Funde
Die ursprünglichste Nahwaffe ist der Stock, der sich im Laufe der Zeiten dann zur Keule und zum Streitkolben ausgebildet hat. Die beiden letzteren Waffen werden in den Schriftquellen von der Merowingerzeit bis tief ins Mittelalter hinein erwähnt.
Aus den Funden hingegen erhalten wir keine Vorstellung von Art und Aussehen der Keule und der ihr verwandten Waffen – wer damit bewaffnet war, ob sie zum Schlag oder auch zum Wurf gedient haben. Die Keulen müssen daher aus Holz gewesen sein und sind im Boden der Zerstörung anheimgefallen, gleichwie Bogen, Pfeile und Lanzenschäfte usw.
Die Bronzestreitkolben und Stachelknöpfe der germanischen Frühzeit sind augenscheinlich in Eisen nicht weitergebildet worden. Immerhin geben uns die zwar nicht gerade zahlreichen Darstellungen der Keule und des Streitkolbens in den Buchmalereien usw. Auskunft über ihre Art und ihren Gebrauch, ebenso die Schriftquellen.
Miniaturen
In den Miniaturen der Karolingerzeit finden wir die Keule selten, hingegen klärt uns der Teppich von Bayeux über ihre Gestalt näher auf. Herkules mit der Keule ist bei Fleury (mmss. de Léon t. 5) abgebildet; die Handschrift stammt aus dem 9. Jahrhundert. Diese Keule wächst vom Griff an bis zur Mitte, von da gehen auf jeder Seite drei Zacken aus; nach oben verjüngt sie sich in einen länglichen Knauf. Der Zeichnung nach muss diese Keule aus Holz gewesen sein.
Die übrigen Keulen jener Zeit werden nur bei Kreuzigungsbildern oder von solchen abhängigen Darstellungen gezeigt. Die beiden Kriegsknechte brechen den Schächern am Kreuz mit wuchtigen Keulen die Knochen. — Kraus, Codex Ecberti t. L: Die erste Keule läuft, nach oben dick, in drei Knoten aus, die zweite ist nach hinten gebogen und hat auf der Rückseite zwei Knoten. — Beissel, Ottoevangeliar Aachen t. XXXI: Die eine Keule ist sehr dick, oben Knoten, die natürlich scheinen; die andere sieht gleich aus, nur ist sie unten am Griff dünner. Ähnliche Keulen führen Räuber bei einer Darstellung des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter (Vöge, Malerschule, p. 234, Münchner Handschrift VII).
Alle diese Keulen erscheinen als mehr oder weniger besser zugehauene Holzkeulen ohne Nägelbeschlag. In der Folgezeit begegnet uns eine Art Keule nur noch in der Bibel von St. Paul (Westwood t. X). Bileam trägt dort eine Art Streitkolben; am oberen Teil befinden sich nach hinten ein, nach vorn drei Knoten. Dann lassen uns die Miniaturen im Stich, und erst im Teppich von Bayeux erhalten wir weitere Aufklärung über die Streitkolben. Diese werden auf normannischer Seite nur von den Anführern getragen; sie zeigen das gleiche Prinzip, aber verschiedenes Aussehen. Die Länge bleibt sich überall gleich; dieser Kolben wird nur mit einer Hand geführt.
Wir finden einen Kolben, der sich dem Ende zu verdickt; im letzten Drittel gegen das Ende scheint eine scharfe Kante den Kolben abzuschließen. — Odo episcopus baculum tenens confertat Francos: Dieser baculus erweitert sich im letzten Drittel nach hinten, indem er vorn aus der vertikalen Linie des unteren Teils zurücktritt. — Wilhelmus dux führt einen Kolben, der leicht nach hinten gebogen und hinten mit zwei abgerundeten Knoten versehen ist. — Auch die Form eines gewöhnlichen Schlegels kommt vor — einmal wird das Ende des Streitkolbens durch einen birnenförmigen, dreiteiligen Knopf gebildet, der sich vom Stiel als eisern unterscheidet. —
Alle diese Waffen sind nicht so dick und plump ausgeführt wie die vorher erwähnten Keulen. Das Material, aus dem sie gefertigt sind, lässt sich aus Fotografien nicht erkennen. Allein, wenn sie aus Holz gefertigt gewesen wären, wäre ihre Dicke viel zu gering; ein solcher Streitkolben aus Holz würde bei einem Schlag auf Schild oder Helm sofort zersplittern. Wir müssen daher annehmen, die Streitkolben der Normannen seien aus Eisen gewesen – wenn nicht immer ganz, so sicher am Ende.
