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Kette für die Jagd aus Thüringen

Jagdkette.
Jagdkette.

Die Abbildung gibt eine Kette wieder, welche die Herzogl. Kunst- und Altertümer-Sammlung auf der Veste Coburg aufbewahrt. Nach der Überlieferung ist sie eine auf der Jagd gebrauchte «Fangkette». Jedenfalls lässt sich mit dieser Bezeichnung keine irgendwie befriedigende Vorstellung von dem Gebrauch des Gegenstandes verbinden. Die reichen Hilfsmittel, welche gerade die Veste Coburg für die Geschichte der Jagd dem Forscher bietet, lassen hierbei den Fragenden völlig in Stich. Vielleicht weiß einer der Leser das Rätsel zu lösen.

 

Die Kette ist 7 m und 58 cm lang. Jedes Glied hat eine Länge von 4 und eine Breite von 1 cm. Sie sind so aneinandergefügt, dass ein 7 mm langer, mit dem Glied selbst aus einem Stück gearbeiteter, ungefähr keilartiger Ansatz in einen entsprechend geformten Einschnitt des nächsten Gliedes eingeschoben ist und durch einen gut vernieteten Stift so festgehalten wird, dass wohl eine Bewegung nach auf und nach abwärts, nicht aber nach den Seiten erfolgen kann.

 

Diese bedingte Bewegungsmöglichkeit dürfte bei der Erklärung vor allem zu berücksichtigen sein. Die beiden Enden der Kette sind mit birnförmig gebogenen Ösen versehen. An der kleineren von beiden ist ein starker Lederriemen befestigt, der 1 m lang und vielfach durchlocht ist. Das andere Ende des Riemens ist durch die Öse eines Instrumentes so durchgezogen, dass jeden Augenblick leicht eine Lösung beider bewirkt werden kann.

 

Dieses Instrument mm ist eine Art Messer, 21,5 cm lang, 2,7 cm breit. Der Rücken ist 11 mm breit und hat in seiner ganzen Längsausdehnung eine 5 mm tiefe und ebenso breite Rinne. Die Schneide ist jetzt vollständig stumpf und kann überhaupt niemals besonders scharf und fein gewesen sein. Am hinteren Ende des Messers ist jene vorhin erwähnte Öse, die übrigens in der Mitte der Biegung ein Scharnier hat und also auseinander geklappt werden kann, mittels einer Schraube angebracht.

 

Aus der Spitze ist der obere Teil rechtwinklig ausgeschnitten. Dadurch wird die eine Backe einer Art Beißzange gewonnen, während die andere an dem ganz regelmäßig gebildeten Zangenschenkel angebracht ist, der, mit einem vernieteten Stift an dem Rücken des Messers befestigt, mittels einer von seinem Ende aus nach der Rinne laufenden Feder in die Höhe gedrückt werden kann. Die Backen sind innen nach vorn zu leicht gerieft, um festeres Halten zu ermöglichen.

 

Was hat nun diese Vereinigung von Messer und Zange in Verbindung mit der Kette zu bedeuten? Welcher Zeit mag dieses «Jagdgerät» entstammen? Gern dächte man an die letzten Jahrzehnte des 16. und die ersten des 17. Jahrhunderts, also an jene Zeit, wo Herzog Johann Casimir (gest. 1633) so eifrig das Jagdwesen in thüringischen Landen ausbildete, aber ein Beweis dafür lässt sich zunächst nicht erbringen.


Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 5. Dresden, 1900-1902.


