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Glossen zum Rüstmeister-Vokabularium des Friedrich von Leber

Vortrag von Dr. Othmar Baron Potier.

(Gehalten in der 3. Hauptversammlung des Vereins für historische Waffenkunde am 19. Juni 1900 in Dresden.)

 

 

Hochverehrte Versammlung!

 

Eines der traulichsten Märchen unseres Volkes ist die Geschichte von Prinzessin Dornröschen, welche in tiefem Schlummer, umhegt von stacheligen Ranken, viele Jahre hindurch auf den erlösenden Kuss warten musste. Unter einem ähnlichen widrigen Schicksal, wie diese Lichtgestalt der deutschen Sagenwelt, hatte auch Jahrhunderte hindurch derjenige Zweig der Kulturgeschichte empfindlich zu leiden, in dessen Dienst wir, verehrte Anwesende, unsere Kräfte gestellt haben.

 

Nicht, dass die uralte, gleichsam im Blut liegende Freude an schönen Waffen, dieses Erbgut des germanischen Volksstammes, plötzlich unserem Volk abhandengekommen wäre, dass man vielleicht mit der zunehmenden Gesittung verachtungsvoll auf das Handwerkszeug des rauen Kriegers geblickt hätte. O nein! Nach wie vor stand des Mannes Handwehr bei unserem Volk in hohem Ansehen, und gar wohl wusste man den Wert einer formvollendeten Waffe, etwa einer wurmbunten Klinge, eines kunstvoll gefügten Harnisches zu schätzen. Aber die unserem Volk eigentümliche Lust am Fabulieren, welche auch das praktische Gerät des täglichen Lebens mit sinnigen Gedanken zu umspinnen liebte, umkleidete sogar die Waffe in der Weise eines jugendfrischen Volkes mit einer gewissen gemütvollen Poesie.

 

Dem Deutschen war seine Waffe stets mehr denn ein bloßes, von Menschenhand gefertigtes gefühlloses Werkzeug. In seiner Einbildungskraft personifizierte er die Waffe, indem er aus dem wesenlosen Ding ein belebtes Geschöpf gestaltete. Das Schwert zum Beispiel war dem Kriegsmann ein guter Kamerad, ein von ihm unzertrennlicher Gefährte in Freud und Leid, welchem er wie seinem Blutsbruder einen eigenen Namen beigelegt hatte. Treu stand das Schwert seinem Gesellen in harter Todesnot im Getümmel auf der Kampfheide zur Seite; es bahnte im küenlichen swertswanch dem Helden eine Gasse durch der Feinde Scharen; es redet zu dem Degen und warnt ihn vor drohendem Unheil durch klagendes Klingen und Klirren; auf der Dingstätte half es dem freien Manne wie ein Eideshelfer von Fleisch und Bein sein Recht suchen und finden, sei es, dass der Mann sein Wort dadurch bekräftigte, dass er die Schwurfinger beteuernd auf den Schwertknauf legte, sei es, dass er sein Recht auf des Schwertes Spitze stellte und im Zweikampf ein Urteil vom Himmel heischte.

 

Dieser dichterische Zug unseres Volkscharakters, dieser Hang zum Träumen barg jedoch auch die Gefahr in sich, dass man im Laufe der Zeiten immer tiefer in den Irrgarten der anmutigen Zauberfee Romantik hineingeraten musste, endlich das Verständnis für die Waffe als solche verlor und diese nur dann etwas gelten lassen mochte, wenn man mit ihr irgendeine hervorragende Persönlichkeit oder ein geschichtliches Ereignis schlecht und recht in Verbindung bringen zu können vermeinte. In diese Zeit der Raritätenkabinette, in welchen man neben Seejungfrauen voll selbstzufriedenem Behagen des Hunnenkönigs Etzel Pistolen vorwies, fällt die tiefste Erniedrigung der historischen Waffenkunde.

 

Sowie aber das Zuviel auf einem jeden Gebiet sein Gutes besitzt, indem es einem jeden, der überhaupt sehen will, klar wird, dass es auf dem betretenen Weg nicht mehr weitergehe, so bahnte auch um die Wende des vorigen und gegenwärtigen Jahrhunderts ein kleiner Kreis von Männern allmählich die richtige Erkenntnis von dem Wesen alter Waffen an, indem diese Freunde der Wahrheit mit dem Mut der Überzeugung gegen den Rattenkönig von Fabeln anzukämpfen begannen, welcher damals in den Waffenkabinetten Europas förmlich gemästet wurde.

 

In Österreich war es neben dem verdienstvollen Josef v. Scheiger, von dessen Aufzeichnungen unsere Zeitschrift wiederholt Proben gebracht hatte, besonders Friedrich v. Leber, welcher unverdrossen das wüste Unkraut rodete, das auch in den großen Waffensammlungen Wiens so üppig in die Halme geschossen war.

 

In Lebers grundlegendem, ein tiefes Fachwissen, einen scharfen praktischen Blick verratendem Werk «Wiens kaiserliches Zeughaus» (Leipzig, Karl Franz Koehler 1846) bildet einen sehr lehrreichen Abschnitt das Rüstmeister-Vokabularium, weil dasselbe uns eine Übersicht über die alten Benennungen vieler Gerätschaften ermöglicht, welche in längst verklungenen Zeiten zur Ausrüstung von Mann und Ross bestimmt waren.

 

Zur Erklärung des Ausdruckes Rüstmeister sei hier die Bemerkung eingeflochten, dass der mittelalterliche Edle seinen Waffenvorrat in eigenen Räumen aufbewahrte, welche man Harnasch-, Rüstkammer, Zeugstadel, Muserie nannte. Einer Erläuterung bedarf das Wort Muserie. Mit mus bezeichnete man ursprünglich den einzelnen eisernen Ring des Maschenpanzerwerkes (maille). Später übertrug sich die Bedeutung von dem Teil auf das Ganze, also auf den Harnisch selbst und endlich auf den Ort, wo die Harnische verwahrt wurden, d. i. das armamentarium, das, was wir heute Zeughaus nennen würden.

