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Bogen, Pfeile und Armbrust

Funde.

Da der Bogen, wie die Lanzenschäfte, Axtstiele und Ähnliches, aus sehr vergänglichem Material gebildet war, sind aus der früheren Merowingerzeit keine solchen gefunden worden, obwohl Pfeilspitzen in den Gräbern oft vorkommen.

 

Die einzigen uns erhaltenen Bogen sind die aus den alemannischen Totenbäumen am Lupfen bei Oberflacht, acht zum Teil sehr gut konservierte Stücke aus dem 8. Jahrhundert. — „Die Bogen sind aus Eibenholz gefertigt und haben die Länge von 7 Fuß, ein einziger nur misst 6 Fuß. Der Stab ist leicht gekrümmt und wurde beim Aufsetzen der Sehne nach der entgegengesetzten Seite zurückgebogen, um die Spannung und Triebkraft zu verstärken. In der Mitte, wo er beim Gebrauch angefasst wurde, ist er stärker, an den beiden schlanker zulaufenden Enden finden sich Einkerbungen zur Befestigung der Sehne, von welcher auch hier keine Spur mehr vorhanden war.“ (Lindenschmit, Handbuch, S. 151.) Bei jedem Bogen lagen ca. drei Pfeile von etwa 60 cm Länge ohne Spitzen.

 

Auch in den Schleswiger Moorfunden aus dem 3. Jahrhundert treffen wir auf mehr oder weniger gut erhaltene Bogen, welche aber für uns als zu frühzeitig nicht mehr in Betracht kommen.

 

Pfeilspitzen sind in größerer Anzahl übrig geblieben, von den antiken Pfeilen weichen sie nicht ab. Die alten Formen haben sich hier bis tief ins Mittelalter hinein erhalten, ohne etwas dieser Zeit Eigenes hervorzubringen, wie bei den meisten anderen Waffen. Zwei Hauptarten lassen sich unterscheiden: solche, die mit einer Tülle wie die Lanzen versehen sind, und solche mit einer Angel, zum Einstecken in den Schaft. Diese letztere Gattung ist in unserer Periode selten.

 

Die Pfeilklingen mit Tülle weisen ähnlich den Lanzen die verschiedensten Formen auf: vierkantige, bolzenförmige; blattförmige, teils flach, teils mit Rippe; rautenförmige; Klingen mit Widerhaken, von denen die eine Zunge oft kürzer als die andere ist; manchmal ist der Schaft oberhalb der Tülle gewunden. Die Klingenlänge bei den am häufigsten vorkommenden blattförmigen und Widerhakenpfeilen beträgt für erstere durchschnittlich 9 cm, für die letzteren ca. 10 cm.

 

Diese Pfeilspitzen finden sich nicht nur in den Gräbern der gewöhnlichen Krieger, sondern auch in denen der Vornehmen der Merowingerzeit.

 

Für die karolingische und spätere Periode sind wir auf Einzelfunde angewiesen. Die Pfeilformen bleiben immer die gleichen.

 

Miniaturen.

In den Miniaturen braucht man den Bogen häufig als Kriegswaffe sowohl zur Karolinger- wie in späterer Zeit. Diese Bogen weisen eine große Ähnlichkeit mit den bei Oberflacht gefundenen Stücken aus dem 8. Jahrhundert auf. Die Bogenform ist eben gegeben und kann nicht stark verändert werden.

 

Obwohl die Künstler in den Buchmalereien den Bogen und die Pfeile oft nur flüchtig darstellen, gelingt es uns doch, ein Bild von ihrer Gestalt zu erhalten. Betrachten wir daher die Form des Bogens in den Miniaturen. In vorkarolingischer Zeit treffen wir ihn selten.

