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Der Mord im Stift Garsten

Damit ich, mein liebreiches Vaterland, die Stadt Steyr, wiederum gedenke, will ich auch eine ganz erbärmliche „Mordthat“, die sich unweit davon abspielte, nämlich im löblichen Stift und berühmten Kloster Gärsten [heute Stift Garsten], nicht Bruder gegen Bruder, sondern von zweien Schwestersöhnen, gegen ihren eigenen hochverdienten Vetter, erzählen. Die Tat ereignete sich im Jahr 1493.


Es ereignete sich dazumal im wohlangeregten Kloster Gärsten. Der Abt Leonhard hatte zwei „Schwestersöhne“ mit den Taufnamen Andreas und Wolff, mit dem Nachnamen Knieschint. Der Andreas war ein Kämmerer und Wolffgang ein Tuchscherer zu Steyr gewesen. Dann gab es noch einen Schwager namens Wolffgang, seines Handwerks ein Schneider.


Diese letzte Bande waren böse leichtfertige Buben und gingen dem „Teuffelsbanen“ und Schatzgraben nach. Weil ihnen aber solches Handwerk nicht viel eintrug, auch wohl bemeldeter Herr Abt sie wegen ihres ärgerlichen Lebens scheute, gerieten sie endlich in Verzweiflung und begaben sich auf eine „Weegschaide“, dem leidigen Teufel, der ihnen zu Geld verhelfen sollte. Daraufhin sollen sie einen Anschlag geplant haben, den Abt zu „schätzen“ oder zu berauben oder gänzlich umzubringen. Für ein solches Vorhaben wurde ihr Bruder und Schwager, besagter Kämmerer, um Beistand erbeten, dessen er sich zwar anfangs lang widersetzte, aber endlich zur Einwilligung beredet wurde.


Am St. Ursula Tag schlichen sich die beiden Wolffgangs, der Scherer und der Schneider, früh ins Kloster. Der Abt hielt eben damals die Messe. Daher riet ihnen der Andreas, sich in der Kapelle zum Heiligen Geist zwischenzeitlich aufzuhalten. Danach gingen sie heimlich in den Gang zum Zimmer des Abts und verbargen sich eine Weile unterm Dach. Daselbst hielten sie zwei Prügel und warteten, auf dass der Abt aus dem Zimmer gehen werde, was wider der Gewohnheit erst nach dem Mittagessen geschah. Sie ließen ihn, den „Burdeschlüssel“ am Arm tragend, aus- und eingehen. Sie hatten selbst ein Entsetzen und eine Furcht vor ihrer erschrecklich geplanten Mordtat geschöpft.


Doch erholten sie sich wieder und beschlossen Hand anzulegen. Der Schneider machte sich an der eisernen Tür zu schaffen und versperrte damit den Gang. Unmittelbar ging der Abt zu seinem Unglück abermals aus dem Zimmer. Sodann sprang der Scherer mit dem Dremel [Prügel] an und schlug ihn auf dem Kopf. Dergleichen tat auch der Schneider. Abt Leonhard fiel zu Boden. Die Mörder traten ihm auf den Hals und Brust. Verstopften ihm das Maul und schlugen so lang, bis die „Seel ausgieng“.


Der Körper war voller blutiger Beulen. Diese trockneten sie mit einem Tuch, welches sie am Fenster unter einem Stein verbargen. Aus dem Prälatenzimmer ging eine Stiege hinab zum Keller. Diesen sperrten die Mörder auf und legten den toten Körper hinein. Sie streuten einiges Geld vor der Tür nieder, dass man meinen sollte, er wäre mit all seinem Geld plötzlich die Stiegen hinab gefallen. Inzwischen war der eine Gespann, Andreas Knieschint, in des Abtes vorderem Zimmer. Er öffnete die Truhen und nahm daraus 100 Taler an Geld, ein „verguldetes“ Geschirr, ein silbernes Becherlein, eine Schnur mit Korallen, ein Buch und ein Beutel mit 24 Talern neben weiteren aber geringfügigeren Sachen. Mit dieser Beute begaben sie sich alsbald aus dem Kloster. Sie erweckten in der Stadt Steyr ein Geschrei und bezichtigten die Convent-Brüder zu Gärsten und eine „Weibsperson“, die Colmanin genannt, den Abt umgebracht zu haben. Aber! Die Klosterleute kamen den Tätern bald nach und riefen den Stadtrichter Hansen Kölln und dieser veranlasste eine „gefängliche Erziehung“ gegen die Bande. Aber weil sie ihrem Fürgeben [ihre Beschuldigung] gegen die Brüder im Kloster und gegen das gemeldete Weib nicht zurücknahmen und auf ihre Anschuldigungen beharrten, und weil der Stadtrichter Bedenken trug, auf die Anklage alsbald mit der Schärfe zu verfahren, erbat sich der Kloster-Schaffner und Hofrichter Augustin Stadtmeir, mit Versicherung des Gerichts, neben den Tätern ins gleiche Gefängnis einsperren zu lassen. Dort redeten sie schließlich über ihre Übeltat.


Darüber wurden sie alle drei über eine Zeit hernach zu Steyr mit dem Schwert gerichtet.


Zum Unglück im Kloster Gärsten mit der gemeldeten Ermordung des Äbten Leonhards kam anno 1495 noch ein anderes Unglück hinzu. Abt Georg fuhr auf einem Fluss an der „Enns“, derselbst rann unter der Stadt nahe bei dem Schatzhoff, und rammte mit seinem Boot einen Stein. Daraufhin wollte der Abt zur Rettung seines Lebens springen, aber es misslang ihm der Sprung und er fiel ins Wasser. Er ist erbärmlich ertrunken. Das geschah am 21. Mai, am Tag Gervafii & Prothafii.


Quelle: Ausgewählte kuriose Gerichtsfälle der Antike, des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit. Überarbeitete Neuauflage des Continuatio Metamorphosis Telae Judiciariae – Das ist Fortsetzung Seltsamer Gerichtshändel (aus dem Jahr 1658)