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Italische Fibeln der Bronze- und Eisenzeit

Entwicklung der verschiedenen Fibel-Formen

 

Typ 1: Fibeln mit Spiralscheibe und einfachem Bogen

Die Spiralscheibe war ursprünglich klein, aus dem schmalen, runden Draht gebildet, welcher die unmittelbare Fortsetzung des ebenfalls runden und schmalen Körpers ist. Anfangs war die Zahl der Windungen gewöhnlich sehr groß. Der Durchmesser der Spiralscheibe nimmt allmählich in Größe zu, in dem jede Windung breiter wird; der runde Draht wird nämlich bald flach gehämmert und bandförmig. Hierdurch nimmt die Zahl der Windungen natürlich ab und die äußeren Windungen, welche ursprünglich den inneren gleich waren, werden bedeutend breiter als diese; endlich verkümmern die inneren Windungen fast vollständig.


Die Spiralform der Scheibe verschwindet mehr und mehr und die jüngsten Scheiben zeigen gar keine Spuren von Spiralwindungen. Der Bogen, welcher bald sehr hoch, sogar ganz halbkreisförmig wird, ist nicht selten mit Querlinien oder Querrippen verziert; die Mitte ist bisweilen schraubenförmig. Später wird der Bogen sehr stark; bisweilen ist er nicht massiv, sondern von sehr dünnen und einander ganz nahestehenden Querscheiben gebildet, was eine fast unglaubliche technische Fertigkeit bezeugt. Andere Fibeln haben einen breiten, flachen, ovalen Bogen, der in einigen Gegenden mit Reihen von kleinen hängenden Ringen und anderen Anhängseln verziert ist.


Bei der Umbiegung vorn, am Übergang zur Scheibe, entsteht nicht selten, dadurch, dass das Knie immer breiter wird, ein Querstab, der bisweilen sehr lang ist (Fig. 146). Einige sehr späte Fibeln dieser Gruppe zeigen eine Verdopplung des Querstabes (siehe Fig. 682, 684).

Bronzefibel mit außergewöhnlich tordierter Nadel.
Bronzefibel mit außergewöhnlich tordierter Nadel.
Bronzefibel mit Querstab und gerilltem Bogen.
Bronzefibel mit Querstab und gerilltem Bogen.
Bronzefibel mit gerilltem Bogen, intakter Nadel und Scheibe als Nadelhalter.
Bronzefibel mit gerilltem Bogen, intakter Nadel und Scheibe als Nadelhalter.

Typ 2: Fibeln mit Spiralscheibe und serpeggianti
Die Spiralscheibe entwickelt sich in derselben Weise wie wir es in der ersten oben beschriebenen Fibelform mit Spiralscheibe und einfachem Bogen kennengelernt haben. Um mehr Platz für den Stoff zu bereiten, wurde die Nadel oft stark gebogen. Damit sie nicht so leicht abgebrochen werden sollte, wurde sie bisweilen aus einem besonderen Stück gebildet; in diesem Fall dreht sich die Nadel um einen kleinen Zapfen, der von dem hinteren Ende des Bogens gebildet wird.

Bronzefibel mit schlangenförmigem Bogen und Blattförmigem Nadelhalter.
Bronzefibel mit schlangenförmigem Bogen und Blattförmigem Nadelhalter.
Weitere Bronzefibel mit Spiralnadelhalter und schlangenförmigem (serpeggianti) Bogen.
Weitere Bronzefibel mit Spiralnadelhalter und schlangenförmigem (serpeggianti) Bogen.
Bronzefibel mit zweigliedrigem Bogen. Die Nadel, recht ungewöhnlich für Italien, aus einem weiteren Stück.
Bronzefibel mit zweigliedrigem Bogen. Die Nadel, recht ungewöhnlich für Italien, aus einem weiteren Stück.

Typ 3: Fibeln mit Nadelhalter und einfachem Bogen
Der Bogen, welcher (wie bei den Fibeln mit Spiralscheibe und einfachem Bogen) bald sehr hoch, sogar ganz halbkreisförmig wird und nicht selten kolossal ist, wird später niedriger und kleiner. Er ist entweder schmal oder stark. Später wird er bisweilen sehr stark und nicht selten hohl; oft ist ein solcher Bogen unten offen („a navicella“).


Der Nadelhalter der älteren bogenförmigen Fibeln ist oft sehr groß, bisweilen mit getriebenen Punkten verziert, wird aber später kleiner; er ist an der Mitte befestigt, sodass sein hinterer Teil ebenso lang wie der vordere ist. Später wird der vordere Teil des Nadelhalters verlängert; gleichzeitig wird der hintere Teil kürzer, um endlich mehr oder weniger vollständig zu verschwinden. Der auf diese Weise vorn verlängerte Nadelhalter bekommt allmählich eine bedeutende Länge (ab der Eisenzeit).


