in einem Ring an der Seite tragen könnte und zum Notfall dann einen eisernen Ladestock mit Messing-Knopf, denn ganz von Eisen würde er die Züge zu sehr angreifen und ganz von Holz ist er, besonders von Ungeübten und bei hitzigem Laden, wo sich die Kugel vielleicht einmal ein wenig festsetzt, zu leicht dem Zerbrechen preisgegeben.

 

Sollten die Pflaster alle verbraucht sein und man auch kein Talg hat um neue zu machen, so muss man sich natürlich mit dem ersten besten Stückchen Leinwand oder Zeug begnügen, in dem Fall möchte es aber, besonders wenn die Büchse schmutzig ist, nötig sein, den äußeren Teil des Pflasters, der gegen den Lauf kommt, mit der Zunge etwas anzufeuchten, die Kugel bleibt sonst nicht selten im Lauf stecken und kann nur mit größter Anstrengung niedergetrieben werden. Wie man die Kugel aufsetzt, bleibt sich gleich, d. h. es ist einerlei, ob der abgeschnittene Teil derselben nach oben oder nach unten kommt – nur nicht seitwärts. Die Deutschen behalten das abgeschnittene Ende nämlich oben, die Amerikaner drücken es nach unten in das Pflaster und der Beweis ist also dadurch geliefert, dass beide Methoden gleich gut sind.

 

Die Kugel darf aber, sobald sie unten auf dem Pflaster aufsitzt, nicht zu fest eingerammt werden, sie schlägt sich sonst oben ganz breit und zerdrückt auch vollkommen die feinen Pulverkörner. Es genügt, wenn sie nur eben fest, dass kein Zwischenraum bleibt, auf dem Pulver aufsitzt. Man überzeugt sich davon leicht, wenn man den Ladestock hinabfallen lässt. Springt er herauf, so hat die Kugel unten in dem Pulver ihren Widerstand gefunden. Nur die Vorsicht möchte ich noch anempfehlen, sich an Lade- oder Setzstock ein Zeichen zu machen, wie tief derselbe bei einer ordentlichen Ladung in den Lauf geht, denn, ist die Büchse sehr schmutzig, so kommt es wohl auch manchmal vor, dass sich die Kugel so festklemmt, den Ladestock wirklich zurückspringen zu lassen, ohne dass die Kugel unten angelangt ist. Ein Blick auf den Einschnitt gibt dann gleich die Überzeugung.

 

Die Büchse ist nun geladen und ein Ziel soll ins Auge gefasst werden. Hier aber nun, wo es auf einen weit genaueren Schuss abgesehen ist, als bei der Muskete oder Bajonettflinte findet sich auch in dem, inmitten des Laufes angebrachten Visier eine besondere und akkuratere Vorbereitung. Das Auge fliegt nämlich jetzt nicht mehr gleich und ungehindert nach dem Korn hinüber, sondern muss sich erst, durch das Visier hindurch seine Bahn suchen, was natürlich die Ursache eines langsameren, aber auch weit genaueren Schießens wird.

 

Das Zielen mit der Büchse teilt sich aber wieder in mehrere Unterabteilungen – in feines, grobes und gestrichenes Korn. Das heißt, der Schießende muss genau wissen, wie er es mit dem Pulver, was er geladen, zu halten hat, damit die Kugel genau den Punkt trifft, den er im Auge hat. Ein feines Korn heißt es dabei, wenn er in dem Einschnitt des Visiers nur eben den Schimmer des voranstehenden Korns erblickt. Ein grobes, wenn dasselbe schon deutlich hervortritt, aber das Visier noch nicht ausfüllt. Und ein gestrichenes, wenn der obere Rand des gewöhnlich hellen Kornes so hoch in dem Ausschnitt des Visiers kommt, dass es mit diesem oberen, horizontal laufenden Rand vollkommen gleichsteht. Dies gestrichene Korn ist denn auch für den Ungeübten sowohl wie überhaupt für schnelles Schießen das Beste, man braucht nicht erst lange abzuzirkeln, hat gleich das Maaß am Visier vor sich und ist augenblicklich fertig.

 

Das Ziel muss man dabei aber ebenfalls, wie ich schon beim Flintenschießen erwähnte, aufsitzen lassen, d. h. man fährt mit dem gestrichenen Korn aufwärts und berührt den Drücker sobald man dicht unter dem Gegenstand anlangt. Es ist nämlich zum sicheren Schießen ungemein vorteilhaft, wenn man die Mündung zu dem Punkt den man sich zum Ziel gesteckt, langsam erhebt. Während dem in die Höhe richten, behält das Gewehr stets eine feste Lage. Sowie es aber in horizontaler Lage festgehalten wird, beginnt auch schon das Abwanken zur rechten und linken. Kommt man also beim Emporheben nicht ganz gut ab, das heißt, hat man, bis man die Mündung der Büchse bis zu ihrem Ziel erhoben, dasselbe nicht ordentlich und genau aufs Korn nehmen können, dann setze man lieber noch einmal wieder ab und beginne von Neuem. Denn viel besser ist es einen langsamen aber guten Schuss zu tun, als eine gute Ladung aufs Ungewisse ins Blaue hinein zu feuern und dadurch einfach wegzuwerfen.