Auch die Angelsachsen führten den Kolben, diese jedoch zu Fuß, die Normannen immer zu Pferd. Flüchtende Leichtbewaffnete halten eine Stockwaffe in den Händen: ein Stock von der Dicke eines Speerschaftes ist bekrönt mit vier Kugeln, die in Kreuzform aneinander angepasst sind; dieser kreuzförmige Knauf wird von Eisen gewesen sein. Näheres kann man nicht erkennen.
Jedenfalls sind keine solchen Streitkolben in den Funden zum Vorschein gekommen; da der Kolben – mit Ausnahme der angelsächsischen Kolbenträger im Teppich von Bayeux – die Waffe der Anführer zu sein scheint, wird demgemäß die Zahl der ehemals vorhandenen eisernen oder eisenbeschlagenen Kolben eine geringe gewesen sein, sodass dadurch ihr Fehlen in den Funden erklärlich wird.
Die gewöhnlichen Keulen werden wahrscheinlich aus Holz mit eingeschlagenen Nägeln (clava) bestanden haben, ähnlich den Morgensternen der Schweizer.
Solche Keulen, die sich nach oben zu stark verdicken und augenscheinlich mit Nagelköpfen oder Zacken aus Eisen versehen sind, finden wir in einer Einsiedlerhandschrift (Stiftsbibl. cod. III; Stückelberg, Schweizer Heilige p. 76) aus dem 12. Jahrhundert bei der Darstellung des Martyriums des hl. Meinrad.
Der karolingische Bacillus, den wir gleich betrachten werden, hat sich weder in Funden noch in Buchmalereien erhalten; aus ihm ist jedoch das Szepter entstanden, das die in den Miniaturen sowie auch im Teppich von Bayeux thronend dargestellten Kaiser und Könige beinahe immer tragen: z. B. Bibel Karls des Kahlen (Bastard t. XV.) — Hefner, Altdeutsche Tracht t. 74 H — Lotharevangeliar Paris (Janitschek, Malerei, p. 34) — Westwood, Angl. sax. mmss. t. 29, mehrmals Teppich von Bayeux.
Als Kriegswaffe ist seit der Karolingerzeit der Streitkolben verschwunden, bis er im 11. Jahrhundert wieder auftritt.
Schriftquellen
In den Schriftquellen finden wir Keule, Streitkolben und Baculus über 60 Mal erwähnt. Wir können nach ihnen ganz bestimmte Arten von Keulen deutlich erkennen.
Zuerst die vorkommenden Namen: Am häufigsten treffen wir fustis, die ahd. Gloss. I 718,7 setzen dafür stangon; ferner baculus, clava (ahd. cholbun), fustis Herculis i. e. cholbon; sudes = stecan; palus, flagellum, robur, vectis, cateia; ferner in den Glossen: pilum = cholpan; thyrsus = cholban oder stanga; cippum = stoc; cestus = kolbo. Die cambutta des hl. Gallus ist ein geistliches Würdezeichen.
Aus diesen vielen Benennungen sehen wir, dass diese Waffe eine große Verbreitung gehabt hat und jedenfalls mannigfaltige Formen und verschiedene Verwendung: als eigentliche Kriegswaffe zum Hieb beziehungsweise Wurf, als Räuber- und Bauernwaffe, als gesetzliche Waffe im gerichtlichen Zweikampf, als Züchtigungsinstrument, als fester Spazierstock und Wanderstab und in abgeleiteter Form als Szepter und Würdeabzeichen.
Betrachten wir daraufhin die Quellen.
Als Kriegswaffe treffen wir den Kolben schon in früher Zeit an (v. San Marte, Waffenkunde p. 195), in der Merowingerzeit aber schon nicht mehr häufig. — In Gregor von Tours kommt X 15 vectibus caedere vor, X 16 vectibus ac securibus confractis prostitiis. Bis in die Karolingerzeit schweigen sich die schriftlichen Zeugnisse über die Keule als Kriegswaffe aus; sie wird eben keine Bedeutung mehr erlangt haben. Karl der Große räumt dann endgültig mit ihr auf im Capitulare Aquisgranense c. 17 (Bor. 77): Quod nullus in hostem baculum habeat, sed arcum. Der Streitkolben sollte also durch den Bogen ersetzt werden. Großen Erfolg scheint diese Verordnung nicht gehabt zu haben. Unter Ludwig dem Frommen oder Lothar erscheint der Kolben wieder als Kriegswaffe: Capitula Francia c. 6 (Bor. 167): ut ... fideles ... armati veniant, id est qui potest habere, cum lorica et scuto, ancipite atque fuste. —
Aus welchem Material eine solche Streitkeule angefertigt wurde, beschreibt das carm. de bello Saxon. I 110: ferratos fustes alii mittunt super hostes, also Wurfkeule, — III 107 fustes ad proelia quernos milia multa parant plumbo ferroque gravabant; hier augenscheinlich Holzkeulen, mit Blei ausgegossen oder mit Eisen beschlagen. Eine gleiche Keule wird beschrieben im Carmen de Timone 71: repugnant cum plumbo plumbum cumque sudes sudibus. — Hier darf man nicht an Bleischleudergeschosse denken, sondern an die sudes plumbatae, an bleigefüllte Keulen. Ähnlich wird die Stelle in Wiponis vita Conradi imperatoris c. 13 aufgefasst werden müssen: proelium cum saxis et sudibus commiserunt — die sudes sind hier Keulen, ebenso wie flagellum in Benedicti chronicon c. 23. —
Bei Abbo de bello Parisiaco I 554 treffen wir auf die für diese Zeit nicht mehr gebräuchliche Wurfkeule cateia: Pila dabant rupesque simul celeresque cateias plebs ..., ferner II 27: ... clipeum gestansque cateiam. — Der Glossator Abbos glossiert hier cateiam mit dardam; dieses ist aber eine Wurfspeerart. Er hat also die Bedeutung der cateia als Keule — wahrscheinlich eine Kehrwiederkeule — nicht mehr verstanden. (Da diese Bezeichnung nur hier vorkommt, verweise ich für die frühere Zeit auf Lindenschmit, Altertümer, p. 184 ff.)
