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Der Handschuh und der klösterliche Rechtshandel

Der Handschuh
Ein Bauer fand „ohngefehr“ im Wirtshaus eines Soldaten Handschuh liegen, nahm diesen in die Hand, täte endlich seine Finger darein stecken und schaute, ob selbiger Handschuh ihm recht passen würde. Als der Soldat kam und dies sah, schrie dieser auf, dass er ein Edelmann sei und daher vom Kot und Mist stinkenden Halunken seines Weges gebührte Ehre verletzt sehe. Eines Edelmanns Blut also auf unverantwortliche Handlung des Bauern auf mutwillige Weise zu verschimpfen, den Handschuh zu missbrauchen und hierdurch dem Edelmann einen so großen Spott und Schande auf höchste Unbilligkeit zuzufügen.


Der arme Bauer wird hierüber alsohalben unverschuldet ins Gefängnis geworfen. Beide Seiten werden vor Gericht angehört. Vor Gericht wird verkündet, dass die vom Soldaten empfundene angetane Unehre und Verschimpfung auf das höchste herausgestrichen und geschätzt wurde und er dahingehend begütert wurde, dass der Bauer ihm für den geklagten Abtrag zwei doppelte Dukaten bezahlten musste.


Dies ist zwar ein lachenswürdiger Fall, doch gleichwohl ein vermessener Zank, wo man aus einer Mücke einen Elefanten gemacht hat.

 


Der klösterliche Rechtshandel
Dazumal hatten Ordensbrüder mit etlichen weltlichen Personen wegen unbeweglicher Güter eine schwermütige Rechtsführung. Sie wurden endlich vor dem Richter erörtert und ausgesprochen. Er kam zum Schluss, dass das Kloster seine gesetzte Klage im Recht behauptet habe und daher demselben das umstrittene Grundstück als Eigentum anvertraut wird.


Darüber freute sich des Klosters Kellermeister, welcher bei diesem Rechtshandel das Ruder geführt hatte, so sehr, dass er dem Prälaten nach seiner Anheimkunft im Kloster in der Stille anver-traute, dass er wohl ein gutes Trinkgeld verdient hätte, weil des Klosters gesetzte Ansprüche nicht rechtens gewesen waren. Nur die Gegenseite sei gar zu einfältig gewesen.


Hierüber wurde der Abt nicht wenig bestürzt und in seinem Gemüt verwirrt. Er schwieg den gesamten nachfolgenden Tag und hielt innere Ruh. Schließlich klagte er den Kellermeister an, weil er durch seinen Geiz die Wahrheit gebogen und falsch gedruckt hatte. Er wurde seines Amtes enthoben und in Ungnade entlassen. Die Sache war damit nicht erledigt. Der Prälat reiste mit einen abgeordneten Boten zur Gegenpartei in der Rechtssache und als sie ankamen, wurden sie freundlich empfangen und begrüßt.


„Meine lieben Leut“, so der Prälat, „diejenigen Güter und Grundstücke, die mir und meinem Kloster gerichtlich zuerkannt worden waren, sind euer. Ich werde dieselben von euch niemals abfordern.“


Über diese neue ganz vortreffliche doch aber unverhoffte Zeitung [gemeint ist Nachricht] wurde die beleidigte Gegenseite nicht wenig erfreut. Sie kamen zurück und erzählten ihren Nachbarn des neuen Abtes Aufrichtigkeit und Gerechtigkeit, wodurch sie dermaßen auferbaut und bewegt wurden, dass sie sich wiederum unverzüglich zum Prälaten begaben, um ihre umstrittenen Güter und Grundstücke, derentwegen sie so vielfältige Zeit und mit Unkosten gezankt haben, freiwillig abzutreten anboten. Darein wollte der Prälat lange Zeit nicht einwilligen, bis endlich sie sich erklärten und gesprochen haben:


„Gnädiger Herr! Aller Recht und Gerechtigkeit, welche wir bei und auf diesen unsern Gütern haben, tun wir uns gänzlich begeben und verzeihen. Was mein ist, ist auch dein, anstatt eines Almosens gegeben und überantwortet.“ Damit hat der Prälat die Streitsache ein für alle Mal beendet.


Quelle: Ausgewählte kuriose Gerichtsfälle der Antike, des Mittelalters und der beginnenden Neuzeit. - Überarbeitete Neuauflage des Continuatio Metamorphosis Telae Judiciariae – Das ist Fortsetzung Seltsamer Gerichtshändel (aus dem Jahr 1658)