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Von einem chloroformierten Bären

Es war im Jahre 1852. Professor Schönlein war bei König Friedrich Wilhelm IV. um die Erlaubnis eingekommen, die Wirkungen des damals neuen Chloroforms an einem lebenden Wesen, das operiert werden sollte, zu versuchen. Einen Menschen wollte man nicht dazu opfern, aber der König erteilte die Erlaubnis, daß ein großer Bär des zoologischen Gartens, dem, weil er erblindet war, der Star gestochen werden mußte, für das Experiment herhalten durfte. Die Operation gelang. Doch — leider — der Patient wachte nicht mehr auf. Die Berliner ulkten natürlich über dieses Mißgeschick der Ärzte und der König war nicht einer der letzten Lacher. Der Bildhauer Wolf modellierte daraufhin eine kleine Gruppe, die dem König so sehr gefiel, daß er sie im Guß verlangte. Man sieht in einem Sessel den Bär im Schlafrock und Schlafmütze regungslos zusammengekauert. Um ihn herum stehen ratlos die Ärzte, denen der Bildhauer die Physiognomie von Tieren gegeben hatte. Dem König gefiel der Guß so sehr, daß er die Erklärung dazu in einem Vers verlangte. Der Dichter, dem dies am besten gelänge, bekäme zur Belohnung einen weiteren Abguß von der Gruppe. Da studierte auf der Berliner Universität der Sohn des Berliner Professors Karl Heyse, der spätere Dichter Paul Heyse, damals 22 Jahre alt; der schickte folgenden Vers ein:


Der Bär ist jetzt ein toter Mann,
Das Chloroform ist schuld daran,
Ein ärztliches Kollegium
Ging mit dem Vieh zu menschlich um,
Das Füchslein grinst, das Bärlein flennt,
Der Wolf setzt’ ihm dies Monument.

 

Quelle: F. M. Feldhaus, Modernste Kriegswaffen – alte Erfindungen. Leipzig, 1915.