Als Waffe des gewöhnlichen Kriegers scheint der Streitkolben allmählich verschwunden zu sein; die späteren Nachrichten über ihn sind spärlich. Erst im hohen Mittelalter wurde er, allerdings in wesentlich verstärkter Gestalt, wieder eingeführt.
Die gewöhnliche Keule blieb jedoch als Not-, Bauern- und Räuberwaffe immer im Gebrauch. So werden im Jahre 926 (Casus S. Galli c. 51) sparones et fuste acute focis praedurantur zur Verteidigung gegen die Ungarn.
Dass zuweilen ein abgerissener Baumast als Waffe diente, zeigt ebenda c. 77 die Stelle: robur rapiens.
Häufig finden wir die Keule in der Hand des Volkes bei Tumulten. In den Heiligen- und Märtyrerleben begegnen wir der fustis sehr oft als Mordwerkzeug (vgl. Ermordung des hl. Meinrad, Miniatur). Sie scheint sogar selbst bis in die Kirchen hinein als Waffe geführt worden zu sein. Dieses beweisen die folgenden Gesetzesbestimmungen: Hlotharii capitul. Papiense Febr. 832 c. 2 (Bor. 207): sanguinis effusio in ecclesia facta cum fuste; ebenso capitularia Ansegisis IV c. 14; ferner consilium Triburense 5. Mai 895 c. 4 (Bor. 275): Si quis in ecclesia clericum fuste vel gladio percusserit ... — es folgt die Strafandrohung.
Wir müssen uns diese fustes ungefähr so vorstellen wie die Keulen auf den früher erwähnten Miniaturen: eine einfache, kunstlose, rohe Waffe, die sich jedermann ohne Mühe selbst herstellen konnte.
Der Streitkolben oder die Keule blieb übrigens auch als Waffe beim gerichtlichen Zweikampf lange erhalten. Capitul. Olonense leg. Ludowici pii et Lotharii Mai 825 c. 12 (Bor. 165): pugna fuerint indicati cum fustibus pugnent — Hludow. p. capit. cap. legi, addend. 11 Nov. 816 (Bor. 134): qui cum scutis et fustibus in campo decernent.
Als Züchtigungsinstrument treffen wir bei Gregor von Tours den Ausdruck fustibus verberare öfter; hier ist aber keine Keule gemeint, sondern ein Prügel zur körperlichen Züchtigung.
Der Baculus
Neben dem Streitkolben und der Keule tritt in den Schriftquellen ein von diesen verschiedener Stock hinzu, der Baculus. Dieser war eine Art Spazierstock oder Wanderstab, der zur Karolingerzeit und schon früher im Gebrauch bei den Franken war, ebenso bei ihren Nachbarn. Diese Stöcke scheinen allgemein getragen worden zu sein; sie waren oft geschmückt und schön verziert.
Die beste Beschreibung — Miniaturdarstellungen fehlen — liefert der Mönch von St. Gallen (de gestis Caroli I c. 34): Tunc baculus de arbore malo, nodis paribus admirabilis, rigidus et terribilis, cuspide manuali ex auro vel argento cum caelaturis insignibus praefixo portabatur in dextera.
Dieser Stock war ein Stab von einem geraden Baumstamm mit gleichmäßigen Knoten, schön, gerade und furchterregend, mit einem Handgriff aus Gold und Silber mit erhabenen Figuren. Ein solcher Stock wurde wahrscheinlich nur von den Vornehmen geführt. Wenn wir die Schwerter der Karolingerzeit betrachten, werden wir sehen, dass eine ähnliche Ausschmückung des Schwertgriffs mit edlem Material oft vorkommt.
