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Die Aufstellung der Waffen.

Beispielbild einer Waffensammlungsausstellung 2

 

Die Anordnung von Waffensammlungen muss sich nach dem Zweck richten, welchem sie zu dienen haben. Sind sie in den Händen des Staates, einer Provinz, einer Gemeinde oder überhaupt öffentlich, dann muss die Art der Anordnung der Gegenstände dem Bedürfnis nach Belehrung strenge entsprechen. Da hat der Dilettantismus oder das Streben nach dekorativer Wirkung, mit der so häufig die Unkenntnis bemäntelt wird, kein Wort mitzureden. Die Vorführung muss derart sein, dass sie den historischen Gedanken festhält, die Entwicklung des Waffenwesens demonstriert und so nicht nur Material zur Erläuterung der politischen, sondern auch der Kulturgeschichte überhaupt bietet. Die Anordnung muss also eine chronologische sein, „beginnend mit dem ältesten Stück und endigend mit dem jüngsten“. Öffentliche Sammlungen, welche nach anderen Gesichtspunkten geordnet sind, entsprechen nicht dem wissenschaftlichen Zweck und unter Umständen erscheint eine mehr auf „Bewunderung“ als „Belehrung“ abzielende Gruppierung als eine unverantwortliche Vergeudung des öffentlichen Gutes, der baldmöglichst Schranken gesetzt werden sollten.

 

Halten wir den Gedanken einer streng chronologisch-synchronistischen Reihung fest, dann gelangt unversehens der einfachste Gegenstand als ergänzender Teil zu gleicher Wichtigkeit mit den an sich wertvollsten und seltensten Stücken. Dadurch ergibt sich von selbst, dass jedes Stück zwar in fachgemäßer Zusammenstellung erscheinen, aber außer dekorativer Verbindung mit anderen bleiben muss.

 

Im nachfolgenden geben wir einige Regeln für die Aufstellung einer dem erwähnten Grundsatz entsprechenden Waffensammlung.

 

Ganze Plattenharnische sind auf Figurinen (Gestellen) anzubringen, welche in einfachster Form zu fertigen sind. Man vermeide es, geschnitzte oder wächserne Gesichter oder Hände beizugeben, die der Sammlung den Charakter eines Wachsfiguren-Kabinettes geben würde. Ebenso ist es zweckwidrig, Harnische auf hölzerne Pferde zu setzen, wodurch die Sättel der Ansicht entzogen werden und vor der Zeit zugrunde gehen. Pferdeharnische werden auf Gestelle aufgelegt, ebenso halbe Mannsharnische auf Kreuzgestelle gehängt. Kein Harnisch darf mit einer Angriffs- oder anderen Schutzwaffe in Verbindung vorgeführt werden. Derlei Zusammenstellungen führen nur zu irrigen Anschauungen und verleiten unwillkürlich zur Erzielung von theatralischen Effekten. Ein Harnisch ist eben nur ein Harnisch und es darf niemand einfallen, sich bei dessen Anblick einen in Eisen gekleideten Menschen, etwa einen alten Helden mit gezücktem Schwert und dergleichen zu denken. Das ist eine romantische Spielerei. Die ihrem historischen Wert oder ihrer Form nach interessantesten Angriffswaffen sind dem Auge nahezurücken, daher auf am Boden ruhenden Gestellen anzubringen. Duplikate und sonst minder bedeutsame Stücke, Schwerter, Degen, Stangenwaffen mit nicht vollkommen erhaltenen Schäften und dergleichen können dagegen, im Fall es an Platz mangelt, auf Waffenbretter gruppiert, an den Wänden zur Ansicht gelangen; doch soll jedes Stück so angebracht sein, dass es im Bedürfnisfall leicht und schnell herabgenommen werden kann. Fahnen müssen vollkommen entfaltet an den Wänden oder in den Saalmitten hängend angebracht werden. Alle Drapierungen sind zu vermeiden. Gegenstände von geringen Dimensionen, aber von an sich bedeutenderem Kunstwert, von größerer Seltenheit und solche subtilerer Struktur sind in Glaskästen zur Schau zu stellen, die, freistehend, den Gegenstand von allen Seiten zu betrachten gestatten. Sie müssen immer so gestellt werden, dass das Licht von den Fenstern nicht diametral auf die Glasscheiben fällt.