 

Hier, in der Harnischkammer, hingen die gewöhnlichen Harnische auf Gestellen, während man kostbarere in eigenen Truhen sorgsam aufbewahrte; hier ruhten Stangenwaffen aller Art auf Gerüsten, hingen Schwerter und Sattelzeug an den Wänden oder auf eigenen Böcken; hier aber hantierten auch die Harnischfeger, die harnaschpiezer, mit Wergballen an Wischbänken oder scheuerten das isengewant ihres Herrn im vegevaz, um es von dem Rostanflug zu säubern, welchen die Feuchtigkeit der Luft, der Schweiß des Trägers auf dem Eisenkleid hervorgerufen hatte; hier versahen die Knechte die Folgen der beweglichen Harnischteile mit neuen Geschübeledern oder suchten die Beulen mit vorsichtig geführten Hammerschlägen zu glätten, welche ein kräftiger Stoß, ein harter Fall als sichtbare Merkmale an dem kostspieligen Kriegskleid des Ritters hinterlassen hatte.

 

Mit scharfem Auge sah der Harnasch-, Rüstmeister, der custos thoracum ferreorum, in der Muserie nach dem Rechten und gönnte den dort Beschäftigten strafende oder ermunternde Worte, je nach Verdienst; er sorgte dafür, dass die seiner Obhut anvertrauten Waffenvorräte sich stets in einem guten Zustand befänden, dass nichts aus dem Zeugstadel verschleppt werde, zu welchem Zweck er ein Inventar angelegt hatte und in Evidenz hielt. Der mit allem ritterlichen Waffenwerk wohlvertraute Mann überprüfte Ross und Waffen vor dem Turnier, er wappnete auch eigenhändig seinen Herrn, denn das Anlegen des Eisenkleides war eine umständliche Sache, welche Genauigkeit und Erfahrung erforderte, sollte der Harnisch seinen Träger weder drücken noch wundreiben; der Harnischmeister, dessen gesellschaftliche Stellung dem Rang seines Gebieters entsprach, begleitete diesen endlich regelmäßig beim feierlichen Einzug zum Turnier, in die Schranken.

 

Wir sehen also aus diesen Umrissen, welche Vertrauensstellung ein seines Amtes kundiger Rüstmeister einnehmen mochte, dessen Urbild uns die deutsche Heldensage in der Gestalt des alten Hildebrand zeichnet, Dietrichs von Bern vielklugem und vielgetreuem Waffenmeister.

 

Lebers Rüstmeister-Vokabular selbst schöpft aus sechs verschiedenen, einen Zeitraum von 126 Jahren umfassenden Quellen, welche Leber mit den Buchstaben A bis F bezeichnet. Das erste unter A angeführte Verzeichnis ist das älteste, welches wir überhaupt kennen. Es stammt aus dem Jahre 1436, als der Harnischmeister Hans Neydecker die ihm anvertrauten hernasch vnd zewg, welche aus der Verlassenschaft des 1424 gestorbenen Herzogs Ernst des Eisernen herrührten und die im Zeugstadel zu Wiener-Neustadt aufbewahrt wurden, dem jungen Herzog Friedrich, dem nachmaligen Kaiser Friedrich IV., übergab. Die Listen B und C gehören dem Jahr 1464 an und sind zwei Herausforderungen zum Zweikampf entnommen.

 

Ungemein interessant ist der unter D angeführte Auszug. Zwei Ritter hatten sich zum Zweikampf herausgefordert und dazu die Art der Rüstung genau verabredet. Als sie nun am festgesetzten Tag gegeneinander ritten, glaubte der eine zu bemerken, dass sein Gegner weit schwerer gewappnet sei, als es nach seiner Auffassung der Vertrag gestattete. Er verweigerte es daher, sich zum Streit zu stellen und berief ein Schiedsgericht ein. Vor diesem kommen nun alle Einzelheiten der damaligen Rüstungsweise zur Sprache, die Form, das übliche Maß der Harnischteile, die Erläuterung, was man damals (1465) unter diesem oder jenem Namen eigentlich verstanden habe. Angaben, welche mit Rücksicht auf diese Details für uns natürlich von höchstem Wert sind.

 

Die Rubrik E bringt das Verzeichnis der „harnaschkammer zu Landshuet und bekhanntnuss des harnaschmaister Khleberger de annis 1500—1508“, diejenige unter F das „Inventary über die harnischcamer im schloss Landshuet de anno 1562“.

 

Schreiten wir an die Betrachtung der einzelnen technischen Bezeichnungen für die Bestandteile, aus welchen sich dasjenige zusammensetzte, was wir nach dem heutigen Sprachgebrauch unter dem Begriff Rüstung zusammenzufassen gewohnt sind, so muss erwähnt werden, dass das Rüstmeister-Vokabular diesen Ausdruck nicht kennt; als Gattungsnamen gebraucht es dafür beharrlich das Wort harnasch oder hernasch, worunter es eine jede wie immer geartete Schutzhülle des Leibes versteht.

 

Von Helmen führen Lebers Listen folgende Arten an: Die hawbe, also diejenige Schutzhülle für den Kopf, welche in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufkommt und die wohl aus dem sphärisch-spitz zulaufenden normannischen Helm hervorgegangen sein dürfte. Die puckhelhaube (beggelhübe, beckelhuot, bacinetum, bacinet). Diese ließ das Gesicht frei bis über die Augenbrauen, reichte jedoch tief in den Nacken herab; Kloben an ihrem ranft (Rand), durch welche ein Eisenband gezogen wurde, ermöglichten es, an ihr das Maschenpanzerwerk, den rinkharnasch der Halsbrünne, (Halsberg, Halsveste, Goller, gollir) zu befestigen.