Dass dieser Stock von großen Dimensionen war, bekräftigen auch die übrigen Quellen. Sein weiterer Name clava deutet auf einen Nagelbeschlag hin, der sich entweder am Handgriff befand oder der baculus endete nach unten in einem Kolben oder Knauf (vgl. Lindenschmit, Altertümer, p. 188). Daneben wäre vielleicht eine schwere Eisenspitze denkbar; für Letzteres spricht Richer II 57: habitum militarem in peregrinum transformentes, um die Torwächter zu täuschen, ferratis baculis procedunt.
Das können keine Keulen gewesen sein, sondern es waren Pilgerstäbe mit starker eiserner Spitze. Das Volk wird überhaupt keine so kostbaren Stöcke getragen haben, wie sie der Monachus Sangallensis beschreibt.
Paulus Diaconus VI 52 erzählt, wie der Herzog Ratchis von Friaul im Jahre 738 von den Slawen überfallen wurde, und da er keine Zeit fand, die Lanze zu ergreifen, clava, quem manu gestabat, den ersten Angreifer erschlug. Wenn hier nicht ein Streitkolben gemeint ist, der aber für die Stelle nicht recht passen würde, so müssen wir einen Stock annehmen, der doch ziemlich handfest und stark gewesen sein musste – also eben einen ferratus baculus, den man im Notfall als Waffe gebrauchen konnte, worauf das rigidus et terribilis des Mönchs von St. Gallen hinweist.
Lindenschmit (Altertümer, p. 188) bildet einen Stock ab, der in den rheinischen Gegenden bis zu unseren Tagen von Landleuten getragen wurde und der ganz wohl noch Anklänge an den altfränkischen baculus haben kann. Die alten, wuchtigen Handwerksburschenstöcke und vielleicht auch die Ziegenhainer dürften an jene Zeiten erinnern, in denen ein Stock nicht bloß als Zierde, sondern im Ernstfall als wuchtige Waffe zu gelten hatte.
Eine Abart des baculus sehen wir in dem Szepter, wo dieser Stock bloß noch als Würdezeichen dient. Als königliches Szepter wird der fustis erwähnt in den Annal. Bertiniani a. 877: fustem ex auro et gemmis ... misit — als reich verziertes Stück. Verziert gewesen sein dürfte auch der von den Annal. Guelferbytani a. 787 erwähnte baculus, in cuius capite similitudo hominis erat sculptum.
Wie dieser Baculus ausgesehen haben könnte, zeigt uns der Vergleich mit einer Miniatur nach dem Cottonianpsalter Utrecht (Westwood, Angl. sax. mss., pl. 29): Ein König sitzt, von Kriegern umgeben, auf einem Thron; in der Linken hält er eine Art Szepter von Spazierstockgröße, am oberen Ende ist ein Ring angebracht, welcher oben von einem behelmten Menschenkopf bekrönt wird, der große Ähnlichkeit hat mit den Köpfen, die in der Bibel Karls des Kahlen die Randleisten und Zwickel schmücken. Wir haben uns die similitudo hominis dieses Stockes wahrscheinlich ganz ähnlich vorzustellen.
Dem Szepter fällt noch eine weitere Aufgabe außer dem bloßen Würdeabzeichen zu. Mit dem Szepter wurde die Investitur bekräftigt durch den Kaiser oder König.
Diplomata Ottonis I. in Marsi, Sept. 970, Nr. 398: Tunc domnus Otto magnus imperator ... dignatus est per fustem quem in manu sua tenebat investire. — Mailand Juli 972, Nr. 416: tunc per fuste quod morum tenebant manibus ... investierunt. — Diplom. Ottonis II. Aug. 981, Nr. 255: per unum baculum investiverunt. — Diplom. Ottonis III. Rom Apr. 998, Nr. 278: apprehenderunt baculum. — Pavia Jan. 998, Nr. 265: ... per baculum ... investivimus. Ähnlich Diplom. Heinrici II. Pavia Mai 1014, Nr. 299: per fuste bannum mittere.
Als Szepter hat sich also der Baculus gehalten; als Kriegswaffe taucht er erst im Spätmittelalter wieder auf.
Die Darstellungen der Miniaturen und die Schriftquellen stimmen sowohl für Streitkolben, Keule und Szepter überein, ebenso in ihrer Anwendung im Krieg und im Frieden, sodass wir trotz des vollständigen Mangels an Fundstücken dennoch über die Keule und ihre Nebenformen unterrichtet sind.
Quelle: Die Trutzwaffen der Karolingerzeit vom 8. bis zum 11. Jahrhundert