 

Diese Forderungen sind unabweislich an Staats- und öffentliche Sammlungen zu stellen; ein anderes ist es aber bei privaten Kollektionen. Bei diesen entfällt selbstverständlich jede Forderung, denn jeder hat das Recht, seinen Besitz nach seinen eigenen Anschauungen zu ordnen. Wir hätten demnach die Pflicht, an dem Privatbesitz stumm vorüberzugehen. Wenn wir dennoch über die Ordnung privater Waffensammlungen uns einige Winke zu geben erlauben, so sind wir dazu aus dem Grund veranlasst, dass eine nicht geringe Anzahl von Besitzern wertvoller Sammlungen, die diese, von humansten Gefühlen beseelt, dem Publikum eröffnet haben, nicht abgeneigt sind, ihre eigenen Anschauungen mit dem Bedürfnis der Belehrung in tunlichsten Einklang zu bringen. Zudem haben wir die Überzeugung gewonnen, dass fast jeder Sammler von Waffen sachgemäßen Urteilen über die Art der Aufstellung gerne das Ohr leiht, sei es auch nur, um einzelne Winke zu beherzigen und sich nach ihnen zu richten.

 

Jeder einzelne Sammler pflegt nach bestimmten Richtungen zu sammeln und so trägt jede private Waffensammlung ihren eigenen Charakter an sich. Die große Masse privater Sammler geht lediglich von der Absicht aus, mit älteren Waffenstücken dekorative Effekte zu erreichen. In dieses Streben mengen sich oft dunkle, romantische Empfindungen, mit welchen man sich in eine vergangene Zeit hineinträumt, als Gegensatz zu der schal erscheinenden Gegenwart. Das sind freilich Passionen, mit denen wir hier nicht zu rechnen haben und denen gegenüber wir nur Andeutungen geben können, wie ihnen nachzugehen wäre, ohne dem Gegenstand selbst, der Waffe, Gewalt anzutun. Vor allem vermeide man es streng, mit Harnischen andere Waffen in Verbindung zu bringen, welche weder aus derselben Zeit stammen, noch zum Gegenstand stimmen. So sieht man z. B. häufig Zweihänder in die Handschuhe von Reiterharnischen geklemmt, die, wie wir gesehen haben, nur von gemeinen Knechten zu Fuß geführt wurden. Oft hängt an den Hüften eines Turnierharnisches des 16. Jahrhunderts ein zierlicher italienischer Stadtdegen mit doppeltem Eselshuf oder es ist einem schweren Stechzeug eine Helmbarte in die steifen Hentzen gedrückt. Derlei Widersprüchen und Anachronismen begegnen wir in Hülle und Fülle. Ganz unzweckmäßig ist es ferner, in verschwenderischer Weise kostbare Waffen, zu sogenannten Trophäen gruppiert, hoch an die Wände zu nageln, da man mit den prunklosesten Stücken genau dieselbe Wirkung erzielen kann. Unten an die Wände gestellt, auf Tische oder Kästen gelegt, erfüllen sie weit besser den beabsichtigten Zweck. Fahnen mit in Falten herabhängenden Blättern aufzustellen, sollte vermieden werden. Sie müssen, wie es schon in alten Zeiten geschah, mit horizontalen Schäften an das Gewölbe gehängt werden, sodass die Blätter glatt herabfallen. Turnierzeug ist immer von den Feldwaffen und womöglich räumlich zu trennen, ebenso die Jagd- und Zielwaffen, wie auch orientalische Gegenstände, da diese einem besonderen Kulturgebiet angehören.