 

Um 1330 erscheinen an den deutschen Beckenhauben die Nasenbänder, Streifen aus Ringgeflecht, welche das alte nasebant, das vintale, ein der Nasenform entsprechend zugeschnittenes Blechstück, ersetzen sollten, jedoch bereits 40 Jahre später wieder verschwinden.

 

Neben der hawbe kommt die schelern (Schallern, salade, salata) vor, jene bekannte Form für den Helm, welche um 1420 auftritt und in ihrer Gestalt mit dem Südwester der deutschen Seeleute eine so auffallende Ähnlichkeit besitzt. Ferner wird das helmlin erwähnt, ein leichter Feldhelm, mit welchem nicht der schwere oder ganze hauptharnisch, also der geschlossene Visierhelm zu verwechseln ist.

 

Endlich wird des eisenhuet (isenhuot, chapel) gedacht. Das Wort eisenhuet gebrauchen die Rüstmeister-Inventare nicht im Sinne eines Gattungsbegriffes für die eiserne Schutzhülle des Kopfes überhaupt, etwa so wie die bekannte Inschrift auf dem Schlachtschwert des schwäbischen Landvogtes Konrad Schenk v. Winterstetten (gest. 1243)

 

Chvnrat • vil • Verder • Shenke •

Hie • bi • Dv • min • Gedenke •

Von • Vinter • Stetten • Hohgemvt •

La • Ganz • Dehaine • Iisenhvt •

 

Sie verbinden damit vielmehr die Vorstellung von einer ganz bestimmten Helmart, nämlich dem Eisenhut im engsten Sinne des Wortes. Der Eisenhut war ein tiefes, von einer breiten Krempe umgebenes Becken, auf welchem eine Schiftung, mitunter auch ein geleng von rinkharnasch angebracht war; für den Kriegsgebrauch wurde manchmal der ranft der Krempe mit scharfen Eisendrähten durchzogen vnd verzeint, eine Sitte, welche man jedoch bei Kampfspielen nicht duldete.

 

Unter dem Ausdruck hunczkappen ist wohl die um 1350 aufkommende Hundsgugel zu verstehen, welche sich großer Beliebtheit erfreute, denn «die Hundskugeln führte Ritter und Knecht, Bürger und reisige Leut», heißt es in den fasti limpurgenses; die Hundsgugel verschwand erst im 15. Jahrhundert. Das Landshuter Inventar erwähnt auch die Sturmhaube mit ihren zween Pagkhen, also jene Helmform, welche aus Italien über Spanien und Frankreich als bourgignotte in Deutschland Eingang gefunden hatte.

 

An Turnierhelmen werden aufgezählt: der Turnayhelm, ein kugelförmiges, mit starkem gesottenen Rindsleder überzogenes Eisengerüst, dessen Scheitelstück auf einem Kreidegrund des Ritters Wappentier in Temperafarben gemalt trug. Die Stelle des Visiers ersetzte bei diesen, für das im Beginn des 15. Jahrhunderts in Deutschland aufkommende Kolbenturnier bestimmten Helmen ein starkes, weitmaschiges Drahtgitter. Dann folgt der Stechhelm, welcher mit seinen steilen Wänden, dem flachen Scheitelstück an die alten Topfhelme erinnert und nur einen notdürftigen Ausblick durch den unter der Stirn angebrachten Sehspalt, Querriss, Querschrantz, gestattet; endlich geschieht noch der Rennhawbe Erwähnung; deren Form so ziemlich der Schallern entsprach, mit dem Unterschied jedoch, dass das Visier fehlte und die Stirn durch zwei Platten verstärkt worden war; die Rennhaube, der Rennhut, diente für eine im Anfang des 15. Jahrhunderts in Deutschland auftretende Art des Turniers, für das Rennen, wobei die Gegner einander bekanntlich vom Pferd stoßen, abrennen, mussten.

 

Hatte im frühen Mittelalter der Kämpe Kopf und Hals durch das Hersenier, die aus Ringwerk bestehende Kapuze geschützt, so kam mit der im 13. Jahrhundert eingeführten Trennung des unteren Teiles des Hersenier vom oberen für den ersteren der Name gollir (coliarium) auf. Als man endlich anfing, auch den Hals mit Blechschienen zu umkleiden, wählte man dafür die Bezeichnung goller oder pantzerkhrägl oder part, welch letztere bei Feldharnischen — hier nennt sie die Liste F pärtl — in dem Augenblick verschwinden, als die Plattner die Helme mit einem Kinn ausstatteten; nur an Turnierharnischen blieben die Bärte noch lange im Gebrauch.

 

Die Schultern deckte ein Paar Spangeröls, eine Verbalhornung des italienischen Ausdruckes spalla gola, während die Achselhöhlen ein par pantzerne Flankhart schirmten. Für die Schutzrüstung von Arm und Faust führen unsere Quellen keine besonderen Namen an, sie unterscheiden bloß zwischen dem plechhandtschuch und dem kettenhandtschuch.

