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König Wenzel von Böhmen

Wir malen hier ein fürstliches Schattenbild, dessen Anblick den Leser mit Grauen und tiefem Leid erfüllen wird. Wenzel, der älteste Sohn des Kaisers Karl IV. von Luxemburg, betrat, noch in den Kindesschuhen, eine Laufbahn, wo sich alles überstürzte und fehlging. Erst zwei Jahre alt, wurde er schon zum König von Böhmen gekrönt, mit sechs Jahren erteilte er bereits Belohnungen, noch kaum zehn Jahre alt wurde er vermählt, mit zwölf Jahren erzog man ihn zu Staatsgeschäften und sechs Jahre danach, 1378, folgte er seinem Vater auf dem deutschen Thron.


Seine hervorstechendsten Charakterzüge waren Starrsinn, Grausamkeit und sinnliches Wohlleben. Er zeigte sich seinem Vater in allem ungleich, denn er besaß keine jener großen Eigenschaften, welche er in jener so bewegten und wirren Zeit als Reichsoberhaupt so dringend benötigt hätte. Dem zufolge konnte er weder in Böhmen, noch in Deutschland die Ruhe aufrechterhalten.


Insbesondere machte er die Gemüter der Böhmen von sich abwendig, als er den frommen Prager Domherren Johann von Nepomuk, der als Beichtvater der Königin nicht zur Verletzung des heiligen Beichtsiegels zu bewegen war, über die Prager Brücke in die Moldau werfen ließ (1383). Als er sich der Trunkenheit und anderen Ausschweifungen offenkundig hingab; als er die unbescholtenen Menschen, die ihm missfällig waren, einkerkern oder hinrichten ließ; als man die Königin, von seinen großen Fanghunden nächtlicher Weise zerrissen, in der Burg fand; als er sich einer grausamen Judenverfolgung nicht widersetzte; als er den Erzbischof in Prag zur Auswanderung aus dem Land nötigte und dagegen den Prediger und Irrlehrer Johann Hus begünstigte.


Selbst sein Bruder, König Sigmund von Ungarn, und sein Vetter Jobst, Markgraf von Mähren, erhoben sich gegen ihn, worauf die böhmischen Großen (1394) gegen den Wüstling eine Verschwörung anzettelten, ihn auch gefangen nahmen, aber schon nach wenigen Monaten wieder in die Freiheit versetzten.


Inzwischen haben sich die Zustände im römisch-deutschen Reich einsteils durch Kirchenspaltung, andernteils durch die Wiederkehr des Faustrechts derart verschlimmert, dass die Kurfürsten den Kaiser Wenzel des Throns verlustig erklärten und Ruprecht von der Pfalz erwählten (1400).


Nicht lange danach geriet Wenzel aufs neue in Zwistigkeit mit seinem Bruder Sigmund, der ihn auch (1402) abermals gefangen nahm, nach Wien führte und dem Herzog Albrecht IV., das Weltwunder genannt, zur Bewachung übergab. Dieser verwahrte ihn am Kienmarkt im sogenannten Praghause, wo er gegen anderthalb Jahre saß.


In Bezug auf seine Befreiung wird in einer alten Chronik erzählt: "Es wohnte damals (1403) in der Wiener Vorstadt (am unteren Werd) ein alter Fischer namens Hans Gründel, welcher öfter dem gefangenen Kaiser gesottene [gekochte] Fischlein brachte und zu dem Ende jederzeit durch Wenzels Gefängnis gehen musste. Wenzel machte sich mit diesem Fischer bekannt und beredete ihn durch große Verheißungen so weit, dass er sein bisschen Armut verkaufte. Er legte sich eine sechzig Klaster lange und einen Finger dickem, seidene Schnur zu, wickelte selbe, weil ihn sonst jederzeit die Wache visitierte, um den bloßen Leib und brachte sie solchergestalt dem gefangenen Wenzel. Um Mitternacht ließ sich Wenzel an dieser Schnur von dem Turm herunter und Gründel verscharrte ihn in einen Düngerhaufen, weil noch selbe Nacht Lärm entstand und bei damaligen Mondschein eifrigst Nachfrage geschah, welche folgenden ganzen Tag gewährte.


Die andere Nacht befreite ihn der Fischer seines schmutzigen Arrestes, führte ihn nach Böhmen und brachte ihn glücklich auf den Wyserad. Allhier beschenkte Wenzel den Fischer reichlich, machte ihn zum Ritter, gab ihm einen roten Karpfen im goldenen Schild zum Wappen und ließ seine ganze Familie nach Prag holen, wo er sich dann lebenslang Hans Gründel von Wien geschrieben."


Wenzel starb in Prag 1419 während einer wilden Zornaufwallung vom Schlag getroffen.

 

Textquelle: Zeitspiegel: Eine chronologische Ährenlese aus der österreichischen Völker- und Staaten-Geschichte. Zur Belehrung und Erheiterung für die reifere Jugend von Joseph Alois Moshamer 1866
Bildquelle: Malebné cesty po Praze. Prag, 1884

Symbolbild Blogartikel Abschluss

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