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Zwei Erfinder der Gußstahlgeschütze

Als Napoleon I. zur Besiegung seines Todfeindes England das europäische Festland absperrte, war es nicht mehr möglich, den in England damals in bester Qualität hergestellten Gußstahl, der besonders zu Werkzeugen und Waffen verwendet wurde, zu erlangen. Deshalb beschäftigten sich viele Techniker mit dem Geheimnis der Gußstahlbereitung. Auch Kaufleute versprachen sich von der Herstellung dieses wichtigen Materials große Vorteile. So der Essener Kaffeehändler Friedrich Krupp. Der später berühmt gewordene Sohn von diesem, Alfred Krupp, erklärte später: „Sagen Sie nur, daß mein Etablissement im Jahre 1810 infolge einer Preisaufgabe Napoleons I. gegründet wurde, welcher den Fabrikanten von Gußstahl gleich dem englischen 1 Million Franks verhieß.“ Da Essen damals zu Frankreich gehörte, hatte Krupp Hoffnungen, die von der französischen Regierung ausgesetzten Preise auf die Herstellung von Gußstahl und Stahldraht zu erringen. Als der Erfolg aber erzielt war, war die Franzosenherrschaft in Essen längst zu Ende.

Alfred Krupp, der spätere Kanonenkönig, versuchte seit dem Jahre 1844, Geschützrohre aus Gußstahl herzustellen. Da es nicht möglich war, schwerere Blöcke als 300 Pfund zu gießen, machte die Verwendung zu Geschützen Schwierigkeiten. Krupp mußte sich deshalb damit begnügen, nur die Seele des Geschützes aus Gußstahl zu machen, während die Ummantelung, der Boden und die Zapfen des Geschützes aus Gußeisen bestanden.

Es ist nun auffallend, daß sich neben Krupp zu gleicher Zeit in der Nachbarschaft eine andere Fabrik mit der Erfindung der Gußstahlgeschütze beschäftigte. Es war die Firma Mayer & Kühne, jetzt als Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation bekannt. Zu Ende des Winters 1846 wandten Mayer & Kühne sich nach Berlin, um dort ein Patent auf ihre Gußstahlgeschütze zu erhalten. Auch sie wollten, vielmehr konnten, nur ein Kernrohr aus Gußstahl in eine gußeiserne Ummantelung eingießen. Da sie ihr Patentgesuch nicht auf die Konstruktion, sondern lediglich auf das Material gestützt hatten, wurde ihnen das Patent in Berlin versagt.

Alfred Krupp reichte sein Patentgesuch in Berlin im Jahre 1847 ein. Die noch erhaltene Originalzeichnung zu seinem Gußstahlgeschütz trägt das Datum vom 31. Juli 1847. Krupp legte in seinem Patentgesuch den Hauptwert auf die Verbindung des Kernrohres aus Gußstahl mit dem Mantel aus Gußeisen. Und so wurde ihm denn das Gußstahlgeschütz am 27. September 1849 für Preußen patentiert.

 

Quelle: F. M. Feldhaus, Modernste Kriegswaffen – alte Erfindungen. Leipzig, 1915.