 

Was nun die Schutzrüstung für den Rumpf anbelangt, so muss es befremden, dass die Inventare, aus welchen Leber sein Rüstmeister-Vokabularium auszog, vorwiegend die Panzerhemden erwähnen, obwohl doch schon um 1430 in Italien das Streben deutlich zutage tritt, die Harnischbrust ganz aus Platten anzufertigen, mochte man dazu anfänglich auch zwei Platten verwenden, welche man aneinander schnallte. Vielleicht erklärt sich diese in den Rüstmeister-Inventarien befremdende Erscheinung daraus, dass der Plattenharnisch nicht nur ein sehr unpraktisches, weil ungefüges, sondern auch ein recht kostspieliges Kriegskleid war. So mochte der minderbemittelte Edle umso lieber an dem eleganten und bequemeren Werk des Sarwürchers festhalten, als dieses vielleicht schon sein Ältervater ruhmvoll getragen hatte, wenn es sich nur noch in einem guten Zustand befand, was ja bei der gediegenen Arbeit, welcher modernes schleuderhaftes Hasten fremd war, bei der sorgsamen Pflege, welche man allenthalben der nicht gerade wohlfeilen eisernen Schutzhülle angedeihen ließ, anzunehmen ist.

 

Wenn man die in unseren Museen aufbewahrten Plattenharnische des 16. Jahrhunderts frei von jeder romantischen Voreingenommenheit betrachtet, so wird man doch wohl zugeben, dass sie eigentlich eine verspätete Erfindung waren, welche nicht mehr recht in die Zeit des Schießpulvers, des Verschwindens der kleinen Heere des feudalen Adels passen wollte.

 

Wenn der Plattenharnisch trotz der ihm anhaftenden Nachteile dennoch durch halb Europa siegreich vordrang, so mag er dieses zum nicht geringsten Teil einer Modelaune der vornehmen Herren an den Höfen danken, welche begierig eine jede Neuerung aufgriffen, die ihnen eine scheinbare Unverwundbarkeit sicherte; beim Landadel verschaffte sich der Plattenharnisch nur sehr allmählich Eingang: seine rasche allgemeine Verbreitung hinderte vor allem sein außerordentlich hoher Preis. Dass mit dem Auftreten des Plattenharnisches auch das alte, echte Rittertum, welches im 13. Jahrhundert so voll und schön sich entfaltet hatte, aussterben musste, war wohl zu bedauern, aber eine notwendige Folge des Aufkommens eines neuen Kriegsmittels, des Schießpulvers; und die unscheinbare anfangs verlachte Kugel, welche Gottes Ratschluss lenkte, zerbrach endlich auch des Harnisches feste Platten, der in dem Augenblick einen jeden Wert verlieren musste, als auch der Feigste den tapfersten und bestgerüstetsten Ritter aus weiter Entfernung durch einen Fingerdruck niederstrecken konnte.

 

Das Inventar A erwähnt demgemäß auch bloß ain halb eisnein platte; die Listen D, E und F zählen die kürisprust auf und den khrebs, also das geschobene Bruststück, welches entweder ein ganzer oder ein halber Krebs war, je nachdem die Folgen von den Hüften bis zum Hals, oder nur bis etwa über den unteren Teil des Bruststückes reichten. Bei leichter Wappnung begnügte man sich mit einem verkürzten Brustblech, dem prüstl.

 

An Ringharnischen dagegen zählen die Inventare auf: das siechte (geringe) panzir (von pantex — Bauch) im Gegensatz zum maylanischen panzir, welches sich durch eine besonders feine Arbeit auszeichnete. Diese Gattung von Panzerhemden charakterisierte sich dadurch, dass ein jedes Ringelchen wieder vier andere aufnahm, welche äußerst mühsame Technik im 13. Jahrhundert in Italien aufgekommen war, wo sie offenbar durch die Beziehungen der italienischen Handelsstädte zu dem Morgenland Eingang gefunden hatte. Bald verdrängte das Panzerhemd den mit aufgenieteten Blechplättchen (schibe, schoupe, vlinke) besetzten Haubert und den lederstreifigen Harnisch, welcher sich dadurch kennzeichnete, dass eine Querreihe eng aneinander gefädelter flacher Ringe mit einem Lederstreifen abwechselte, jedoch so, dass dieser Streifen die Nahtstellen der Ringe deckte. Was das Gewicht dieser Kettenhemden anbelangt, so verabredeten nach der unter C angeführten Liste die Parteien, dass dasselbe zweintzigk muncher pfunt vnd nit mer schwer sein sollte.

 

Die Lendengegend deckte der Schurz aus Panzerwerk (tablier de mailles), welches über den oberen Teil des payngewantt herabhing, das nun an die Stelle der alten isenhose getreten war. Der painharnasch bestand aus dem eisnein pruch, dem diechharnasch oder Dichling (cuissard, cosciali), wie man jetzt die iserkolzen (caligae, ocreae) benannte. Den Übergang von dem Oberbeinzeug zu den under painrören, welche Schienbein und Wade umgaben, vermittelten die kniepuckl (genouillieres, ginocchielli), die ainer spann langk sein durften.

 

Beachtenswert ist der Umstand, dass die Inventare, sobald sie das Wort Schiene anwenden, darunter immer nur die Schutzrüstung für den Unterarm oder den Unterschenkel verstehen; so erwähnt die Liste E ain par halbschien, d. h. Beinschienen, welche nur die Außenseite der Unterschenkel schützten. Es ist also nicht ganz richtig, wenn man gegenwärtig mitunter die Ausdrücke Folge und Schiene als Synonyma gebraucht.

 

Als Fußbekleidung kennen Lebers Listen eisneine schuch (soleret), schienenschuch, d. h. geschobene Blechschuhe, über deren Form jedoch nichts Näheres erwähnt wird; dann khüresschuech und stifal aus Leder, den leichten ledernen Sommerschuhen, welchen die Minnesänger als stiväl, stivalekin kennen. Das Inventar von 1562 zählt auch ein Paar Rennschuhe auf, welche man mitunter auch Wachtelstiefel nannte.