 

Ein wichtiges Kapitel im Sammelwesen betrifft die Ergänzungen von unvollständigen Stücken. In öffentlichen Sammlungen ist jede Ergänzung dieser Art unstatthaft. Man kann, statt ein schadhaftes Stück zu ergänzen, lieber ein gutes Bild, selbst eine Imitation vor Augen stellen, auch den Gebrauch desselben bildlich darstellen; das schadhafte Original muss aber bleiben, wie es ist, weil in den meisten Fällen jede moderne Zutat einer Schädigung desselben gleichkommt. Bei Sammlern ist das Streben, etwas Vollständiges zu besitzen, freilich zu groß, als dass nicht allenthalben solche Ergänzungen vorkämen, die das Auge des Kenners doch nicht täuschen. Was kann man da nicht alles sehen! Harnische werden mittels Papiermaché oder Blech vervollständigt, Stangen an Spießen und Helmbarten neu gemacht, Löcher in Fahnenblättern werden mit Stoff überklebt und roh mit Farben überklechst. In Schwert- und Degengriffe werden Eisenstücke eingestoßen, die aus der Entfernung als schöne Klingen erscheinen sollen. Nicht selten wird aus zwei unvollständigen Stücken ein ganzes gemacht und der Eigentümer hat eine Herzensfreude über das vermeintlich gelungene Werk. Von solchem Vorgehen möchten wir dringend abraten. Der Eigentümer denkt oft nicht daran, welchen Schaden er eines besseren dekorativen Eindruckes wegen einer wertvollen, wenn auch unvollständigen Waffe zufügt. Da ist es ratsamer, um wenige hundert Mark die ganz trefflich ausgeführten Abgüsse von Zierwaffen des Stolbergschen Eisenwerks in Ilsenburg oder gute galvanoplastische Kopien von Haas in Wien etc. zu kaufen, die für eine Dekoration vollauf ihre Dienste tun.

 

Manche Schlossherren besitzen auf ihren Stammsitzen zahlreiche Waffenstücke, die nicht bei Antiquaren und Trödlern zusammengekauft, sondern seit Jahrhunderten von Generation auf Generation vererbt worden sind. Bei derlei Material fordert es die Pietät, es in Ehren und unverletzt zu erhalten. Aber gerade diese Pietät führt oft zu den empfindlichsten Schädigungen kostbarster Sammlungen, denn hier waltet oft uneingeschränkt der sicher zerstörende Rost, der Grünspan und die Fäule. Häufig in feuchten Gewölben untergebracht, gehen die schönsten Stücke ihrem Verderben weit vor der Zeit entgegen. Gerade für solche Sammlungen würde sich eine Übersiedlung in lichte, trockene Räume und eine chronologische Aufstellung empfehlen, denn die Pietät äußert sich nicht allein in der substanziellen Bewahrung, sondern in der Fürsorge für die Erhaltung und in einer ebenso würdigen als zweckmäßigen Aufstellung. Derlei Arbeiten lassen sich auch auf mehrere Jahre verteilen. Auch in diesem Fall muss man von dem Gedanken absehen, statt Harnischen geharnischte Männer, statt Rosszeugen geliegerte Pferde usw. vor Augen stellen zu wollen. Das kostet viel Geld und lenkt die Aufmerksamkeit von dem eigentlichen Gegenstand ab, der gar oft nicht unbedeutenden Wert besitzt und mit der Geschichte des Schlosses, in dem er sich befindet, in engen Beziehungen steht.

 

Wer aber nur wenige, aber künstlerisch wertvolle, schöne und seltene Stücke besitzt, der verzichte darauf, sie vereint aufzustellen oder gar zu gruppieren. Der lege sie, wenn die Gegenstände es erlauben, auf Tische, Etageren und Kommoden in seinen Wohnzimmern, stelle Harnische an geeigneten Punkten auf dem Boden auf, breite Fahnen gleich Arazzis an die Wände; da werden sie zum Schmuck der Räume beitragen und der Bewunderung des kunstverständigen Fachmannes, welcher als Gast eintritt, nicht entgehen.

 

Quelle: Handbuch der Waffenkunde von Wendelin Boeheim