· 

Brief-Schießen

Wäre ich nicht in Neuß auf die Welt gekommen, so hätte ich seine Chronik wohl nie gelesen, und könnte nicht von der sonderbaren Begebenheit erzählen, die sich zutrug, als diese Stadt, die am Niederrhein bei Düsseldorf liegt, im Jahre 1475 von Karl dem Kühnen und dem Bischof von Köln belagert wurde. Die Stadt war eng vom Feinde umschlossen, und so der Besatzung und den Einwohnern jede Verbindung nach außen hin abgeschnitten. Die Kölner Bürger waren mit ihrem Bischof nicht einig, und sie beschlossen denn den Neußern Schießpulver und Lebensmittel zuzuführen. Doch ihre Versuche scheiterten an der Wachsamkeit der Belagerer. So verfielen sie denn auf eine List. Sie schossen am 21. April 1475 drei Kanonenkugeln, in denen Briefe enthalten waren in die Stadt Neuß hinein. Die Neußer, zunächst bestürzt über die Beschießung, schöpften aus der Hülfe, die die Kölner ihnen in ihrer Kugelpost versprachen, neue Hoffnung. Einen ganzen Monat lang ging diese Kugelpost zwischen Neuß und dem Lager der Kölner Bürger über die Köpfe der Belagerer hinweg. Bald schossen die Neußer einen Brief, bald antworteten die Kölner auf gleiche Weise. Das Stadtarchiv in Köln besitzt noch heute die aus Neuß herausgeschossenen Originalbriefe. Die Neußer Chronik berichtet über diese sonderbare Postverbindung in einem Kapitel „wie uyssz (aus) dem coelschen heir (Heer) troestlich brieve binnen Nuyß geschossen wurden“.

Die Erfindung der Kölner besingt der Neußer Chronist:

 

Köln! Dich mag Gott bewahren!
In Dir sind viele wohl erfahren
Und tapfere Mannen eingesessen,
Und Weisheit groß und ungemessen.
Alwo die Kunst man hat erfunden,
Des Briefe-Schießens zu diesen Stunden
Ich will glauben, das dergleich
Nicht mehr gesehen ist auf Erdenreich!

 

Im Jahre 1789 machte jemand der Pariser Regierung den Vorschlag, eine schnelle Verbindung der Armeen der Republik mit Paris auf folgende Weise zustande zu bringen. Es sollten in Schußweite um die Hauptstadt nach allen Richtungen hin besondere Stationen für die Kugelpost erbaut werden. Die von Paris abgeschossenen Kugeln sollten hohl und ihre Hälften durch Scharniere verbunden sein. Die zu befördernde Nachricht hätte in der hohlen Kugel Platz gefunden. Die Geschütze dieser Post wären fest eingemauert, sodaß die Schußrichtung bei gutem Wetter stets gegeben wäre. Die Kugeln würden auf den Stationen in einem besonderen Kugelfang aufgelesen, sogleich wieder in das Geschütz der Station geladen und zur nächsten Station abgeschossen. Auf diese Weise wäre eine schnelle Beförderung von Nachrichten durch ganz Frankreich möglich. Der Erfinder dieser Kanonenpost ging sogar soweit, daß er einen ausführlichen Plan der notwendigen Gebäude zeichnete und diesen seinem Manuskript beilegte. Das Manuskript befindet sich jetzt in Besitz des Grafen von Klinckowstroem in München.

 

Im Jahre 1831 schlug Ingenieur Alexander Gordon der englischen Militärverwaltung vor, lange hohle Geschosse zur Beförderung von Depeschen und Briefen auf drei Meilen Entfernung zu verwenden.

 

Quelle: F. M. Feldhaus, Modernste Kriegswaffen – alte Erfindungen. Leipzig, 1915.