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Der Soldat in der deutschen Vergangenheit Teil 15

St. Georg. Holzschnitt von Lucas Kranach (1472-1553)- Nürnberg. Germanisches Museum.
St. Georg. Holzschnitt von Lucas Kranach (1472-1553)- Nürnberg. Germanisches Museum.

Auch in den Augen anderer beginnt der neue Stand sich rasch zu scheiden von den übrigen. Das Hauptmittel volkstümlicher ständischer Charakteristik, die Satire, hatte seine bildnerische Kraft nicht anwenden können, solange der Kriegerberuf der für alle natürliche, und solange er der vornehme war. Darum musste auf der ersten Stufe alles, was dem Verständnis des Volkes nahe gebracht werden sollte, kriegerisches Gewand anlegen, darum werden auf der zweiten alle glänzenden menschlichen Eigenschaften auf den Krieger gehäuft. Die älteste deutsche Darstellung der Geschichte Christi lässt den Heiland daherfahren als einen mächtigen Gefolgsherrn, von seinen Mannen umgeben, und die volkstümlichen Heiligen sind Krieger – St. Michael, St. Georg, St. Martin, die thebaische Legion. Die epischen Dichtungen der höfischen Periode und ihre Nachfahren zeichnen ihre Heldengestalten ohne Schatten, nur Wate in der Gudurn, Ilsan im Rosengartenliebe lassen Ansätze zu einer komischen Charakterisierung des Haudegens erkennen. Bewaffnete Selbsthilfe in Fehde oder dem Gottesgericht des Zweikampfes galt als Mannesrecht, das später die oberen Schichten für sich allein beanspruchten. Wer dessen nicht fähig war, wie Geistliche und Frauen, den schützte ein besonderer Friede. Erst als im Bürgertum ein Stand aufkam, der für seine Hauptbeschäftigung, den Handel, des Friedens bedurfte und der zugleich die überlegene Bildung verkörperte, bildete sich ein literarischer Gegensatz gegen das bisher einzig verherrlichte Kriegertum. Ein solcher hatte bereits früher einmal Ausdruck gefunden in der Gegenüberstellung zweier Truppen, die zugleich eine solche zweier Bildungsreife darstellte. In französischen Dichtungen wie in den stark von ihnen beeinflussten lateinischen Vagantenliedern des 13. Jahrhunderts wird nicht selten der Wettkampf um Frauengunst behandelt zwischen dem Ritter und dem Kleriker, d. h. nicht dem Priester, sondern dem Manne geistlicher Bildung – bei der Herkunft der Dichter regelmäßig zugunsten des letzteren. Angeschlagen wird das Thema auch in den Volksliedern des 16. Jahrhunderts, die nicht selten den Schreiber, d. h. den Studierten, als begünstigten Liebhaber ausspielen.

Karrikatur auf Landsknecht mit Buben aus dem 16. Jhd. Holzschnitt eines unbekannten Meisters. Berliner Kupferstichkabinett.
Karrikatur auf Landsknecht mit Buben aus dem 16. Jhd. Holzschnitt eines unbekannten Meisters. Berliner Kupferstichkabinett.

 

Der eine was ein Reuter, der andre ein Edelmann,

 

Der dritte ein stolzer Schreiber, der wollt das Mägdlein han.

 

 

Was ehemals eine literarische Eifersucht kleinerer Kreise gewesen war, bedeutet jetzt einen Gegensatz der Lebensanschauung und -haltung. Mit den Anwachsen des schriftlichen Verwaltungsapparates begann sich die bürgerlich-gelehrte Kultur einer Überlegenheit über die nicht mehr maßgebende kriegerische bewusst zu werden:

 

 

Vor´m Schreiber muss sich biegen gar mancher stolze Held

 

Und in ein Winkel schmiegen, wiewohl es ihm missfällt.

 

Stoffel Allwegwol. Holzschnitt von Peter Flötner. Aus Breunner-Enckevort, Kriegsvölker 1883.
Stoffel Allwegwol. Holzschnitt von Peter Flötner. Aus Breunner-Enckevort, Kriegsvölker 1883.

Die Festsetzung eines besonderen Marktfriedens ist wahrscheinlich der Ausgangspunkt städtischer Entwicklung gewesen und eines der ersten Stadtprivilegien war gewöhnlich die Befreiung von der Verpflichtung, sein Recht im gottesgerichtlichem Zweikampf zu erweisen. So tapfer der Bürger seine Mauern zu schützen wusste, der kriegerische Geist nahm mit wachsendem Besitz ab, wie die Vorliebe für das Söldnertum erkennen lässt. Der Sinn für Satire aber fand in den Städten bei dem engen Beisammenwohnen, der ganz anders als heute bis in die Tracht ausgeprägten ständischen Scheidung einen Boden wie noch nie. Davon zeugen die seit dem 14. Jahrhundert aufkommenden Eigennamen mit ihrer Fülle derbwitziger Anspielungen. Da lag es nahe, den außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft stehenden Soldaten durchzuhecheln; und der Landsknecht ist eine der beliebtesten Gestalten der gleichzeitigen Schwankliteratur in Poesie und Prosa, die mit Vorliebe die Form der Anekdote wählt.


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Quelle Bild und Text: "Der Soldat in der deutschen Vergangenheit" miteinhunertdreiundachtzig Abbildungen und Beilagen nach den Originalen aus dem 15. - 18. Jahrhundert, von Georg Liebe; Leipzig, 1899.