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Der Soldat in der deutschen Vergangenheit Teil 2

Ritterliche Kampfesweise. Kampf Jakobs des Großen mit den Sarazenen. Kpfr. aus der Werkstatt von Martin Schongauer. Berlin, Kupferstichkabinett. B. 53.
Ritterliche Kampfesweise. Kampf Jakobs des Großen mit den Sarazenen. Kpfr. aus der Werkstatt von Martin Schongauer. Berlin, Kupferstichkabinett. B. 53.

 

Die neuen, dem Geist des Rittertums entgegengesetzten Waffengattungen beförderten das Entstehen eines neuen Kriegerstandes. Die Waffentaktik wie die Fernwaffen ließen die Bedeutung des Einzelkämpfers und damit das aristokratische Element des Kampfes zurücktreten. Vergeblich, dass 1215 das von Papst Innozenz III. einberufene Konzil den Geistlichen verbot, „mit räuberischer Söldnerbanden, mit Armbrustschützen oder dergleichen Blutmenschen kirchlich zu verkehren“, vergeblich die Abneigung der Ritterschaft gegen das „unchristliche“ Schießen und ihrer immer mehr verstärkte Rüstung. Söldner, zum Teil mit Feuerwaffen, bilden seit dem 15. Jahrhundert den Kern der Heere. Die Führung dieser Entwicklung hatten die Städte, wie sie auch auf anderen Gebieten des Staatslebens, dem Finanz- und Polizeiwesen, vorangingen. Waren sie doch ihrem Wesen noch kriegerisch, ohne Befestigung nicht denkbar in Zeiten, wo das Recht nicht Schutz gewährte, sondern bedurfte. Wie die altrömische Bezeichnung der Mauern – moenia – ursprünglich Frondienste bedeutet, so war die erste regelmäßige Steuer in den deutschen Städten – Ungeld von ihrem Ausnahmecharakter genannt – zum Bau der Mauern bestimmt, welche anstelle der früheren aus Holz und Flechtwerk hergestellten Befestigung um die Ortschaften emporwuchsen. Nicht selten sank mehr als eine Generation der Bürger ins Grab, ehe die Enkel sich des sicheren Schutzes erfreuen durften, und noch lange erinnert der Name der Steinbuße, die als Strafe verhängte Lieferung von Steinen zum Mauerbau, auch nach ihrer Ablösung durch Geld an die Nöte der Vergangenheit.

 

Den stolzen Bau aber mit seinen ragenden Türmen und Zinnen finden wir mit Recht als häufiges Wahrzeichen in das Stadtwappen aufgenommen. War doch der Schutz, den er gewährte, ein unbedingt sicherer, solange die Vertreibung das Übergewicht über den Angriff hatte. Das war aber den früheren Belagerungsmaschinen und auch den schwerfälligen, schlecht bedienten Geschützen der ersten Zeit gegenüber durchaus der Fall. Ein Sturm, wenn nicht durch List oder Überraschung unterstützt, erforderte furchtbare Opfer bei der erbarmungslosen Kriegsführung, die alles erlaubte, was schaden konnte. Regelrechte Belagerung aber war schwierig, da dem Feind die Lebensmittel so schnell ausgingen wie der Stadt, die Heere nie lange zusammengehalten werden konnten und Entsatz zu fürchten war. Denn durch Brieftauben die Verbindung mit außen aufrecht zu erhalten, hatte man schon in den Kreuzzügen von den Sarazenen gelernt.

 

Kampfszene aus dem Schwabenkrieg im 15. Jahrhundert. Kpfr. vom Meister P. W. Nürnberg. Germanisches Museum. P. II, p. 159.
Kampfszene aus dem Schwabenkrieg im 15. Jahrhundert. Kpfr. vom Meister P. W. Nürnberg. Germanisches Museum. P. II, p. 159.

