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Kleine Geschichte über das Stechrennen in Österreich

Tjost. Lanzenstechen französische Ritter im Turnier
Lanzenstechen zweier französischer Ritter

Heute nähern wir uns einem Thema des Mittelalters und haben einen kleinen Artikel über das Stechrennen aus einer historischen Quelle herausgeschrieben. Das obige Bild zeigt deutlich die stark blutende Verletzung des linken Reiters. Daher auch die späteren Verbote und Verdammungen, weil doch einige Ritter pro Turniertag tot zurückblieben:

 

"Die Turniere [Stechrennen, Tjost], dem Wortlaut nach verwandt mit Turnen, waren ritterliche Kampfspiele etwa aus dem 9. und 10. Jahrhundert, wo sie von der französischen Ritterschaft mit Leidenschaftlichkeit betrieben wurden. Das erste große deutsche Turnier soll im Jahr 1036 in Magdeburg stattgefunden haben. In Österreich haben sich diese Lustkämpfe schon unter der Regierung der ersten Babenberger eingebürgert. Aber bald anfangs haben dieselben über die gesetzlichen Anordnungen und Bestimmungen hinausgegriffen und manch traurigen Ausgang genommen.


So ist der junge Landgraf Konrad von Landsberg im Jahr 1175 zu Wien bei einem Turnier erstochen worden. Zur selben Zeit sind im Weichbilde von Magdeburg nicht weniger als 16 Ritter tot auf dem Platz geblieben. Darum wurde über jeden Kämpfer, der sich bei einem Turnier beteiligen würde, der Kirchenbann verhängt. Durch diese strenge Maßregel wurde indes diese bei dem gesamten Adel und der Ritterschaft so beliebt gewordene Waffenübung und Schaubelustigung nicht eingestellt.


Man kämpfte bald zu Pferde, bald zu Fuß und jederzeit in voller Rüstung mit der Lanze oder mit dem Schwert in eingefriedeten Plätzen (Schranken), um welche für die fürstlichen Gäste und höheren Geschlechter Tribünen errichtet und diese oft mit großem Luxus ausgeschmückt wurden. In den ersten Zeiten stritt Haufen gegen Haufen, später rannte Mann gegen Mann, um den jeweiligen Siegespreis, den die Hand einer hochgestellten oder bevorzugten Frau erteilte. Nur ritterliche Geburt und ein durchaus unbescholtener Lebenswandel berechtigte zur Teilnahme an einem solchen Waffenspiel, welches meist mit großer Feierlichkeit in Szene gesetzt wurde. Jeder Fürstenhof, jede größere Stadt und fast jede Ritterburg hatten ihren Turnierplatz (Rennbahn) und ihre Herolde, welche zu einem Turnier durch öffentlichen Ausruf einluden und wobei man eigene Kampfrichter oder Turnierkönige erwählte.


Diese Waffenspiele, welche jedes Mal eine ungeheure Menge Zuschauer herbeilockten, haben je nach ihrer Verschiedenartigkeit auch verschiedene Namen geführt, wie z. B. Tyost, Buhurt, Punais usw.


Die Ritterschaft in Wien hatte ihren nächstgelegenen Turnierplatz im unteren Werd, das ist in der heutigen Leopoldstadt, der größte und beliebteste aber war in Penzing. Der Herzog Friedrich II., der Streitbare, von Babenberg, Sohn und Nachfolger des glorreichen Herzogs Leopold VII. (1230), empfing am Lichtmesstag im Jahr 1232 in der Schottenkirche zu Wien zugleich mit zweihundert jungen, österreichischen und steierischen Edelleuten vom Bischof Gebhard von Passau mit dem feierlichsten Prunk den Ritterschlag. Nachdem diese Festlichkeit vorüber war, zog der fürstliche Heldenjüngling mit seinen glanzvoll gerüsteten Kampfgenossen hinaus auf die "Prenz-Wiese" und hielt da ein so großartiges Turnier, wie bisher Wien kein ähnliches gesehen hatte. Die hierbei gebrochenen und aufgehängten Lanzen sollen einen kleinen Hügel gebildet haben.


Da in der Folgezeit bei diesen Kampfspielen scharfe Waffen in Anwendung kamen, wonach sie meist in blutige und mörderischen Schlachten ausarteten, wurden sie von den Königen, Päpsten und Kirchenversammlungen verboten, dauerten aber nichtsdestoweniger noch bis in das 16. Jahrhundert fort, wo sie sich gegen den zunehmenden Gebrauch des Schießpulvers und die veränderte Kriegsführung nicht mehr haltbar erwiesen. An ihre Stelle sind nochmals die "Carrousels" in Aufnahme gekommen.


Kaiser Maximilian I., der letzte Ritter genannt, der auch in den Waffenübungen nirgends seines Gleichen fand und in der Rennbahn die berühmtesten Kämpfer in "den Sand bohrte", fand noch immer großes Wohlgefallen an den Turnieren. Eines der großartigsten und glänzendsten soll jenes gewesen sein, welches er zu Wien am St. Jakobstage 1515 gehalten und wozu er auch den Herzog Wilhelm von Bayern eingeladen hat. Hierbei haben 62 Kämpen in zwei Rotten die Bahn betreten und Wunder der Tapferkeit zur Schau getragen: "Zum ersten ruften die Herren Ritter (heißt es) die Ehrenholde und acht Trummeter, welche Trummeter gingen voran auf diese Weise. Ihnen folgten die drei Ehrenherolde: nämlich der römisch, ungarisch und böhmische. Nach den Ehrenherolden folgten die Herren Richter, welche sich an einen Ort, das Tanzhaus, gesondert und gestellt mit einer Jungfrau.


Alsbald fingen die Trummeter an zu blasen. Demnach rief der Ehrenherold auch dreimal: "Herr Adam von Neidel!" und hat ihn löblich angesprochen: "Herr Neidel! Nachdem viel ehrlich und ritterlich Personen von Fürsten, Grafen und Herren auf dem Fußturnier erschienen - aber Ihr euren Spieß am höchsten und zierlichsten gebrochen habt, geben und sprechen sie Euch diesen gülden Spieß für den ersten Dank, welchen Euch die Jungfrau Thurmin Ungerin überantwortet."

 

Bildquelle: Froissart's Chronicles (Volume IV, part 1) - caption: 'French knights jousting', S. Netherlands (Bruges), 1470-1475; British Library

Textquelle: Zeitspiegel: “Eine” chronologische Ährenlese aus der österreichischen Völker" von Joseph Alois Moshamer, Wien 1866

Bildquelle unten: Histoire de la Belgique ... Troisième edition, entièrement refondue et; Brüssel 1853.

Ritter zu Pferd Stechrennen, Tjost