 

Lebers Inventarauszüge führen uns aber nicht nur die einzelnen Benennungen für die Bestandteile des ritterlichen Eisenkleides auf, wie dieses im 15. und 16. Jahrhundert üblich war, sie entwerfen uns auch ein anschauliches Bild von denjenigen Gewändern, welche der Ritter unter dem Harnisch trug, deren Bestimmung es war, den Druck der schweren Rüstung auf den Körper zu mildern, insbesondere aber ein Wundscheuern der Haut zu verhüten. War schon im frühen Mittelalter, als das Eisenkleid noch nicht der steifen Schale eines Krustentieres glich, daz anschütten dez gewaete eine beschwerliche Arbeit, wobei sich der Edle mit dem Rücken auf den Boden legen und an den in die Höhe gestreckten Beinen die Rüsthosert hinabrollen lassen musste, worauf von unten nach aufwärts über einen Körperteil nach dem anderen das Kettengeflecht des Harnisches gezogen wurde, so gestaltete sich das Anlegen des Plattenharnisches zu einer für alle daran Beteiligten körperlichen Anstrengung.

 

Das Haupt umgab schützend eine leinene, abgesteppte Haube, die kleine bunthawbn, auch harnaschkappen genannt, die Nachfolgerin der alten batwät, welche nur Gesicht und Kinn frei ließ. Komplizierter gebaut als dieses käppl war die dickgepolsterte turnayhawbe, welche außer einem wulstartigen Stirnbund an den Schläfen mit zwei Polstern, den mit Rinderhaaren gefüllten schlafküsslin, einer Anzahl von Riemen und Schnüren ausgestattet war, und die bis zum Brustbein herabreichte.

 

Schon dieser aus der Werkstätte des Tapezierers hervorgegangene Kopfpanzer lässt uns die Qualen ahnen, welche an einem heißen Tag der ritterliche Dulder in seinem Eisenkleid ausstehen mochte, sobald der gewichtige Stechhelm über das so bandagierte Haupt gestülpt und am Brustharnisch festgeschraubt wurde, und die metallene Hülle nun ihre Eigenschaften als guter Wärmeleiter voll und ganz entwickelte. Da mochte wohl trotz des geöffneten Helmfensters das Blut pochend die Schläfen des Geharnischten durchtoben und es ist begreiflich, wenn so mancher Rittersmann in schwerem Fall erstickt vom Ross zur Erde niedertaumelte.

 

Bereits Conrad von Würzburg (gest. 1287) weist in seinem »Trojanischen Krieg« auf diese dem Ritter von seiner Schutzwehr drohende Gefahr hin:

sich huop von der storîen

so hurteclich gedrenge,

das genuogen wart als enge,

daz si vor tampfe erstickten. (33.856)

 

Bei Sempach (9. Juli 1386) fielen nicht weniger Herren der österreichischen Ritterschaft dem Hitzschlag zum Opfer, als den Messern in den Fäusten der ergrimmten Bauern. Wie unbehaglich der Gewappnete sich unter seinem Helm fühlte, geht daraus hervor, dass er diesen erst unmittelbar vor dem Gebrauch über den Kopf stürzte. Bis dahin trug das schwere helmvaz stets ein Knappe im Arm, sodass das üfbinden des Helmes die Bedeutung annahm fertig zum Streit, sei es zu glimpf, sei es zu schimpf, gerüstet zu sein; das abbinden des Helmes war dagegen ein Zeichen dafür, dass die Feindschaft abgetan, der Friede gesichert sein solle; so hieß es nach dem Kampf zwischen Hettel und Hagen: «Hettel band den Helm ab und Friede ward ausgerufen.»

 

Die turnayhawbe musste auf den eisenhuet gericht seyn, d. h. die obenerwähnten Riemen und Lederschnüre hatten in der Weise an der Oberfläche der Haube angenäht zu sein, dass sie sich mühelos durch die korrespondierenden und meist mit Messing gebüchseten, also gefütterten Öffnungen im Helme ziehen ließen, worauf man die Enden der Bänder und Schnüre zu Knoten schürzte.

 

Über die Beschaffenheit der Unterkleidung, welche Rumpf und Beine des Edlen deckte, geben uns die Listen B, C und D Aufschluss. Danach ein wamas, ein Leibchen aus zwei bis drei Lagen aus Leinwand oder Barchent, über welches das lnventar B außerdem noch ein seidenes, enganliegendes, ärmelloses Röcklein, also eine Art Weste, zu tragen erlaubte, das jedoch by einer spann zu dem knye nit gereichen durfte. Die Beine fuhren in leinene oder barchentene Hosen, während Binden und Bandagen um die Lenden gewickelt wurden. Für den Kriegsgebrauch nähte man in die Unterkleidung an besonders gefährdeten Stellen ein leichtes Ringgeflecht ein, welcher Gepflogenheit zu folgen jedoch die Listen aus den Jahren 1464 und 1465 für Kampfspiele ausdrücklich untersagen. Die beiden Zweikämpfer treffen nämlich das Übereinkommen, dass in die joppen vnd hosen darauf noch darunder nichtz gebraucht werde von ab näen ringharnasch noch von abgeneteten dingen vngeheuerlichen.

 

Als eine Ergänzung der Schutzhülle für den Leib des Mannes stellt sich die tragbare Wand gegen die Waffenwirkung des Feindes, der Schild dar, welcher während des Mittelalters im Allgemeinen in zwei Hauptformen auftritt: als der rechteckige, später nach unten spitz zulaufende Langschild, das scirmbret, die germanische Urform des Schildes, und als der kreisförmige Faustschild oder bucler, welcher jedoch romanischen Ursprungs ist. Es erscheint natürlich, dass mit der Ausgestaltung des Eisenkleides einerseits, mit den Fortschritten der Waffentechnik andererseits der unbequeme, seinen Träger in der Bewegungsfreiheit arg hindernde Schild immer mehr an Bedeutung verlieren musste, sodass am Ausgang des Mittelalters Schilde nur mehr die von den Reisigen verachteten Fußknechte im Kriege führten, während der ritterbürtige Edle sich ihrer bloß im Turnier oder im Fechtsaal bediente.

