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Die Kartaune

Kartaune
Kartaune

1. Begriff, Entstehung und technische Merkmale

Die Kartaune (auch „Kartouwe“ im Niederländischen, „Kartow“ im Schwedischen) war ein größeres Belagerungsgeschütz des 16. und 17. Jahrhunderts, vor allem im Mitteleuropa des Heiligen Römischen Reichs sowie in Skandinavien verwendet. Military Wiki
Der Begriff geht vermutlich auf das italienische quartana (Viertelbüchse) zurück – was darauf hinweist, daß es sich anfangs um ein Geschütz handelte, das etwa ein Viertel der Masse einer Hauptbüchse hatte. Wikipedia

Technische Merkmale im Überblick

  • Kaliber und Geschossgewicht: Laut einem Lexikon etwa für eine „ganze Kartaune“ rund 100 Pfund Eisen (in älteren Quellen) bzw. später z. B. Eisenkugeln von 12–25 kg. grammatisch.de-academic.com

  • Beispiele einer Systematisierung: In einem handschriftlichen Zeugbuch von etwa 1502 wurden Belagerungsgeschütze nach Eisenkugel­gewicht eingeteilt: Hauptbüchsen (40–50 kg Kugel), Scharfmetzen (25–35 kg), Kartaunen (12–25 kg), Basilisken (8–12 kg). Wikipedia

  • Gewicht und Mobilität: Eine typische Kartaune in Wandlafette wiegt nach Quellen etwa 1,5–2 Tonnen und benötigt rund 12 Pferde zur Bespannung. Wikipedia

  • Rohrlänge/Konstruktion: Manche Texte nennen eine Rohrlänge von etwa 17 Kaliberlängen bei Kartaunen; außerdem existieren Varianten wie „Doppelkartaune“, „Halbkartaune“. Wikipedia

Charakteristische Unterschiede zu „normalen“ Feldgeschützen oder Kanonen

  • Die Kartaune war primär als Belagerungsgeschütz und nicht als leicht bewegliches Feldgeschütz konstruiert — sie hatte ein relativ großes Kaliber + hohes Gewicht und war daher schwer zu transportieren.

  • Im Vergleich zu sehr langen Rohrgeschützen (z. B. Rankrohre oder Kulverinen) war die Kartaune kürzer und etwas gedrungener gebaut – ältere Wörterbücher nennen etwa: „Eine Kartaune ist kürzer, als eine Kanone.“ grammatisch.de-academic.com

  • Während frühe Kanonen oft auf Steinmunition oder großen Stein­kugeln basierten, verschoss die Kartaune zunehmend Eisenkugeln und war Teil der Rationalisierung und Standardisierung der Artillerie im 16. Jahrhundert. Academic dictionaries and encyclopedias

  • Ihre Rolle war besonders auf Belagerungen und zum Durchbrechen von Festungswerken ausgelegt – weniger auf schnelles Gefecht oder Mobileinsatz.

2. Bedeutende Einsätze in Schlachten bzw. Belagerungen

Obwohl für viele einzelne Gefechte keine exakten Einsatzlisten überliefert sind, lassen sich einige Ereignisse nennen, bei denen die Kartaune oder verwandte Kartouwe-Geschütze definitiv eingesetzt wurden:

  • Belagerung von Narva (1581) (im Rahmen des Livländischen Kriegs)
    In diesem Fall setzten die schwedischen Belagerer „24 doppelte und halbe Kartouwen“ ein, um die 5,5 m starken Stadtmauern von Narva innerhalb von zwei Tagen zu zerstören. Wikipedia

  • Schlacht bei Turnhout (1597) (Achtzigjähriger Krieg)
    In dieser Schlacht wird im Bericht der Einsatz von zwei Kartaunen zusammen mit zwei leichten Geschützen auf Seiten der holländischen Streitkräfte erwähnt. Wikipedia

  • Allgemein im Dreißigjähriger Krieg (1618-1648)
    Quellen führen die Kartaune als charakteristisches Belagerungsgeschütz dieser Zeit auf, z. B. gleichzeitig mit Reformen der Artillerie. Military Wiki