Antwort auf die Frage: Der Abbildung und Beschreibung nach hat die fragliche Kette mit Riemen und Zangenmesser dazu gedient, den Schweißhund auf der Nachsuche nach einem kranken Stück Wild zu führen. Die Anwendung des Gerätes denke ich mir folgendermaßen: Der starke Riemen wurde von dem Jäger um den Leib geschnallt (darauf hin deutet auch die Durchlochung des Riemens, die Schnalle freilich wäre danach wohl im Laufe der Zeit verloren gegangen), und zwar so, dass die Kette an der linken Körperseite des Jägers herniederhing, während sich das Zangenmesser, das ja infolge der weiten Öse desselben auf dem Riemen freilaufend hin- und hergeschoben werden konnte, vorn, griffbereit befand. Das freie Ende der Kette wurde nunmehr am Halsband des Hundes durch den Ring, der, wie aus alten Abbildungen ersichtlich, stets sehr groß war, gezogen, und die Öse in der Zange am Messer fest eingeklemmt. —

 

Auf diese Weise betrug die Entfernung vom Jäger zum Hund, da die Kette 7,58 m lang ist, 3,79 m, also durchaus nicht zu viel. — Wurde nun der Jäger auf der Suche des kranken Stückes ansichtig, so genügte ein Druck auf den abstehenden Schenkel der Zange, um die Kette freizugeben; der Hund wurde durch dieselbe nicht mehr zurückgehalten, da sie durch sein Fortstürmen aus dem Ring des Halsbandes gezogen wurde, und konnte das Wild stellen.

 

Die Kette bietet zu diesem Zweck große Vorteile. Denn da sie infolge der sinnreichen Konstruktion ihrer einzelnen Glieder zwar nach oben und unten, nicht aber nach den Seiten hin beweglich ist, so konnte sie zwar vom Jäger zum Hund und zurück gezogen werden, so dass sie am oder im Halsbandring ein Knie bildete, ein plötzliches seitliches Abbiegen aber war dem Hund unmöglich, da er wie an einer Stange ging. Dadurch wurde das Schleifen des Jägers um Bäume herum, wie es bei einem starken und hitzigen Hund meist der Fall ist, und wobei schon mancher Jäger «Haare lassen» musste, so gut wie unmöglich, denn das Abbiegen des Hundes wurde entweder verlangsamt, oder der Jäger durch die stangenfest stehende Kette, die wie ein Hebel wirkte, dessen Drehpunkt der Baumstamm war, schon vorher zur Seite gedrängt. —

 

Es bleiben nun noch einige Worte über das Zangenmesser selbst zu sagen übrig. Dass die Zange tatsächlich den Zweck hatte, die Öse der Kette festzuklemmen, scheint mir deshalb wahrscheinlich, weil die Backen derselben nach vorn zu gerieft sind, wodurch ein viel festeres Halten ermöglicht wird. Die Rinne auf dem Rücken des Messers diente wohl der Feder des Schenkels als Laufrinne, oder sie ermöglichte ein besonders tiefes Herunterdrücken des Zangenschenkels.

 

Aber wozu nun das Messer überhaupt, da doch diese Funktionen alle von einer Zange allein ebenso gut verrichtet werden konnten? — Eine Erklärung hierfür ergibt sich für mich daraus, dass die Öse, mit welcher das Messer an dem Riemen befestigt ist, mit Hilfe eines Scharniers auseinander geklappt, also durch einen Handgriff das Messer vom Riemen gelöst werden konnte. Musste also der Jäger auf der Nachsuche dem Hund einmal durch allzu undurchdringliches Dickicht folgen, so brauchte er nur das Messer vom Riemen zu lösen. Hielt er es dann, etwa in Gesichtshöhe, vor sich hin, so wurden die Äste, die seine Augen bedrohten, einfach abgeschnitten, da der drängende Hund dem Messer die nötige Vorwärtsbewegung gab, — während er es immer noch in der Hand hatte, durch einen Fingerdruck (der Daumen kam bei dieser Haltung des Messers auf den Zangenschenkel zu liegen) den Hund sofort von der Kette zu lösen. Dafür, dass das Messer wohl kaum zu etwas anderem benutzt worden ist, als um hindernde Äste damit abzuschlagen, spricht auch die geringe Feinheit der Schneide desselben. Und wenn die Überlieferung sagt, dass die Kette auf der Jagd als «Fangkette» gebraucht worden sei, so deckt sich dies vollkommen mit obigen Ausführungen.


Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 6. Dresden, 1900-1902.