Lange Zeit ist er vorn etwas spitz zulaufend. Später endet er in einen Knopf, der zuerst klein, nachher aber größer wird. An den spätesten Fibeln dieser Art ist der Knopf des Nadelhalters oft nach oben gerichtet. Hierher gehören die sogenannten „Certosa-Fibeln“, deren Bogen nicht selten in der Mitte einen Winkel bildet (Übergang zur Latènezeit).


Alle jetzt beschriebenen Fibeln haben am Anfang der Nadel eine einseitige Spirale. Eine neue Gruppe - diejenige der Latène-Fibeln - wird von solchen Fibeln gebildet, welche eine zweiseitige Spirale haben. Der Bogen und der Nadelhalter einiger solchen Fibeln sind den Certosa-Fibeln ganz gleich (siehe Die Fibeln Europas Band II).


Durch die zweiseitige Spirale erhielten die Fibeln neue Lebenskraft und lebten noch lange Zeit: zuerst als Latène-Fibeln und später als römische Fibeln, deren Nachkommen in den germanischen Ländern die Völkerwanderungszeit überlebten.

Bronzefibel mit Linienornament auf dem Bogen, kahnförmig und am Nadelhalter ziert ein Schlussknopf.
Bronzefibel mit Linienornament auf dem Bogen, kahnförmig und am Nadelhalter ziert ein Schlussknopf.
Bruchstück Bronzefibel mit Bogen aus Bernsteinperlen als Zierde. Nadel fehlt.
Bruchstück Bronzefibel mit Bogen aus Bernsteinperlen als Zierde. Nadel fehlt.
Bronzefibel mit sechs Knöpfen am Bogen, länglichem Nadelhalter und Schlussknopf.
Bronzefibel mit sechs Knöpfen am Bogen, länglichem Nadelhalter und Schlussknopf.

Typ 4: Fibeln mit Nadelhalter und serpeggianti
Der Nadelhalter ist anfangs kurz, aber bald verlängert. In einigen seltenen Fällen wird die Nadel aus einem besonderen Stück gebildet; in diesen Fällen dreht sich die Nadel um einen kleinen Zapfen, der von dem hinteren Ende des Bogens gebildet wird.


Bisweilen wird die Nadel stark gebogen, offenbar um mehr Platz für den Stoff zu schaffen. Die vordere Spirale wird zuerst durch ein Knie ersetzt, das bald mit zwei kleinen Hörnchen versehen wird; beiderseits dieses Knies ist der Bogen oft verbreitert, sodass hier sogar zwei Paare von kleinen Spitzen gebildet werden. Später verschwindet auch die hintere Spirale, am Anfang der Nadel, und wird ebenfalls durch ein Knie ersetzt, welches oft, wie das vordere Knie, mit zwei kleinen, kurzen, geraden Hörnchen versehen wird. Der Symmetrie wegen erhalten endlich die zwei oben genannten Paare von kleinen Spitzen solche runde Knöpfe wie die Hörnchen-Fibeln (ab der Eisenzeit).


Typus 1 und 2 fangen ungefähr zur selben Zeit an, indem die Typen wohl beinahe gleichaltrig sind. Dass die 3. und 4. Typformen etwas später beginnen, ist natürlich, weil die vorn umgebogenen Fibeln jünger sein müssen als solche primitiven Formen. Zahlreiche Funde beweisen, dass die Typen mittel-italienischer Fibeln wirklich in der von den typologischen Verhältnissen angegebenen Reihenfolge aufgetreten sind, wie die hier gegebene Übersicht der Formen es zeigt.


Obwohl die Typformen 2 und 4 etwas später anfangen als die Typformen 1 und 3, laufen sie alle vier ganz parallel. Fibeln mit Nadelhaltern dauern jedoch länger als die mit Spiralscheiben. Von den Fibeln mit Nadelhaltern hören die vorn umgebogenen (serpeggianti, 4. Typus) viel früher auf als die mit einfachem Bogen (3. Typus), welche alle anderen Typformen lange überleben.

Bronzefibel mit gefalztem Nadelhalter und schlangemförmigem Bogen. Mit Schlussknopf.
Bronzefibel mit gefalztem Nadelhalter und schlangemförmigem Bogen. Mit Schlussknopf.
Schlangenförmige Bronzefibel mit Bronzescheibchen auf dem Bogen.
Schlangenförmige Bronzefibel mit Bronzescheibchen auf dem Bogen.
Jüngere schlangenförmige Bronzefibel, typisch für Italien. Nadel ist abgebrochen und fehlt.
Jüngere schlangenförmige Bronzefibel, typisch für Italien. Nadel ist abgebrochen und fehlt.


Aus dem Buch: Die Fibeln Europas Band 1 - Von der Bronzezeit bis zur Hallstattzeit.

 

Einblick ins Buch hier

 

564 Seiten

Preis: 49,95 EUR

Format: Taschenbuch

Erscheinungstermin: im Dezember 2021

2.373 Abbildungen


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