  • Museales Zeugnis
    In der Ausstellung der Festung Königstein wird eine „24-pfündige Halbe Kartaune“ gezeigt, die ehemals zur Bewaffnung der Festung gehörte. festung-koenigstein.de

3. Warum war die Kartaune besonders bzw. worin lag ihre Bedeutung?

Die Kartaune nimmt eine interessante Zwischenstellung ein: Sie war nicht mehr die riesige Steinbüchse der frühen Mittelartillerie, aber auch noch kein leichtes Feldgeschütz. Ihre Bedeutung liegt in mehreren Punkten:

  • Standardisierung und Vereinheitlichung der Belagerungsartillerie
    Im 15. und 16. Jahrhundert gab es eine große Vielfalt von Kalibern und Geschossgewichten – u. a. führte das zu Munitionsproblemen. So strebte etwa Maximilian I. eine Vereinheitlichung auf Basis des Kugelgewichtes an, woraus u. a. die Kartaunen-Kategorie entstand. Wikipedia

  • Effizienz im Belagerungsbetrieb
    Mit ihrem relativ großen Kaliber konnten Kartaunen Festungswerke effektiv angreifen – z. B. in Narva. Die Kombination aus Masse, Eisenkugel und Pulverladung bedeutete eine ernsthafte Bedrohung für Mauern und Bollwerke.

  • Mobilität vs. Feuerkraft
    Obwohl schwer, waren Kartaunen gegenüber noch schwereren Geschützen (z. B. großen Bombarden) vergleichsweise beweglicher – dennoch blieben sie logistisch anspruchsvoll. Durch ihre Verwendung konnte eine Armee ihre Belagerungskapazität verbessern.

  • Symbol- und psychologische Wirkung
    Quellen des 17. Jahrhunderts erwähnen die „donnernde Kartaune“ („donnernde Karthaun’“) in Gedichten – sie wurde zum Symbol für gewaltige Feuerkraft und Majestät der Artillerie. Wikipedia

4. Grenzen und Schwächen

Auch wenn die Kartaune leistungsfähig war, hatte sie klare Grenzen:

  • Langsamer Feuerwechsel / geringer Kampfdauer-Einsatz
    Bei solch schweren Geschützen war das Nachladen aufwendig – in manchen Berichten werden nur wenige Schuss pro Stunde angegeben. Wikipedia

  • Logistische Belastung
    Die Zugkräfte (mehrere Pferde oder sogar Ochsen), die Transport­wagen, die Lafetten und die Vorräte an Pulver/Kugeln machten den Einsatz nur mit bedeutendem Aufwand möglich.

  • Nicht für bewegliche Feldschlachten ideal
    Aufgrund des Gewichts und der Aufbauzeit eigneten sich Kartaunen weniger für schnelle Feldgefechte – ihre Stärke lag in der Belagerung oder in statischer Stellung.

  • Technologische Weiterentwicklung
    Mit dem Fortschritt der Artillerietechnik (z. B. Hinterlader, längere Reichweite, leichtere Geschütze) verlor die Kartaune zunehmend ihre Führungsrolle.


Was ist der Unterschied zwischen einer Bombarde und einer Kartaune?

1. Historischer Hintergrund

 

Waffe Zeitliche Hauptnutzung Typische Aufgabe
Bombarde ca. 1350 – 1500 Frühform schwerer Belagerungsgeschütze, meist für Steinkugeln
Kartaune ca. 1500 – 1650 Weiterentwickeltes, standardisiertes Eisen- oder Bronzekaliber, für Eisenkugeln

 

Die Bombarde gehört also zu den ältesten Kanonen überhaupt, während die Kartaune eine spätere, technisch verfeinerte Weiterentwicklung ist.

 


 

2. Munition und Kaliber

 

Merkmal Bombarde Kartaune
Munition Meist große Steinkugeln (oft 50–200 kg) Eisenkugeln, typischerweise 12–25 kg
Pulverladung Relativ gering im Verhältnis zum Gewicht – wegen Sprenggefahr Höher, dank besserer Metallverarbeitung möglich
Wirkung Hohe Masse, aber geringe Durchschlagskraft (zertrümmerte Mauern durch Wucht) Kleinere Kugeln, aber viel höhere Geschwindigkeit und Durchschlagskraft

 

Ergebnis:
Bombarden „schlugen Mauern kaputt“;
Kartaunen „durchschlugen Mauern“ – also gezielter und effizienter.