 

Der Ashburnham-Pentateuch stellt Bogen dar, die von der Mitte aus beidseitig stark nach außen gebogen sind und sich gegen die Enden zu verjüngen. In der Bibel Karls des Kahlen (Bastard, Taf. XV) erblicken wir einen Reiter mit einem flach gekrümmten Bogen, der eine sehr starke Sehne aufweist. Auf dem Deckel der gleichen Bibel trägt ein Krieger drei gefiederte Widerhakenpfeile ohne Bogen in der Hand.

 

Einen ähnlichen Bogen erkennen wir im Psalterium aureum (Rahn XV, 1); dieser, den ein Reiter mit Panzer und Helm führt, ist leicht geschweift, die Enden nach außen gebogen. Die Waffe ist zum Schuss bereit, die Sehne wird in Brusthöhe bis an die Brust zurückgezogen.

 

Im Utrechter Psalter findet man eine andere Bogenart. Von der Mitte an sehr stark beidseitig nach außen gebogen, verjüngen sich diese Bogen nach den Enden zu, welche sich nach außen wieder umbiegen. Diese Gestaltung scheint eine sehr starke Schnellkraft zu bedingen. Der Schütze zog die Sehne bis zum rechten Ohr zurück, indem er in der Linken, die völlig ausgestreckt war, den Bogen hielt.

 

Die Pfeile sind mit Widerhaken versehen, teilweise mit Knopf oder horizontalem Aufhalter hinter der Klinge. Sie haben eine beträchtliche Länge. Der Bogen selbst mag ca. 1½ m lang sein.

 

Der Köcher mit Deckel ist zylinderartig, nach unten abgerundet dargestellt. Jeder Bogner hält zwei bis drei Pfeile in der Hand. Sowohl zu Fuß wie zu Pferd wird geschossen.

 

In dem mit dem Utrechter Psalter verwandten Eadwine-Psalter (Westwood, Palaeographia sacra picta, Taf. 43) erkennen wir die gleichen Bogen- und Pfeilformen und die gleiche Art des Spannens und des Schusses, nur kommen Pfeile mit einfachen Widerhaken vor.

 

Diese Bogenform scheint im 9.–10. Jahrhundert allgemein gewesen zu sein, ebenso der Widerhakenpfeil, der mit den Funden identisch ist. Bei einem Psalter im British Museum sind die Widerhakenpfeile länger und die Befiederung des Schaftes deutlich erkennbar; die Sehne wird allerdings hier bis zur Brust zurückgezogen (Cahier, Mélanges d’archéologie, Bd. I, Taf. XLV).

 

Einen Bogner, der eben den Schuss abgegeben hat, sehen wir im Psalterium von Stuttgart (Hemer, Alte Tracht, Taf. 51); die Hand, die den Pfeil losgelassen hat, ist bis hinter das rechte Ohr zurückgezogen. Beim Bogen lässt sich die Befestigung der Sehne, welche an einem Ende festgemacht und am anderen Ende geknüpft ist, erkennen.

 

Während die Bogner im Utrechter Psalter und den nachher angeführten Illustrationen nicht gerüstet waren, trägt der Schütze dieser Handschrift Helm und Brünne. Ähnliche Formen weist ein Bogen in dem späteren Hortus deliciarum der Herrad von Landsberg auf.

 

Auch in den Elfenbeinschnitzereien jener Zeit treffen wir den Bogen (Stephani, Wohnbau, S. 187) nebst Widerhakenpfeilen.

 

In der Ottonenzeit und späterhin noch blieb die Art des Bogens gleich (Apokalypse Bamberg: Leitschuh, Kgl. Bibliothek Bamberg, Taf. VII; Woltmann, Geschichte der Malerei, S. 245, Codex des Lucan), nur scheint sich die Art des Spannens geändert zu haben: Die Sehne wird bis an die Brust zurückgezogen; der Widerhakenpfeil erhält sich.

 

In der folgenden Zeit werden die Darstellungen dieser Waffe sehr selten.

 

Erst im Teppich von Bayeux sehen wir den Bogen in seiner Anwendung genauer und können auch die Schriftquellen später sehr gut zum Vergleich oder zur Ergänzung heranziehen.