 

An Kriegsschilden kennen unsere Inventare die Pavese, also den großen Setzschild, welcher nach einer weitverbreiteten und durch die Zeugbücher des Kaisers Maximilians I., des letzten Ritters, gestützten Ansicht eine tschechische Nationalwaffe gewesen sein soll, da sich besonders die wilden Heerhaufen der hussitischen Taboriten seiner mit Vorliebe bedienten. Dieser landläufigen Annahme steht jedoch der Umstand entgegen, dass der pedites pavesati schon im 14. Jahrhundert als einer romanischen Einführung gedacht wird, wozu noch die Tatsache hinzukommt, dass schon die Normanen einen Schild mit dem Ausdruck pavois bezeichnet hatten. Es erscheint vielmehr die Ansicht unseres verehrten Altmeisters auf dem Gebiet der Waffenkunde, des Herrn Direktors Boeheim, viel innere Wahrscheinlichkeit zu besitzen, nach welcher wir es mit einer oberitalienischen Erfindung zu tun hätten, wie ja schon im Altertum in Pavia eine Schildfabrik bestand, deren Erzeugnisse geradezu Weltruf besaßen.

 

Der Zweck der Pavese war der, die Widerstandskraft des Fußvolkes in der Verteidigung und beim Beschießen fester Plätze möglichst zu erhöhen. Dazu zimmerte man aus Brettern einen viereckigen, in seiner Oberfläche leicht gewölbten, fast mannshohen Schirm zusammen, den man mit einer Kuhhaut überspannte, worüber eine Lage gefirnisster Leinwand kam. Des Mittelalters farbenfreudiger Sinn schmückte diese große Fläche mit bunten Emblemen, Wappentieren, mit religiösen Sinnsprüchen, mitunter auch mit heilbringenden Waffensegen aus. Eine eiserne Spitze ermöglichte es, dieses 10 bis 12 kg schwere Schirmbrett in den Erdboden zu rammen, während an seinen Langseiten angebrachte Haken es den «Häklern» erlaubten, ein festes Gehege dadurch schnell herzustellen, dass sie ihre Pavese mit denen ihrer Nachbarn durch Klammern verbanden; der Söldnerwitz nannte das einen Gartenzaun errichten. Dieser Verwendung der großen Heerschilde begegnen wir bereits im frühesten Mittelalter: Das Fußvolk bildete aus seinen Langschilden einen Wall und schleuderte, hinter diesem gedeckt, seine Geschosse auf die Sturmkolonnen des Gegners. Schon bei Hastings (14. Oktober 1066) verteidigten sich die Angelsachsen gegen die Normanen auf diese Weise, und Conrad von Würzburg erwähnt ähnliches:

 

si büten vür die buggeler

da hinder stuonden si gebogen

und heten üz die swert gezogen.

 

Nicht selten hatte man in die Wand der Pavese ein Guckloch geschnitten, durch das man den Gegner beobachtete. Neben der großen Pavese gab es noch die kleine, einen Handschild, welcher etwas leichter gebaut war und der den vordringenden Fußknecht während des Bewegens schirmen sollte.

 

Hatte das Schießpulver den Schild auch aus dem Feldlager der abendländischen Heere verdrängt, so gelangte er doch als Tartsche, welches Wort die einen von dem nordischen tiarga, dem althochdeutschen zarga, andere wieder von dem maurischen adarga ableiten, in den ritterlichen Kampfspielen während des 15. Jahrhunderts in allgemeine Aufnahme. Mittels eines «Zopfes», einem dicken Hanfstrick, schnürte man nämlich beim Gestech an die Brust des Plattenharnisches eine oben rechteckige, unten abgerundete, nach vorn etwas geschweifte Platte aus hartem Holz an, die mit Hirschhornplättchen belegt war, um das Brechen derselben unter dem Stoß der Stechstange zu verhüten. Dunkel gefärbtes Kalbleder, mitunter auch ein mit der Rossdecke in der Farbe übereinstimmender Stoffbezug verhüllte das Gefüge der Tartsche.

 

Unsere Inventare führen mehrere Gattungen von Tartschen an: die vergäderte, vergaderte, gäderte, d. i. gegitterte — um das Abgleiten der Rennstange zu verhindern — Renntartsche, auch Renntartschar genannt, und die Stechtartsche.

 

Der Faustschild (rondelle, brochiero), welcher in den Ländern romanischer Zunge seit alters her vielleicht als ein Überbleibsel orientalischer Einflüsse im Gebrauch war, erwarb sich endlich im 14. Jahrhundert in Deutschland gleichfalls Freunde, wo man mit ihm allerdings nur im Fußkampf des Gegners Streiche zu parieren suchte. Das Rüstmeister-Vokabular nennt ihn tartsche oder tertschl; als eine ganz leichte Gattung dieser Art von Schilden erwähnt das Inventar A die targe, einen mit Büffelleder überspannten Rundschild aus Flechtwerk, welcher sein verfeinertes Analogon in dem türkischen kalkän oder der daräke findet, dessen konzentrisch angeordnete Kreise aus Ruten vom Feigenbaum Silber- und Seidenschnüre zusammenhalten, wodurch eine ebenso feste, wie leichte und höchst geschmackvoll aussehende Faustwehr geschaffen wurde.

