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„Heil Dir im Siegerkranze“

Es ist bekannt, daß unser Lied „Heil Dir im Siegerkranz“ von Balthasar Gerhard Schumacher am 17. Dezember 1793 als „Berliner Volksgesang“ in den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen bekannt gemacht wurde. Schumacher bezeichnete seinen Gesang als eine Umarbeitung des „Liedes für den dänischen Unterthan an seines Königs Geburtstag zu singen in der Melodie des englischen Volksliedes“.

Mit der heute so oft gesungenen Melodie unserer Hymne wurden wir Deutsche — darauf sei hier wohl zum erstenmal hingewiesen — im Februar des Jahres 1793 durch das in jener Zeit angesehene, heute recht selten gewordene „Journal des Luxus und der Moden“ (S. 73) bekannt. Vermutlich lernte auch Schumacher die Melodie aus dieser Quelle kennen.

Daß die Hymne bereits 1796 in Berlin vor dem König gesungen wurde, konnte ich vor einigen Jahren an anderer Stelle nachweisen. In einem Bericht über ein physikalisches Theater, der unter dem 20. Juni 1796 an das Journal des Luxus eingesandt wurde, und dort im Augustheft zum Abdruck kam, fand ich die Nachricht, daß man „Heil Dir im Siegerkranze“ am 24. Juni 1796 in Berlin sang. Es war nämlich ein aus Stuttgart stammender Mechaniker namens Enslen wiederum — wie bereits 1791 — nach Berlin zur Vorstellung gekommen. Er zeigt zunächst drei automatische Figuren, nämlich einen Flöte spielenden Spanier, eine Harmonika spielende Frau und einen Trompeter. Alsdann kam ein Bühnenkunststück mit einem Luftballon, der die Form von einem Reiter zu Pferde hatte. Darnach kam ein turnender Automat an die Reihe. Im zweiten Teil der Enslenschen Vorstellung wurden optische Kunststücke vorgeführt. So erschienen Petrarca und Laura, Heloise und Abelard. Das nächste Bild wird also beschrieben: „Dann zeigt sich in der Ferne ein heller Stern, erweitert sich, und aus ihm entwickelt sich das sehr ähnliche Bild Friedrichs des zweyten, in seiner gewöhnlichen Kleidung und Haltung, also nicht als Geist. Das Bild wird immer größer, kommt immer näher, bis es dicht vor dem Orchester in Lebensgröße zu stehen scheint. Der Eindruck, den diese Erscheinung in dem Parterre und den Logen machte, war auffallend. Das Klatschen und Jauchzen war unaufhörlich. Da Friedrich sich zu seinem Stern zurückzuziehen anfing, riefen Viele: O bleibe bey uns! Er ging in seinen Stern zurück, aber auf das laute Ancorarufen mußte er noch zweimal wiederkommen.“

Alsdann wird berichtet, daß am 24. Juni der König selbst — also Friedrich Wilhelm II. — mit den Prinzen und Prinzessinnen das Enslensche Theater besucht habe. Es wurde diesmal anstatt der Erscheinung Friedrichs II. ein transparentes Bild des Königs vorgestellt. Das Orchester spielte das Lied: „Heil Dir im Siegerkranze“ und das ganze Parterre sang es laut.

Die Vorstellungen von Enslen fanden im Pinettischen Theater in der „Bärenstraße“ statt. Es trug seinen Namen nach einem Künstler, der sich Chevalier Pinetti de Merci nannte und dem der König das ehemalige Döbblinische Haus in der Behrenstraße geschenkt hatte.

 

Quelle: F. M. Feldhaus, Modernste Kriegswaffen – alte Erfindungen. Leipzig, 1915.