 

Die Entfernung des Gegenstandes, nach dem man zielt, wird bei der Scheibenbüchse gewöhnlich durch verschiedene hohe und niedere Visiere bestimmt. Hat man aber nur ein einziges, so muss sich der Schütze stets daran erinnern, dass er, je gröber er das Korn nimmt, desto höher schießt. Ist seine Büchse aber auf gestrichenes Korn und vielleicht auf 100 Schritt eingeschossen und will er beträchtlich weiter schießen, so muss er ein klein wenig höher halten, das ist dann jedoch nie ein sicherer Schuss.

 

Noch eins bleibt mir bei Visier und Korn zu erwähnen. Schießt die Büchse zu viel nach rechts oder links, so kann man dem dadurch sehr leicht abhelfen, dass man das Korn ein wenig zur Seite schlägt (das Visier, wenn es einmal ordentlich in der Mitte steht, lässt man lieber unberührt) und hierbei muss der Schießende nur das immer im Gedächtnis behalten, dass er das Korn nach der Seite schlägt, wohin die Büchse schießt. Schießt sie also zu viel links, so schlägt er das Korn ein klein wenig nach der linken Seite, dadurch wird er, wenn er wieder anlegt, genötigt, den Lauf ein klein wenig mehr rechts hinüberzudrücken, um das Korn ins Visier zu bekommen und der frühere Fehler hebt sich dadurch. Ist es dagegen nötig, dass er am Visier schlägt, so muss er dieses natürlich, wenn die Büchse z. B. links schießt, rechts hinüber klopfen.

 

Noch ein Gegenstand, der bei der Büchse die größte Aufmerksamkeit erfordert, ist der Doppeldrücker oder sogenannte Stecher. Da nämlich selbst die geringste Erschütterung oder Bewegung, das unbedeutendste Rücken, die Kugel aus ihrer Richtung bringt, so ist man auf einen Ausweg gefallen das Abdrücken so leicht und rasch als möglich zu bewerkstelligen. Man hat nämlich eine Art Hebel erfunden, der den Drücker im Voraus aushebt und auf seinem äußersten schärfsten Rand festhält – die leiseste Berührung und er schnappt herunter, der unbedeutendste Druck und der Hahn schlägt auf das Kupferhütchen nieder. Leicht erklärlich ist es dabei, wie solche Drücker auch die größte Aufmerksamkeit erfordern, damit ebenso wenig ein Unglück damit geschieht, als auch, selbst schon beim Anlegen, die Büchse nicht früher losgeht als der Schießende beabsichtigt und ehe er sein Ziel ins Auge gefasst, sobald nämlich der nicht daran gewöhnte Finger, nur im leisen Fühlen nach dem Drücker, diesen berührt und zugleich abdrückt. Deshalb ist die Büchse auch für Laien eine höchst gefährliche Waffe und diesen weit eher ein Gewehr mit einfachem, gewöhnlichem Drücker anzuraten. Der beste Schutz gegen zu frühes Abfeuern ist übrigens der, dass man sich daran gewöhnt, sobald man den Hahn aufgezogen hat und im Begriff ist zu schießen, vor allen Dingen sticht, d. h. den hinteren der beiden Drücker förmlich abdrückt, wodurch der Stecher gesetzt wird und dann den Zeigefinger der rechten Hand an den Vorschutz legt, zielt und nun, erst im Moment des Abdrückens nach dem Stecher zurückfährt.

 

Eines ist jedoch noch über den Stecher zu bemerken, und zwar zur Selbsthilfe, um ihn leichter oder schwerer zu stellen. Es befindet sich dicht hinter dem geraden Stecher und zwischen den beiden Drückern, nach unten niederlaufend, eine ganz kleine Schraube, diese angezogen setzt den Stecher feiner, während sie, zurückgeschraubt, ihn schwerer gehen lässt.

 

 

Quelle des Symbolbildes: "Old and New Paris. Its history, its people, and its places ... With numerous illustrations"; Edwards, Henry Sutherland. London, 1894.


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Schießwaffen. Einige Worte über den Gebrauch und die Behandlung der Büchsen und Flinten
Abhandlung über die Handhabung von Flinten, Büchsen und Perkussionsgewehren.
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