 

Außerdem kennen die Inventare den Stechschild und das custodier zum sturme. Der erstere charakterisierte sich durch eine schmale, lange Gestalt, welche, ähnlich wie bei der Pavese, ein Grat durchzog, in welchem die eiserne, in spitze Enden auslaufende Tragstange steckte; letzteres war vermutlich ein mit Stacheln an Faust und Ellenbogen bewehrter, mit einer Stoßklinge versehener Armschild aus Holz, etwa demjenigen ähnlich, welcher im königlichen Historischen Museum in Dresden im Kriegswaffensaal aufbewahrt wird.

 

So eigenartig auch diese Formen von Schilden beim ersten Anblick erscheinen mögen, so verständlich wird uns ihre Verwendung, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass der über die Mauertrümmer der Bresche kletternde oder auf der Sturmleiter emporklimmende Soldat sich einerseits gegen Wurfgeschosse aller Art durch einen Schild schützen musste, andererseits aber in der rechten Faust keine Blankwaffe führen konnte, da er der Hand notwendig zum Festhalten bedurfte. Um nun den Stürmenden seines Charakters der Wehrlosigkeit zu entkleiden, verband man die reine Defensivwaffe, also den Schild, mit einer Offensivwaffe, also mit einer Stoßklinge oder einem Stachel. Jetzt brauchte der Mann sein Schwert erst in dem Augenblick zu zücken, wenn er auf der Mauer droben stand, da ihm während der mühseligen Kletterei ein Stoß mit dem klingenbewehrten Armschild immerhin etwas Luft schaffen mochte.

 

Soweit wir auch in der Geschichte zurückblicken mögen, allenthalben war das Pferd dem Menschen ein treuer, hilfreicher Gefährte im Frieden wie im Krieg. Es war daher nichts natürlicher, als dass der Kriegsmann, so wie er seinen eigenen Körper unverwundbar zu machen suchte, auch bemüht war, das Streitross, welches gewissermaßen ein Stück seines Selbst bildete, von dessen Unverletzlichkeit des Reiters Wohl und Wehe, der Sieg über den Gegner nicht zum geringsten Teil mit abhing, nach Möglichkeit gegen die feindliche Waffenwirkung zu schirmen. Der Mangel einer ausreichenden Schutzrüstung für das Ross kam bekanntlich der französischen Ritterschaft bei Crécy (1346) und bei Poitiers (1356) sehr teuer zu stehen, und die Bilder in der Chronik von Froissard stellen es sehr lebendig dar, wie die von den Pfeilen der englischen Bogenschützen verwundeten Streitrosse durch ihr wildes Umsichschlagen die Verwirrung in den Reihen der Franzosen vermehren.

 

Vom Beginn des 13. Jahrhunderts an hielt die Ausgestaltung des Rossharnisches mit dem Mannesharnisch so ziemlich gleichen Schritt. Begnügte man sich anfänglich bei diesem mit einem ledernen Leibrock, welcher nach und nach durch Plättchen, Schuppen, aufgenähte Ringe verstärkt, endlich durch das Maschenpanzerwerk verdrängt wurde, so lässt sich diese stufenweise Entwicklung auch bei des Rosses Schutzrüstung, dem gereite, der isercovertiure (cooperatura), mitunter geradezu die iserin genannt, dem pfertklaid verfolgen.

 

Ursprünglich hüllte man den Gaul in eine von den Nüstern bis zum Schwanz reichende lederne Decke ein, welche man Parsche nannte. Über diese erst lederne, dann später aus Maschenpanzerwerk bestehende Schutzhülle des Rosses zog man ein weites faltiges Schleppkleid, den sakh des Inventars A. Dieser farbige Behang diente jedoch nicht nur Zwecken des Schmuckes; er milderte das dem Ohr unangenehme, durch die gegenseitige Reibung der Eisenringe hervorgerufene Rasseln und trug zur Erhaltung des Harnisches wesentlich bei: denn bei regnerischem Wetter drang das Wasser zwischen den auf der Lederunterlage festgenieteten Plättchen oder Ringelchen ein, begünstigte also das Rosten derselben und verdarb auch die ledernen Parschen, welche sehr leicht beim Trocknen einschrumpften. Das lange Kleid gewährte endlich auch einigen Schutz gegen Pfeile und Bolzen, die sich in den weiten, flatternden Falten desselben gar nicht selten verfingen.

 

So blieb es mit wenigen Wandlungen bis um die Mitte des 14. Jahrhunderts, da der Plattenharnisch sich das Feld eroberte; flugs bürdete man dem Streithengst neben dem Gewicht des gewappneten Mannes noch die Last des Rossharnisches aus Eisenplatten auf, welcher ein voller (Tonnenharnisch) genannt wurde, sobald die eiserne Rüstung das Ross vollständig umhüllte; bestand dagegen die Rüstung bloß aus einzelnen eisernen Schienen, so sprach man von einem durchbrochenen Rossharnisch. Wie schmerzhaft die grellen, von der blinkenden Eisenrüstung zurückgeworfenen Lichtreflexe das Auge des armen überbürdeten Pferdes berühren mussten, das bedarf wohl keiner besonderen Versicherung.