 

Der Bogen erscheint dort als Hauptwaffe des normannischen Fußvolks in der Schlacht von Hastings; auf angelsächsischer Seite kommt nur einmal ein ungerüsteter Bogner zu Fuß vor. Reitende Bogner tragen keine Rüstung, ebenso die Schützen zu Fuß.

 

Dieser Bogen hat eine Länge von etwa 1,50 m und ist von der Mitte entweder leicht ausschweifend und sich gegen die Enden, die nach außen gebogen sind, leicht verjüngend; oder einfach gebogen und überall gleich dick. Beide Arten sind auf dem Teppich dargestellt.

 

Die Spannart ist gegenüber der Karolingerzeit einheitlich: Die Sehne wird durchweg bis an die Brust zurückgezogen. Die Pfeile sind befiedert und tragen meist eine Widerhakenspitze; nicht immer kann man die Art der Spitze genau erkennen.

 

Der Köcher wird auf der rechten Seite getragen oder steht neben dem Schützen; im letzteren Fall ist er bedeutend größer als der angehängte Köcher von zylindrischer Form und rundem Boden und hat eine papierkorbähnliche Gestalt, mit Reifen oder Bändern umschlossen.

 

Deutlich sehen wir die Erfolge dieser Bogner dargestellt. Die Schilde der Angelsachsen sind mit Pfeilen gespickt, bis fünf Pfeile, und mancher Pfeil steckt in Körper und Rüstung, während auf normannischer Seite nichts derart geschildert ist. Diese Stickerei gibt uns den Beweis, dass im 11. Jahrhundert der Bogen Geltung als Kriegswaffe erlangt hat. Wir werden bei der Darstellung der Schriftquellen noch darauf zurückkommen müssen.

 

Neben dem Pfeilbogen ist noch die Armbrust zu erwähnen. Auf den Buchmalereien der früheren Karolingerzeit fehlt sie vollständig. Erst Ende des 10. Jahrhunderts, in der Bibel von St. Germain (Boeheim, Waffenkunde, S. 481), ist eine solche abgebildet. Auch in einer Handschrift Ludwigs IV. von 937 ist eine Armbrust zu finden.

 

Das war zu jener Zeit eine noch recht ungefüge Waffe, die, was Schusszahl und Treffsicherheit anbelangt, jedenfalls unter dem Langbogen stand. Die Normannen auf dem Teppich von Bayeux führen sie nirgends.

 

Im ersten Kreuzzug ist ihr Gebrauch dann durch die Schriftquellen belegt, und von da an hat die Armbrust bessere Ausbildung und immer mehr Anhänger erhalten und sich mit der Zeit zu einer ganz brauchbaren Kriegswaffe ausgewachsen, die hauptsächlich im Festungskrieg vermittelst der großen Durchschlagskraft ihrer Geschosse vorzügliche Dienste leistete.

 

Schriftquellen

Bogen und Pfeil werden von den Schriftquellen bis in die frühgermanische Zeit hinab erwähnt, ihre Form jedoch, da sie jedermann bekannt war, nicht näher.

 

Der Bogen konnte zur Jagd und als Kriegswaffe verwendet werden. Da Lindenschmit (Handbuch der deutschen Altertumskunde, S. 155 ff.) die literarischen Nachweise für Bogen und Pfeil von der Frühzeit bis zur Karolingerzeit erschöpfend behandelt hat, brauchen wir an dieser Stelle auf die vorkarolingische Periode nicht mehr einzugehen und können uns auf unsere Zeit beschränken.

 

In den schriftlichen Aufzeichnungen wird arcus ca. 50-mal gebraucht, sagitta (ahd. Gl. 168,3 sträla; pila = phil 518,22) ca. 120-mal; pharetra oder cucurra ca. 25-mal.

