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Die „Maus“ (Fortbewegungsgerät)

Minierende Maus, Malerei um 1450.
Minierende Maus, Malerei um 1450.

Wer heute eine Maschine konstruieren will, muß die vielen Einzelteile genau kennen, deren man sich zur Erreichung eines gewissen Zweckes zu bedienen vermag. Da gibt es Nieten, Schrauben, Keilarten, Hebel, Lager, Gestänge und eine Unzahl von eigentümlichen Bewegungsmechanismen.

Es ist höchst erstaunlich, daß manche dieser Einzelheiten in gewissen Zeitabständen wieder als Neuheiten aufgetaucht sind. Die Kurbel ist doch wahrlich eine Erfindung, die ein Alter von Jahrtausenden hat und doch wurde sie zur Dampfmaschine im Jahre 1780 neu erfunden und sogar patentiert. Infolgedessen konnte der berühmte James Watt sie damals zu seiner Dampfmaschine nicht verwenden!

Ich freue mich nun immer, wenn es mir gelingt, bei den pfiffigen Ingenieuren des Mittelalters Maschinenteile zu finden, die erst nach Jahrhunderten in der Technik öffentlich vorkommen. Das schönste Beispiel für das Alter mancher Maschinenteile ist die hier abgebildete „Maus“. Diese Maschine soll gleich einer Maus ein Loch unter der Stadtmauer hindurchgraben. Ich stelle mir den wohl mit Eisenplatten beschlagenen Kasten recht groß vor. Der Erfinder dachte sich wohl diese Maschine in einen Minengang zu bringen und ihn dort vorwärts zu schieben. Wenn die hinten sichtbare Kurbel gedreht wird, setzt sich eine in dem Kasten liegende Förderschnecke in Bewegung, um das Erdreich nach hinten zu schaffen, das von den Messern gelöst wird, die an den Achsen der Laufräder sitzen.

Ich halte die Ingenieure des Mittelalters nicht für so blöd, daß sie diese Maschine genau so gebaut haben, wie die Zeichnung es angibt. In allen ihren Handschriften versuchen sie ihre Geheimnisse zu bewahren. Nur der Mann vom Fach sollte ihre Aufschriften verstehen. So wohl auch hier. Hier soll es doch nur darauf ankommen, zu zeigen, wie man beim Untergraben der Mauer die Erde mit Hülfe einer Förderschnecke rückwärts schaffen kann, und wie man mit walzenförmig gestellten Messern die Erde wegzuschneiden vermag. Die Ausführung müßte eine wesentlich andere sein. Dieser anscheinend närrische Gedanke birgt die Konstruktion der ums Jahr 1800 aufgekommenen, heute als Transportvorrichtung überaus wichtigen „Schnecke“ und ebenso die Idee des rotierenden Spiralmessers, das erst seit dem Jahre 1812 an Tuchschermaschinen aufkam.

Quelle: F. M. Feldhaus, Modernste Kriegswaffen – alte Erfindungen. Leipzig, 1915.