Funde
Da die Schleuder sowohl wie der Schleuderstock aus sehr vergänglichem Material bestanden haben, sind keine dieser Waffen auf uns gekommen; auch Schleudersteine sind nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Schleuderbleie, wie sie aus römischer und griechischer Zeit erhalten sind, fehlen ebenfalls, obwohl die Schriftquellen sie erwähnen.
Es ist aber ganz sicher, dass die Schleuder von der germanischen Zeit bis tief ins Mittelalter zu Jagd- und Kriegszwecken im Gebrauch war.
Miniaturen
Die Schleuder gehört zur größten Seltenheit in den Darstellungen der Miniaturen.
Hottenroth, Deutsche Trachten, S. 127, bildet zwei Schleuderer ab nach Strutt, Angleterre ancienne, ohne die Herkunft der Zeichnungen anzugeben; ferner Westwood, Bible of St. Paul, Tafel XVII; ferner zeigen die Randleisten des Teppichs von Bayeux einmal einen Bandschleuderer zu Fuß mit losgelassener Schleuder, dann einen zu Pferd mit geschwungener Schleuder, beide auf der Jagd begriffen, und auf dem nicht mehr deutlich erkennbaren Schlussstück wahrscheinlich zwei ungeharnischte Reiter mit Schleuder. Wo David gegen Goliath kämpfend dargestellt wird, treffen wir immer die Schleuder, so in dem Psalter von Boulogne (Westwood, Angl. Sax. and Irish MSS., Pl. 3cS).
Die Schleudern, die dort abgebildet sind, haben zwei Formen: die Band- und die Stabschleuder. Erstere besteht aus zwei Riemen, in deren Mitte ein Täschchen zur Aufnahme des Geschosses dient. Ein Riemen wird um die Hand geschlungen, der andere in die Hand genommen, das Ganze geschwungen und darauf der eine Riemen losgelassen, sodass das Geschoss herausfliegt. Die Stabschleuder vergrößert die Wirkung und Schwungkraft; das kürzere Ende der Schleuder ist am Stock befestigt, das längere reicht bis zur Hand hinunter, der Stock wird geschwungen und dann der längere Riemen losgelassen.
Aus den Miniaturen ersehen wir aber nicht, dass zur Karolingerzeit die Schleuder als Kriegswaffe gebraucht wurde; der zweimal dargestellte David ist als Hirt mit der Schleuder ausgerüstet. Erst die Miniaturen aus dem 13. und 14. Jahrhundert zeigen uns die Schleuder als Kriegswaffe; die deutlich erkennbaren Schleuderer auf dem Teppich von Bayeux brauchen die Schleuder zur Jagd. Aus den Schriftquellen erfahren wir aber, dass in der Schlacht bei Hastings die Schleuder als Waffe auf Seiten der Angelsachsen in Anwendung kam.
Wenn auch die Funde gar keinen und die Darstellungen der Buchmalereien nur spärlichen Stoff bieten, wissen wir bestimmt aus den Schriftquellen, dass seit der germanischen Zeit bis ins späte Mittelalter die Schleuder als Waffe benutzt wurde.
Schriftquellen
Die Schleuder (funda, fundibula, ahd. slinga, slengira; tormentum, ahd. stapa slinga, fundibularius – slinkeri) treffen wir in den schriftlichen Zeugnissen der Merowingerzeit ganz selten. Dass sie jedoch im Gebrauch war, ist bezeugt. Als Waffe wird sie in den Gesetzen des Westgotenkönigs Eurich deutlich erwähnt: quosdam etiam fundarum instrumentis (Lex Visigoth. IX tit. II 9*).* Bei Gregor von Tours scheint noch der bloße Steinwurf von freier Hand in Übung gewesen zu sein, hauptsächlich bei der Verteidigung fester Plätze; gewiss war aber die Schleuder den Franken bekannt, wenn sie die Westgoten führten. Ein weiterer Beweis besteht in dem mehrmaligen Vorkommen der Schleuder in den althochdeutschen Glossen.
Bei einigen Stellen in den Schriftquellen ist es ungewiss, ob der Wurf von Steinen mit der freien Hand oder mit der Schleuder gemeint ist. Bei Verteidigung fester Plätze wurde der Steinwurf noch lange angewendet; auch ganze Felsstücke (rupes) werden neben den lapides benutzt, ferner mit Steinen gefüllte Fässer (Gregor von Tours VII 37; Annales Fuldenses, a. 894).
Die Art der Schleuder wird meist nicht näher bezeichnet: tormenta = stapaslingun (ahd. Gloss. B. I 692, 24); ferner: Jactant Angli cuspicles et diversorum generum tela, saevissimas quoque secures et lignis imposita saxa (Schlacht bei Hastings, Gesta Guilielmi ducis Normannorum) weisen mit Sicherheit auf die Stabschleuder.
Einige weitere Hauptstellen aus unserer Zeit seien noch erwähnt. Den Steinwurf führen an: Annales Fuldenses, a. 894: talis sonitus ferientium per scuta lapidum datur, als ob man donnern hörte — Richer II 5: telisque ac lapidibus aerem densant — ebenda II 54: tela ac lapides tam densae ferebantur, quam denso grando quandoque dilabitur — Thietmar, Chron. VI 6: lapidum imbre.
Im 9. Jahrhundert wird der Gebrauch der Schleuder häufiger.
Die hauptsächlichsten Belegstellen finden sich an den folgenden Orten:
Das Capitulare Aquisgranense a. 813 (Boretius 77) c. 10 zählt unter den Gegenständen, die zum Krieg auf Wagen dem Heere nachgeführt werden müssen: fundibalas et illos homines qui exinde bene sciant iactare. Trotz dieser Verordnung wissen wir aber gerade zu Karls des Großen Zeit nicht viel vom Gebrauch der Schleuder; erst unter seinen Nachfolgern treffen wir sie häufiger: Versus Paulini de Herico duce 799 f.: Sagittis fossum fundis saxa fortia corpus iniectum contrivisse dicitur — Casus S. Galli c. 51 a. 926: fundibula plectuntur — Schleudergeschosse: Abbonis de bello Parisiaco carm. II 236: plumbea mille volant — und ebenda II 238: plumbi nec non onorosi poma dabant peltis gemitus et grandia saxa.
Neben der gewöhnlichen Schleuder (funda) stoßen wir noch auf den Ausdruck balista und tormentum. Aus den Glossen wissen wir, dass tormentum Stabschleuder bedeutet. Ob wir diese auch unter balista zu verstehen haben, ist nicht zu ermitteln, da balista auch ein größeres Wurfgeschütz oder die Armbrust sein könnte: Carmen de bello Saxonico I 111: mittunt super hostes tormentis alii lapides — ebenda II 108: contorsere balistas — Annales Bertiniani a. 844: balistarorium occursu ... dispereunt — Abbo, De bello Parisiaco I 87: Pila volant hinc inde ... Commiscentur eis fundae laceraeque ballistae.
Im Feldkrieg wurde die Schleuder weniger benutzt als bei Belagerungen. Mit der besseren Schutzbewaffnung wird auch die Handschleuder wirkungslos geworden sein. Schon im Teppich von Bayeux kommt sie nur noch als Jagdwaffe vor, und höchstens die Stabschleuder treffen wir in den späteren Miniaturen und Schriftquellen des 12. und 13. Jahrhunderts. Ausschlaggebende Bedeutung als Kriegswaffe hat die Schleuder nicht erlangt, wohl aber die weit wichtigere Fernwaffe, der Bogen.
Quelle: Die Trutzwaffen der Karolingerzeit vom 8. bis zum 11. Jahrhundert