 

Bogen und Pfeil werden in der Völkerwanderungs- und Merowingerzeit von Vornehmen wie Niederen geführt; die Grabfunde stimmen hier völlig mit den Nachrichten der Autoren überein.

 

Der gewöhnliche Bogen konnte seiner Billigkeit wegen von jedermann angeschafft werden. Aber erst Karl der Große suchte den Bogen zur allgemeinen Kriegswaffe zu stempeln.

 

In dem Aufgebotsbrief an Abt Fulrad, leider dem einzigen, der uns erhalten ist, schreibt er vor, dass uniusquisque caballarius habeat scutum et lanceam, spatam et semispatam, arcum et pharetras cum sagittis; ferner im Capitulare Aquisgranense a. 813 c. 9: et ipse comes praevidet, quomodo sunt parati id est lanceam, scutum et arcum cum duas cordas, sagittas duodecim, welche Zahl sehr bescheiden ist im Kriegsfall; ebenda c. 17: quod nullus in hostem baculum habeat, sed arcum.

 

Auch im Capitulare de villis c. 64: scutum et lanceam, cucurrum et arcum habeant.

 

Karl wird zu diesen Vorschriften betreffend die Führung von Bogen und Pfeil durch die Byzantiner angeregt worden sein. Der Bogen bildete zu jener Zeit die Hauptwaffe der byzantinischen, sogar der schwer gerüsteten Reiterei, wie überhaupt die Orientalen den Bogen bevorzugten.

 

Wir erfahren aber in den Schriftquellen aus der Zeit Karls des Großen nirgends von Massenauftreten von Bognern oder etwas von Erfolgen, die diese Waffe errungen hat. Es ist daher wahrscheinlich nicht der Fall gewesen, dass Bogen- und Pfeilgebrauch durch diese Verordnungen wirklich im Allgemeinen eingeführt wurden. Bogenschützen zu Pferde gar werden wohl ganz selten vorgekommen sein. Die Quellen schweigen – und auch die Miniaturen.

 

Wenn in der Tapete von Bayeux der berittene Bogner Ausnahme ist, zu Fuß hingegen als Korps erscheint, so wird das zu Karls des Großen Zeit noch viel eher der Fall gewesen sein. Zum Bogenschießen, hauptsächlich zu Pferd, gehört sorgfältige und andauernde Übung von Jugend an. Wenn die Truppen des Karolingerreichs und der Folgezeit wirklich im Bogenschießen hätten etwas leisten können, würden sie vor den Madjaren, deren Hauptwaffe der Bogen war, nicht solche Angst und Schrecken gehabt haben.

 

Die Kampfesweise mit dem Bogen scheint etwas ganz Ungewöhnliches für jene Zeit gewesen zu sein. Man vergleiche: Reginonis Chron. a. 889: multa milia sagittis interimunt (die Ungarn), quas tanta arte ex corneis arcubus dirigunt, ut earum ictus vix praecavere possit — (über den hier angeführten Hornbogen, von dem uns aus jener Zeit keine Funde noch nähere Beschreibungen erhalten sind, handelt Jähns, Trutzwaffen, S. 287 ff.). Ermoldus Nigellus in Honor. Hludowici pii carm. I, 364 erwähnt den Hornbogen ebenfalls: Cornea plectra tenens, et trahit atque plicat.

 

Sicher ist, zur Zeit Karls des Großen ist der Pfeilbogen vereinzelt als Waffe aufgetreten, das bezeugen die Quellen. In den Volksrechtsbestimmungen tritt der Pfeilschuss häufig auf.

 

Diese Vorschriften des Kaisers sind vielleicht von der Kanzlei in Anlehnung an ältere Bestimmungen erlassen worden, wo Köcher, Bogen und Pfeil als zur Ausrüstung eines Kriegers gehörig betrachtet werden, obwohl auch hier die Schriftquellen den Gebrauch nur vereinzelt kennen. Vgl. Aistulfi leges II; Leges Langobardorum: debeant habere scutum et cocura — habere scutum, habeant coccora cum sagittis et arcum — ferner l. III habeant coccora cum sagittis et arcum.