 

Schon zu der Zeit, da man sich mit Parschen aus Leder oder aus Kettengeflecht begnügte, suchte man den Kopf des Rosses, welcher ja den Streichen des Gegners am meisten ausgesetzt war, zu schützen, indem man ihn in den Rosskopf einhüllte, dessen Vorläufer das guegerel (chamfrein), ein kapuzenartiger Kopfüberzug war. Unsere Listen zählen an Rossköpfen auf: Den Rosskopf schlechthin, welcher Stirn und Kinnbacken des Pferdes deckte; dann das hauptstierl oder sturl, also die halbe Stirn, welche nur bis zu den Augen reichte und das Nasenbein halb bedeckte. Die kanz oder der pantzerne rosshals schirmte des Pferdes Hals, dessen Brust man im deutschen Gestech durch den Stechsack schützte, einem eigentümlich geformten und mit Stroh ausgepolsterten Kissen von grober Leinwand, welches am Sattel mittels Gurten befestigt war. An Sätteln, den «Heersesseln der Helden» (Berwulf 1050), welche ein zweifacher Gurt, der eigentliche Bauchgurt, darmgürtel, und der diesen deckende, schön gestickte Übergurt, surzengel (subcingulum) in unverrückbarer Lage am Ross erhielt, kennen unsere Listen den turnay satl mit hoher Vor- und Rückenlehne, den hoch stecksatl, endlich den khüress satl, welcher auch fechtsatl genannt wird und der sich durch einen Leder- oder Samtüberzug auszeichnete. Großen Nachdruck legte man in den Kampfspielen auf die gleiche Höhe der Sättel und der Turnierrosse, wobei noch ausdrücklich auf das Unstatthafte aufmerksam gemacht wird am Zaum, Sattel oder an der sonstigen Ausrüstung des Rosses irgendetwas anzubringen, des stech oder sneyd. In dem Inventar C bietet sich der eine der Kämpen zu folgendem an.

 

Item wil ich zwen gleich sättel furlegen mit aller zugehörung, der ainen soltu nemen, mit nichte verändern, sunder also beieiben lassen. Dann heißt es weiter: Es sol mein ross deins ross hoch haben.

 

Einen verhältnismäßig engen Rahmen nehmen in Lebers Rüstmeister-Vokabularium im Gegensatz zu den Schutzwaffen die Angriffswaffen ein. Unter den Blankwaffen erwähnen die Inventare das swert schlechthin, also das lange deutsche Reiterschwert, welches die Listen von 1500 an das khürisswert heißen. Die Vorläufer der Panzerstecher, die pfriemenartigen, drei- oder vierkantigen langen Stoßschwerter, welche am Ende des 14. Jahrhunderts eingeführt wurden, als die breiten und biegsamen Klingen des alten Reiterschwertes an dem nun durch Platten verstärkten Lentner machtlos abprallten, traten als perswert, pörswert, pratspiss auf, während wir unter dem schürtzer des Inventars vom Jahre 1562 wohl den eigentlichen Panzerstecher verstehen dürfen.

 

Endlich wird des Rapiers und der dusegkhe, tyseckhe, gedacht, des eigenartigen Säbels, welcher weniger auf dem Feld der Ehre, als auf dem Fechtboden gebraucht wurde. Wie in der Pavese, so will man auch in der Dusägge eine tschechische Nationalwaffe, tesäk, erblicken; doch könnte sich ihr Name auch von dem althochdeutschen tusic, stumpf, oder von twoseax. Doppelmesser, ableiten.

 

Wenn die älteren Inventare von degen sprechen, so meinen sie darunter immer nur den Dolch. Im Inventar B heißt es zum Beispiel: Item die wer sol seyn ein swert, das man nennt ein pratspiess, das sol nit sneiden, vnd ain degen, und im Inventar D wird die Ausrüstung in folgender Weise verabredet: Item dy wer sol seyn: Swert, degen vnd ein spiess. Der moderne Begriff Dolch für eine Blankwaffe wird erst vom 16. Jahrhundert an üblich und lässt sich auf doln (fühlen), tolg (Wunde) oder dollich (von Schmerzen ergriffen sein), gotisch thulan (von etwas Schlimmem berührt werden) zurückführen, wobei wieder der Begriff von der Wunde auf das Werkzeug selbst, welches diese schlägt, überging.

 

An Schlagwaffen, welche ja niemals als eigentlich ritterliche Waffen im strengsten Sinne des Wortes angesehen wurden, zählen unsere Listen nur die mordhacke und den khürissbengel auf, während von Stangenwehren der reisspies, das schäfflin, auch archegaie, zagaye genannt, angeführt erscheinen. Das Schefflin war eine Art Wurfspieß, dessen langes, geripptes, aber sehr dünnes und daher außergewöhnlich leichtes Spießeisen an einem dünnen über 1,5 m langen Schaft befestigt war; Leinwand oder feines Leder umgab den Schaft, welcher an seinem unteren Ende, dem hinderst ort, eine Befiederung trug. Erwähnenswert ist, dass die Schäfte der Stangenwaffen wiederholt mit heißem Öl angestrichen wurden, um ein Werfen des Holzes zu verhüten. Wie die Helmbarte und die Partisane, so kennt das Inventar von 1562 auch eine ganze Menge von Feuerwaffen, welche jedoch hier keine nähere Erwähnung verdienen, da nur Bekanntes wiederholt werden müsste.

 

Noch viel des Lehrreichen bietet Meister Lebers verdienstvolles Werk, zu dessen eingehenderer Würdigung die hier gebotene Skizze anregen soll. Wenn auch seit seinem Erscheinen mehr denn 50 Jahre verflossen sind, so birgt es, wie so viele ältere Arbeiten auf diesem Gebiet aus neuerer und neuester Zeit, unter welchen diejenigen von Mitgliedern unseres Vereins nicht den letzten Rang einnehmen. wahre Schätze für die historische Waffenkunde. Und so wie das lang verkannte Aschenbrödel des Märchens sich endlich in eine jugendfrische Prinzessin verwandelte, so möge auch das vernachlässigte Stiefkind der Kulturgeschichte, die historische Waffenkunde, zu einer hehren, kräftigen Maid sich entwickeln, welche uns mahnt, liebevoll die Erinnerung an die Geschichte unseres waffenfrohen Volkes zu pflegen und mittelbar damit auch die Begeisterung für deutschen Ruhm und deutsche Größe!

 

Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 4. Dresden, 1900-1902.