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Studienmaterial zur Geschichte der Mittelalterwaffen

Von Dr. R. Forrer, Straßburg.

 

Eine bekannte Sache, dass Kostüme und Waffen sehr wichtige Alterskennzeichen zur Datierung alter Pergamentminiaturen, Manuskripte, Gemälde, Fresken und dergleichen mehr abgeben. Ebenso bekannt ist aber auch, dass eben derlei Denkmäler, seien sie aus Stein, Holz, Pergament oder Papier, für die Waffenkunde selbst oft unschätzbar wichtig sind, denn sie ergänzen die vielfach nur noch fragmentarisch erhaltenen Originale — in manchen Fällen sind wir sogar ganz auf jene bildlichen Darstellungen angewiesen, d. h. fehlen Originale gänzlich und geben uns einzig und allein jene Denkmäler Aufschluss über Form und Handhabung gewisser Waffen.

 

Was bleibt uns zum Beispiel an tatsächlichen Kenntnissen über die Form der karolingischen Helme übrig, wenn wir von dem absehen, was wir in dieser Hinsicht aus den alten Miniaturen lernen können? Was wüssten wir, um eine näher gelegene Zeit heranzuziehen, über die Handhabung der ersten Feuerwaffen und die Art und Weise ihrer Aufstellung vor dem Feind, wenn nicht alte Miniaturen und Handzeichnungen uns zahlreiche Abbildungen geschäfteter Feuerrohre, Darstellungen der Geschützschutzwände usw. erhalten hätten.

 

Ist nun der Wert der alten Miniaturen etc. für die Waffenkunde ein unbestrittener, so muss doch konstatiert werden, dass immer noch nicht unter diesem Gesichtspunkt an eine Sammlung solcher Dokumente gedacht worden ist. Die Waffenwerke ziehen die Miniaturen nur als Notbehelf heran, und wer sich mit ernsten Waffenstudien beschäftigt, muss notgedrungen zu einer Unzahl anderer Publikationen greifen, wenn er ein größeres Vergleichsmaterial aus ein- und derselben Zeit haben will.

 

Manches findet man in Kostümgeschichtswerken, aber in diesen ist im Allgemeinen der Waffenkunde ein beschränkter Raum zugewiesen und leider geben zahlreiche Kostümwerke nicht die alten Kostümquellen im Faksimile, sondern in modernisierter Überarbeitung, was zwar oft recht schön aussieht, aber kritischen Studien einen Riegel vorschiebt. So ist es bei vergleichenden waffengeschichtlichen Studien nur in den seltensten Fällen möglich, Waffenwerke und Kostümgeschichtswerke allein zur Hilfe zu ziehen — man muss noch eine Unmenge anderer Publikationen durchblättern, Werke, welche alte Grabdenkmale wiedergeben, Bücher, welche mittelalterliche Miniaturen reproduzieren, Schriften, welche alte Siegel, Brakteaten, alte Wappen usw. veröffentlichen.

 

Da scheint es mir an der Zeit, dass die «Zeitschrift für historische Waffenkunde» auch dem gerügten Mangel allmählich abhilft, indem sie immer mehr zu einem Archiv sich ausgestaltet, in welchem alle waffengeschichtlich merkwürdigen oder lehrreichen Bildwerke, seien sie in Stein, Holz oder Pergament etc., genau faksimiliert wiedergegeben werden.

 

Prächtige Anfänge sind in dieser Richtung ja bereits gemacht; ich erinnere nur an die vielen so überaus instruktiven Faksimiles alter Handzeichnungen in den wertvollen Aufsätzen unseres Mitgliedes P. Sixl. Aber, was ich erstreben resp. vorschlagen möchte, geht weiter: Dergleichen Material soll in dieser Zeitschrift gesammelt werden auch wenn es gar nicht gerade den einen oder den anderen Aufsatz zu illustrieren bestimmt ist. So soll es nicht dem Moment dienen, sondern der zukünftigen Forschung die Wege ebnen!

 

In diesem Sinne gebe ich von nun an eine Folge von Beiträgen, welche Denkmäler der oben angedeuteten Art veranschaulichen, teils bisher ganz unbekannte, unedierte, teils auch solche, welche in wenig bekannten und wenig verbreiteten Publikationen unter anderen Gesichtspunkten veröffentlicht worden sind, aber auch hier unser Interesse beanspruchen. Vielleicht folgen Kollegen von der Waffenkunde meinem Beispiel und stellen in ähnlich gedrungener Behandlung (genaue Faksimilierung mit kurzem Text, der die nötigsten Daten gibt) das ihrerseits gesammelte Studienmaterial der Redaktion dieser Zeitschrift zur Verfügung.1

 

Dass, wie überall, so auch hier, kritische Auswahl zu treffen ist, ist klar, denn ob Kupferstich, ob Miniatur oder ein anderes Denkmal, stets muss man sich die Frage vorlegen, wie weit die Darstellung auf der einstigen Wirklichkeit basiert und wie weit eventuell der Autor dabei seiner Fantasie die Zügel hat schießen lassen. Jeder weiß, wie Dürer und andere Künstler in dieser Hinsicht (vom waffengeschichtlichen Standpunkt aus) «gesündigt» haben, indem sie teils damals bestehende Waffenformen fantastisch umbildeten, teils damals nicht mehr in Übung befindliche Waffentypen heranzogen und gleichfalls fantastischer Ausgestaltung unterworfen haben (ich erinnere nur an die Dürerschen Bacinets!).

