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Knalldämpfer an Gewehren

Johann Joachim Becher, der Sohn eines Pfarrers aus Speyer, ein im 17. Jahrhundert vielgelesener Schriftsteller, kam später in Verruf, weil die Eigenart und die Menge der von ihm geäußerten Ideen so garnicht in den ruhigen Gedankengang des bezopften Gelehrtentums des 18. Jahrhunderts passen wollte. Erst den neueren Bestrebungen zur Erforschung der Geschichte der Naturwissenschaften, besonders der Geschichte der Chemie, ist es zu danken, daß man sich die Werke von Becher näher ansah. Wir lernten in ihm einen zwar unruhigen aber äußerst vielseitigen und fruchtbaren Geist kennen. So berichtet er z. B. schon von der Brauchbarkeit des Gases zur Beleuchtung, von der Nutzbarkeit des Torfes, von der Spritfabrikation aus Kartoffeln und von vielen andern erst weit später verwirklichten Ideen.

In Bechers Buch „Närrische Weißheit Und Weise Narrheit Oder Hundert / so Politische alß Physicalische / Mechanische und Mercantilische Concepten und Propositionen / Deren etliche gut gethan / etliche zu nichte worden / Samt den Ursachen / Umbständen und Beschreibungen derselben“ (Frankfurt 1682) wird unter anderen Ideen auch von einem Knalldämpfer für Gewehre berichtet. Es heißt nämlich im ersten Teile des Buches — wo diejenigen Erfindungen aufgeführt werden, „welche dem euserlichen Ansehen nach närrisch, irraisonnable und ohnmöglich geschienen, dennoch in praxi wohl succedirt, und mit Nutzen reussiret“ — und zwar im 21. Kapitel: „Dousons Kunst-Rohr, welches da schießet mit gemeinem Pulver und Bley, als ein ander Rohr, und doch keinen Knall tut, und besteht die Kunst allein in Bereitung des Rohrs.

Diese Invention schickt sich zu den vorigen zweyen (diese beiden Erfindungen behandeln das Süßwasserbereiten aus Meerwasser auf kaltem Wege), denn ob sie wohl mechanisch ist, so thut sie doch einen wunderlichen Physikalischen Effect: Man hat zwar vor diesem viel vom stillen Pulver gesagt, es ist aber gedachtes Pulver still geblieben, und nie vor den Tag kommen, so viel mir allzeit wissend, und so fleißig ich nach demselben gefraget. Dieses Dousons Rohr aber hat gantz eine andere Bewandtniß, denn er nimmt gemein Pulver und gemein Bley in der ordinari-Ladung und thut weiter nichts darzu, schießet so stark als ordinari, und wird doch kein Knall gehöret, und bestehet die Kunst allein in dem Rohr, dessen Structur den Knall supprimirt. Ich habe zwar selbst den Effect dieses Rohres nicht gesehen, aber Se. Hoheit, der Prinz Ruprecht haben mir etliche mahl gesagt, daß sie dergleichen Rohr haben, und die Probe darmit gethan, wie es mir dann auch Douson selbsten bekräfftiget.“

Becher lebte in den letzten Jahren seines Lebens in England. Auch Ruprecht von der Pfalz hielt sich von 1673 bis zu seinem Tode in Windsor auf. Ruprechts physikalische und mathematische Sammlungen sind zum Teil heute noch in England erhalten. Es wäre also nicht unmöglich, daß ein in seinem Besitz gewesenes Rohr, „dessen Structur den Knall supprimirt“, sich noch jetzt in England vorfände.

Der von Becher genannte „Douson“ hieß richtig d’Esson. Er war 1604 zu Reims geboren und machte sich als Kupferstecher und Mechaniker einen Namen. Er wird bei allerlei Erfindungen damaliger Zeit genannt, doch ist sein Name meist verstümmelt, z. B. als: du Son, Tousson, Deson, Lisson, d’Egmond, d’Aigmond usw.

Quelle: F. M. Feldhaus, Modernste Kriegswaffen – alte Erfindungen. Leipzig, 1915.