 


 

3. Aufbau und äußere Form

 

Bombarde (14.–15. Jh.)

 

  • Meist aus geschmiedeten Eisenstäben zusammengesetzt, die mit eisernen Reifen zusammengehalten wurden (ähnlich einem Fass).

  • Kurzes, dickwandiges Rohr – Länge meist nur 3–5 Kaliber.

  • Oft kein richtiges Lafettengestell: Sie lag auf Holzblöcken oder einfachen Gestellen.

  • Pulverkammer und Rohr waren häufig getrennte Bauteile, die zusammengesteckt wurden.

  • Sehr unbeweglich; konnte kaum gezielt gedreht oder gehoben werden.

 

📸 Beispiel: „Dulle Griet“ (Gent) oder „Faule Grete“ (Magdeburg) – riesige schmiedeeiserne Rohre.

 


 

Kartaune (16.–17. Jh.)

 

  • In der Regel aus Bronze oder Gusseisen gegossen, einteiliges Rohr.

  • Längeres Rohr (12–17 Kaliber) mit klarer Pulverkammer und Mündung.

  • Montiert auf einer richtigen Lafette mit Achse, Rädern und Höhenrichtspindel.

  • Transport über Pferdegespanne möglich.

  • Deutlich bessere Zielsicherheit und größere Reichweite.

 

📸 Beispiel: 24-Pfünder Halbe Kartaune auf der Festung Königstein – länglich, elegant, mit Zierverstärkungen und Trunnions (Zapfen zum Lagern auf der Lafette).

 


 

4. Technischer Vergleich

 

Merkmal Bombarde Kartaune
Material Schmiedeeisen (Röhrenbauweise) Bronze oder Gusseisen (gegossen)
Bauweise Kurz, dick, plump Lang, proportioniert
Kalibergröße Sehr groß (bis 800 mm) Kleiner (ca. 120–200 mm)
Lafette Keine / primitive Holzunterlage Volle Lafette mit Rädern
Munition Steinkugeln Eisenkugeln
Zielgenauigkeit Gering Deutlich höher
Transport Sehr schwierig Relativ mobil (für Belagerung)
Verwendung Frühmittelalterliche Belagerungen Renaissance- und Frühneuzeitkriege

 


 

5. Sichtbare Unterschiede (für Sammler oder Museumsbesucher)

 

Wenn du vor beiden Geschützen stehst, kannst du sie so unterscheiden:

 

Beobachtung Deutung
Riesiges, gedrungenes Rohr ohne Lafette Bombarde
Langes, gegossenes Rohr mit Zierverstärkungen und Zapfen Kartaune
Steinkugeln daneben ausgestellt Bombarde
Eisenkugeln (kleiner, schwerer) Kartaune
Einfacher Holzblock als Unterlage Bombarde
Räderlafette mit Zielmechanismus

Kartaune

 


 

6. Entwicklungslinie

 

Die Kartaune entstand als technische Antwort auf die Nachteile der Bombarde:

 

  • Man brauchte schnellere, präzisere Geschütze.

  • Metallguss war nun so weit fortgeschritten, dass man längere, dünnere Rohre sicher herstellen konnte.

  • Eisenkugeln waren leichter zu standardisieren als handgemeißelte Steinkugeln.

 

Somit steht die Kartaune am Übergang vom mittelalterlichen „Donnerrohr“ zur modernen Kanone.

 

 


 

7. Fazit

 

Kurz gesagt Bombarde Kartaune
Epoche Gotik / Frührenaissance Renaissance / Frühneuzeit
Typ Frühgeschütz (Prototyp) Standardisiertes Belagerungsgeschütz
Erkennbar an Kurzem, dickem Rohr ohne Räder Langes, gegossenes Rohr mit Lafette
Symbol für Geburtsstunde der Artillerie Reife Form des Geschützbaus

 


Weitere Bilder zu einer Kartaune findet ihr im Blogartikel über die Festung Königstein.

 

Bildquelle: Souvenir album of the Tower of London, 1910.