 

Als Jagdwaffe diente der Bogen jedenfalls häufiger. Dass ein guter Bogenschütze nicht etwas Gewöhnliches war, zeigt das Lob, das Thegan Ludwig dem Frommen angedeihen lässt (Vita Hludowici pii imp. c. 19): Erat ... ita ut nullus ei in arcu vel lancea sagittando aequiperare poterat ...

 

Baltzer, Zur Geschichte des deutschen Kriegswesens, S. 184, behauptet, als Kriegswaffe werde der Bogen vor dem 12. Jahrhundert in Deutschland überhaupt nicht genannt. Sein Vorkommen ergibt sich jedoch zur Evidenz durch einfaches Lesen der Schriftquellen der Zeit.

 

Seit dem 4. Jahrhundert kommt der Bogen als Kriegswaffe bei den Germanen vor, bald von Einzelnen, selten von mehreren geführt.

 

Eigentliche Pfeilschützenabteilungen als taktische Einheit, wie sie schon Karl der Große einführen wollte, begegnen wir erst am Ende des 9. Jahrhunderts und im 10. — Ermoldus Nigellus in Honor. Hludow. pii carm. III, 263 berichtet von einer Saxonica cohors patulis praecinctus pharetris. Regino, Chron. a. 891, setzt auch bei den Normannen Bognerabteilungen voraus, wenn er sagt: perstrepentibus secundum morem pharetris; da wir auf dem Teppich von Bayeux Bognerabteilungen begegnen, werden die Normannen diese wohl schon früher gehabt haben.

 

In Frankreich hat diese Waffe weitere Verbreitung genossen als in Deutschland, obwohl die Schriftquellen des 9. und 10. Jahrhunderts auch dort den Pfeilbogen öfters erwähnen, so Widukind, Thietmar; das Carmen de bello Saxonico weiß sogar von Baleari arcu dimissis sagittis zu berichten (I, 111).

 

Ob die Kunst des Bogenbaus aber in Frankreich besser ausgebildet war, wie Jähns glaubt (Trutzwaffen, S. 314), scheint mir zweifelhaft. Der von Widukind, Res gestae Saxon. III, c. 2, erwähnte hohnvolle Ausspruch des Capetingers Hugo: facile posset una potione telorum Saxonicorum septem absorbere — lässt keinen sicheren Schluss auf die Kleinheit der sächsischen Pfeile und mithin auf den minderwertigen Bogen zu, da telum ebenso gut Wurfspeer wie Pfeil bedeuten kann, sodass die prahlende Rede Hugos sich nicht sicher erklären lässt.

 

Bei Richer, Ende des 10. Jahrhunderts, treffen wir den Ausdruck sagittarii in der Bedeutung als besondere Heeresabteilung oft. Folgende Stellen schildern ihre Verwendung:
Richer I, c. 8:
At regii pedites hostibus directi primo certamine sagittas iaculantur, densatique lanceis obversis in illos (Normannen) feruntur.
II, c. 85: Es werden viele Krieger verwundet
nube sagittarum ac ballistarum; diese balistae scheinen aber keine großen Wurfmaschinen gewesen zu sein — wir haben hier die Armbrust vor uns. Bei Richer erfahren wir zum ersten Mal etwas von dieser neuen Waffe. Sie wurde hauptsächlich bei Belagerung und Verteidigung fester Plätze angewendet.

 

Eine Miniatur in einer Bibel von St. Germain stellt uns eine solche Szene dar. Die arcobalista oder ähnliche Ausdrücke, die die Armbrust bezeichnen, finden wir noch weiter bei Richer II, 92, a. 949, bei der Belagerung von Senlis: quia ab urbanis nimium arcobalistis impetebantur resistere, quiescunt — ferner: ob arcobalistarum impetum — II, c. 98: sagittarii cum arcubus et balistis dispositi sunt — II, 104: Primo impetu sagittarii contra hostes ordinati sunt. Missaeque sagittae et arcobalistae cum aliis missilibus flogen hageldicht durch die Luft.