 

So waren die Städte auch in Reichskriegen als Stützpunkte von unvergleichlicher Wichtigkeit. Seit Kaiser Heinrich IV. es erfahren und dankbar anerkannt hatte, war die allgemeine Dienstpflicht in ihren Regeln geblieben unter dem stetigen Zwang der Wachsamkeit gegen missgünstige Nachbarn. Als aber das reicher ausgestattete Erwerbsleben weitere Kriegszüge für den Bürger beschwerlicher machte, da ermöglichten es den Städten ihre finanziellen Hilfskräfte, des neuen Kampfmittels zunächst ausgiebiger sich zu bedienen als ihre Gegner. Auch das städtische Kriegswesen hatte sich zuerst dem ritterlichen angeschlossen. Den Kern ihrer Streitmacht bildeten die rittermäßig bewaffneten berittenen Geschlechter, für die daher der Name Konstabler aufkommt, bis mit der Demokratisierung der politischen Verfassung im 14. Jahrhundert eine solche der Kriegsverfassung eintritt und das nach Zünften geordnete Fußvolk Bedeutung gewinnt.

 

Zwei Nachrichten aus Magdeburg kennzeichnen die Veränderung der Zeiten. Um 1280 hielten die dortigen Zunftadel auf der Stadtmarsch, einer Elbinsel, ein Turnier in den feierlichen Formen eines Festspiels, Gral genannt, das ihrer einer, Brun von Schönebeck, gedichtet. 1387 hielten die Bürger an derselben Stätte einen Schützenhof. Länger als die von den Städten selbst gestellte Mannschaft hielten die von ihr geworbenen Söldner an den ritterlichen Formen fest, da sie sich größtenteils aus den Reihen des niederen Adels rekrutierten. Denn so verbittert der Gegensatz zwischen Ritterschaft und Städten im Späten Mittelalter geworden war, beider Kräfte in zahllosen, ununterbrochenen Fehden erschöpfend, dennoch die harte Notwendigkeit beide zueinander zwang. Die Städte, obwohl imstande, rasch eine große und geübte Mannschaft auf die Beine zu bringen, durften unmöglich ihren Bürgern eine längere Abwesenheit von ihrem Beruf zumuten. Den Adel bedrängte der Vermögensverfall, herbeigeführt durch die von den Städten vertretene neue Wirtschaftsordnung, den einzigen Erwerb zu suchen, den seine Erziehung ihm ermöglichte, sei es auch bei eben diesem Feinde. Zahllos fassen auf den Burgen nicht nur auch in kleinen von ihnen abhängigen Städten und in Dörfern die erbelosen jüngeren Söhne des Adels, bereit für jede Sache in den Stegreif zu treten. Das von ihnen gewahrte Privileg des Rossdienstes ließ sich aber nicht mehr behaupten. Zu ihnen gesellten sich Abenteurer jeden Standes. Wer einer Strafe entronnen, einer Stadt verwiesen, jeder, für den in der strengen Gesellschaftsordnung kein Platz war, schlug sich zu den Rotten, die vom immerwährenden Krieg lebten, Gesellen, die mit der Vergangenheit auch den früheren Namen hinter sich geworfen hatten, die Smeckebraden, Gripeto, Sladenduvel.

 

Einzelkämpfe im 15. Jahrhundert. Holzschnitt aus der Lübecker Bibel. Lübeck, Steffen Arndes, 1494.
Einzelkämpfe im 15. Jahrhundert. Holzschnitt aus der Lübecker Bibel. Lübeck, Steffen Arndes, 1494.
Gefechtsszene. Holzschnitt aus der Deutschen Bibel. Köln, Quentel, ca. 1480.
Gefechtsszene. Holzschnitt aus der Deutschen Bibel. Köln, Quentel, ca. 1480.

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Quelle Bild und Text: "Der Soldat in der deutschen Vergangenheit" miteinhunertdreiundachtzig Abbildungen und Beilagen nach den Originalen aus dem 15. - 18. Jahrhundert, von Georg Liebe; Leipzig, 1899.