Bei jedem Fortschritt in der Technik der Fernwaffen pflegt der Gedanke der beweglichen Deckungen aufzutauchen, und die neuerdings bei unserer Feldartillerie gemachten Versuche haben zahlreiche Vorgänger, die allerdings großenteils über das Stadium theoretischer Erörterung nicht hinausgekommen sind. Das aus dem Altertum übernommene Problem des fahrbaren Schirmes, das in den Ikonographien des 15. Jahrhunderts eine so große Rolle spielt und wenigstens in den Katzen des mittelalterlichen Belagerungskrieges praktische Bedeutung gewonnen hat, spukt noch Ende des 18. Jahrhunderts.1
Seine beweglichste, auf den Einzelkämpfer zugeschnittene Form ist die der Pavese, des Setzschildes. Sie war die notwendige Folge der Einführung der Armbrust, die bei ihrer umständlichen Handhabung eine Deckung des Schützen erforderte, ein Anschmiegen an das Gelände aber durch ihre Form erschwerte. Als bestes Auskunftsmittel bot sich der römische Türschild dar, durch unten angebrachte Spitzen zum Feststellen geeignet und mit Schießscharten versehen. Eine merkwürdige späte Belebung fand diese Idee bis auf den Fußstachel durch Seume in seiner Schrift «Lieber Bewaffnung», welche die beiden ersten Glieder der Infanterie mit solchen Schilden zu bewaffnen vorschlägt.2 Köhler, der ihn zuerst 1241 beim Mongoleneinfall als vorschriftsmäßige Bewaffnung jedes Besitzers von drei Mark Einkünften erwähnt findet (Monumenta Germaniae Leges IV), spricht die Ansicht aus, der Setzschild habe sich bei den germanischen Völkern nicht eingebürgert wegen der Gewöhnung an langstielige Hiebwaffen.3
Es sei mir verstattet, einige verstreute Zeugnisse für die gewohnheitsmäßige Verwendung in Mitteldeutschland anzuführen. Ihre Beschaffenheit wird durch eine Anzahl wohlerhaltener Exemplare erläutert, die im Verlauf des 14. Jahrhunderts angefertigt in den Kämpfen der Stadt Erfurt gedient haben.4 Wie hier erscheint der Setzschild in einer Anzahl archivalischer Nachrichten aus dem Ende des 15. Jahrhunderts vorzugsweise als Ausrüstung der Landfolge wie die Armbrust, die ja damals immer noch das Übergewicht über die Feuerwaffe behauptete. Der 1475 vom Kloster Berge vor Magdeburg zum Zuge nach Neuss gestellte Rüstwagen ist u. a. duobus clipeis pavoise dictis versehen.5 Das Landbuch der Abtei Zinna schreibt 1480 den berittenen Hufnern der Klosterdörfer Panzer, Eisenhut, Schwert und Spieß vor, den Kossäten nur Armbrust und Schild, «welcher gemeinlich eine pamphose wird genennet».6 In ähnlicher Entstellung erscheint das Wort 1487 in Jüterbog, wo sich die Bürger nach dem Befehl des magdeburgischen Landesherrn mit Paphosen rüsten sollten. Die dadurch nahegelegte Verwechslung hat einen modernen Autor zu der Erklärung als mit Pappe oder Lumpen gefütterte Pumphosen veranlasst.7 Auch in dem Städtchen Laucha in einem Seitental der Unstrut wird im gleichen Jahr als bürgerliche Rüstung Hut, Krebs, Armbrust und Pofeise vorgeschrieben.8 Noch 1498 zählt das Inventar des Schlosses Querfurt vierzehn große Setztartschen auf.9 Allerdings pflegen solche Inventare Urväter-Hausrat gewissenhaft fortzuschleppen. Praktische Verwendung dagegen fanden diese Kriegsgeräte bei dem misslungenen Sturm der Brandenburger auf das pommersche Garz 1479. Markgraf Albrecht, dessen Heer zum großen Teil von den Trabanten — Fußgängern — der Städte gebildet wurde, bestellte auf jeden der beiden Sturmhaufen von 1000 Mann 50 mit Leitern und 50 mit Setztartschen und Körben.10
1 Jähns Geschichte der Kriegswissenschaften S. 2739.
2 Ausg. 1839 Bd. VIII.
3 Kriegswesen IIIA S. 103.
4 Jetzt im städtischen Museum. Vgl. Mitteilg. d. Vereins f. G. d. Stadt E. I.
5 Magdeburger Geschichtsblätter XII S. 177.
6 Ebda. XXI S. 421.
7 Heffter Chronik von J. S. 222.
8 Deponiertes Archiv im Staatsarchiv Magdeburg No. II5.
9 St.-A. Magdeburg Urkunden Querfurt No. 46.
10 In v. Ledebur Allg. Archiv I. S. 263.
Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 6. Dresden, 1900-1902.