 

Dass diese Armbruster mit ihrer Waffe auch umzugehen verstanden, so primitiv sie durch die Miniaturen dargestellt scheinen, zeigt Richer IV, c. 17: Nec defuere, qui tanta subtilitatis arte balistas emittant, ut apothecam (Kramladen) in recto diametro duplici foramine patentem creto iactu traiciant; aves quoque in aere volantes in dubitato ictu impeterent, transfixosque de sublimis praecipitarent.
Bei der Beschaffenheit und Einfachheit der Konstruktion dieser Armbrust gehört schon große Übung dazu, einen Vogel im Flug zu treffen. Durch zwei sich gegenüberliegende Haustüren zu schießen, war bedeutend weniger schwierig.

 

Richer ist die einzige Quelle aus dieser Zeit, die etwas über die Armbrust berichtet. Sie scheint im Westreich verbreiteter gewesen zu sein, denn aus dem deutschen Gebiet erhalten wir keine Nachricht über sie. Der gewöhnliche Pfeilbogen war ihr noch lange Zeit überlegen durch seine Schussgeschwindigkeit.

 

Gehen wir zur Taktik des Bogenschießens über. Den Nachrichten zufolge scheint man Salven abgegeben zu haben; nur wenn viele Bogner zugleich schießen, lassen sich die Ausdrücke Pfeilregen, Pfeilhagel, Pfeilwolke erklären.

 

Miraculi S. Bertini c. 9: sagittarum quoque imbres in eos pluere Beowulf 3117: „Wenn der Sturm der Pfeile von der Sehne losgeschnellt sauste übern Schildwall, der Schaft des Amtes waltete, der mit Federn wohlgerüstete dem Pfeile folgte.“
Das
Überfall- oder Finnesburgfragment vergleicht die Pfeile sogar mit Vögeln: „Die Vögel singen, es gellt das Graukleid, das Kraftholz dröhnt, der Schild klagt dem Schafte.“

 

Dass den Angelsachsen, wie behauptet wurde, der Bogen fremd war, ist also unrichtig; weitere Stellen des Beowulf (1436, 2438) erwähnen den Bogen, sogar den Hornbogen – das nur nebenbei.

 

Wenn wir auf der Tapete von Bayeux einige hundert Jahre später die Angelsachsen den Bogen nicht mehr gebrauchen sehen (eine Ausnahme), so mag das von besonderen, uns unbekannten Umständen der Schlacht von Hastings herrühren. Nach dieser Niederlage wird der Bogen im Kampf gegen die Normannen, der sich noch lange als Kleinkrieg hinzog, als Hauptwaffe der Angelsachsen erwähnt. In der Folgezeit ging dann aus der Verschmelzung des normannischen und angelsächsischen Bogners der berühmte englische Langbogner hervor.
Dieser englische Langbogen erhielt sich sehr lange und wurde erst am Ende des 16. Jahrhunderts in England von den Feuerwaffen verdrängt.

 

Wir haben gesehen, dass der Bogen als Kriegswaffe von der Völkerwanderungszeit her seine Geltung bis ins späte Mittelalter bewahrt hat. Allerdings hat sich die Taktik des Bogenschießens mit der Zeit verändert, wie die Schriftbelege zeigen. Der vereinzelte Bogner der Karolingerzeit formiert sich im 10. und 11. Jahrhundert zu Abteilungen. In der Karolingerzeit treffen wir nur Schützen ohne taktische Einheit, im Teppich von Bayeux am Abschluss unserer Periode als besondere Heeresformation. Die Kampfart, wie sie die Schriftquellen schildern, entspricht den Miniaturdarstellungen.


Quelle: Die Trutzwaffen der Karolingerzeit vom 8. bis zum 11. Jahrhundert