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„Uraltes“ aus China

Vergleichen wir einmal die beiden voraufgehenden Bilder. Beide zwei Kettenbagger mit Eimern. Beide Maschinen beim Festungsbau, die Menschen an beiden Baggern in gleicher Zahl und Stellung, und auch die technischen Einzelheiten fast völlig übereinstimmend. Es fällt uns zunächst nur auf, daß auf dem zweiten Bild Chinesen und chinesische Schriftzeichen zu sehen sind.

Nun hat wohl jeder schon einmal von dem „uralten chinesischen Lexikon“ gehört, das, aus vielen hundert Bänden bestehend, eine unausschöpfliche Quelle menschlicher Weisheit sein soll. Man weiß auch, daß chinesische Kaiser und Weisen schon vor Jahrtausenden alle möglichen wichtigen Erfindungen, so etwa den Pflug, das Papier, den Kompaß und ähnliches erfunden haben sollen.

In dem großen chinesischen Wörterbuch, das auch in mehreren Exemplaren in Deutschland vorhanden ist und aus über 1600 Bänden besteht, findet sich die hier abgebildete Baggermaschine und noch eine Menge anderer geistreicher Apparate abgebildet und beschrieben.

Man kann also wohl daraus schließen: die Chinesen sind die Erfinder aller dieser Maschinen. Man hat diesen Schluß auch genügend oft und genügend laut getan. Es gibt ja bei uns immer noch Leute, die alles, was „von fremd her“ kommt, bis über die Puppen loben.

Und die Wahrheit: fast alle Maschinen in dem großen chinesischen Wörterbuch sind aus europäischen Werken abgezeichnet, zum größten Teil sogar falsch nachgezeichnet und — das ist am wichtigsten — das riesige chinesische Wörterbuch ist erst im Jahre 1726 gedruckt!

Nix uralt!

Die Erklärung ist ziemlich einfach. Europäische Missionare brachten unter anderen Wissenschaften auch die Bücher über Maschinenbau mit nach China, dort wurden sie ins chinesische übersetzt, und diese chinesischen Bücher alsdann zur Bearbeitung des großen Wörterbuches mitbenutzt. Fast alle europäischen Schriftsteller über Maschinenbau, die vor dem Jahre 1700 arbeiteten, sind in dem chinesischen Riesenwerk wiederzufinden.

An technischen Einzelheiten verraten die Chinesen übrigens ihre Unkenntnis. So kann man an der Baggerkette leicht verfolgen, daß mehrere Einzelheiten sinnlos verzeichnet sind. Es fehlen z. B. oben und unten die Walzen, über die die Baggerkette geht. Es fehlt insbesondere das Schraubenrad, durch das ein einzelner Mann imstande ist, die schwere Last von acht bis 12 gefüllten Eimern zu heben. Besonders spaßhaft ist es zu sehen, was man aus dem unten links stehenden Manne machte, der die Hacke schwingt, um das Erdreich zu lockern. Er wird in China zu einem Kerl, der mittelst eines Hakens gewaltig an der Baggerkette zieht.

Das eine Beispiel mag hier genügen. Es ließen sich hunderte von andern und ähnlichen Maschinen beibringen. Wären die Maschinen in China uralt, so müßten sie sich auch in älteren chinesischen Werken finden. Das ist aber nicht der Fall; denn in dem großen chinesischen Lexikon vom Jahre 1629 ist keine Spur von ihnen zu finden, obwohl auch dort einige primitive Maschinen beschrieben und abgebildet werden. In jener Zeit waren die europäischen Missionen in China noch nicht bei Hofe seßhaft.

 

Quelle: F. M. Feldhaus, Modernste Kriegswaffen – alte Erfindungen. Leipzig, 1915.