 

Wie ich schon in meiner kürzlichen Besprechung der Teppichentwürfe des «Trojanischen Kriegs» nahegelegt habe (Z. f. hist. Waffenk. I. p. 317), geschahen diese Umformungen bald im Bestreben, den im Gewand der Zeit dargestellten Personen dadurch einen archaischen Charakter zu geben, sie damit zu Figuren des Altertums zu stempeln, bald im Bestreben, damit die abgebildeten Gestalten als «Türken», «Römer», «Trojaner» usw. zu charakterisieren. Diese Versuche sind im 16. Jahrhundert allgemein unter den damaligen Künstlern Übung geworden, kommen seltener schon im 15. Jahrhundert zur Erscheinung und fehlen in noch früheren Jahrhunderten fast gänzlich.

 

Es ist für uns ein Glück, dass es so und nicht anders ist, da uns aus dem 16. Jahrhundert blanke Waffen ja noch in großen Mengen erhalten sind, wogegen Originale immer seltener werden, je mehr wir vom 15. Jahrhundert abwärts zurückgehen; so sind wir beim Mittelalter auf alte Miniaturen und ähnliche Bildwerke als waffengeschichtliche Quellen gezwungener Weise förmlich angewiesen und dürfte also eine Mehrung des Vergleichsmateriales nur willkommen sein.

 

1 Die Schriftleitung braucht wohl kaum zu versichern, wie sympathisch ihr der Vorschlag des Herrn Verfassers ist. Möge der dankenswerten Anregung eifrig Folge gegeben werden! Gleichzeitig möchte sie darauf hinweisen, dass von ihr — ob im Zusammenhang mit der Zeitschrift oder nicht, lässt sich noch nicht sagen — ein Atlas des mittelalterlichen Waffenwesens geplant ist, dessen Grundgedanke sich mit dem berührt, was Herr Dr. Forrer hier ausführt.


Fig. 1.
Fig. 1.

 

1. Die Goliath-Miniatur in den Münchener «Davidis Psalmi» des XIII. saec.

 

Waffengeschichtlich von ganz außerordentlichem Wert ist die Figur des Goliath in den Davidis Psalmi des XIII. saec. der Münchener Kgl. Hof- und Staatsbibliothek (Kod. cum pict. 61. Kod. lat. 3900), abgebildet in dem schönen, aber seltenen Werk L. v. Kobells «Kunstvolle Miniaturen und Initialen» (München, W. Albert) auf Taf. 19.

 

Das Blatt zeigt König David die verschiedensten Instrumente spielen, unten rechts ihn als jungen Hirtenknaben gegen den schwer gerüsteten Goliath die Schleuder erheben; in der Mitte oben sehen wir Davids Krönung, darunter die Szene, wo er dem Goliath das Haupt abschlägt. Zur Geschichte der mittelalterlichen Musikinstrumente mögen die ersterwähnten Bilder sehr interessant sein, für uns kommen hier nur die zwei Darstellungen in Betracht, auf denen Goliath jedes Mal in detailliert gezeichneter Rüstung erscheint. In der kleinen Eckminiatur, auf welcher David den Stein schleudert, erhebt Goliath gegen David seinen Speer und schützt sich durch einen oben breiten und stark gewölbten Schild. Goliath trägt einen Topfhelm, einen Ringpanzer mit breitem Ledergürtel und ein Schwert, an den Knien durch Lederriemen festgehaltene Kniescheiben (Kniebuckel)

 

Besonders wichtig ist die große Mittelfigur, welche die dem Kampf folgende Enthauptung des Riesen darstellt (vergl. Fig. 1). David hat das ungeheure Schwert des Gegners aus dessen Scheide gezogen und erhebt mit beiden Händen das Schwert zum Schlag (beachtenswert am Schwert das abgerundete Klingenende, die entwickelte Parierstange und der breite Knauf), Goliath hat auf diesem Bild den Topfheim verloren und gewährt uns damit einen Einblick in ein nur äußerst selten sichtbares und uns in Originalen aus dieser Zeit noch ganz fehlendes ritterliches Kleidungsstück, die Polstergugel.

 

Es ist das jenes Rüststück, welches mit oder ohne Kettengugel über den Kopf gestülpt dem Topfhelm als Unterlage diente; es war bestimmt, dem Helm einen festen Sitz zu geben und die Wirkung des auf jenen geführten Hiebes, die Erschütterung, abzuschwächen. Gewöhnlich ist dieses Rüststück auf Bildwerken nicht sichtbar, da es als «Helmpolster» beim fertig gerüsteten Kriegsmann entweder unter dem Topfhelm verborgen sitzt oder, wenn kein solcher, sondern nur ein Kopfhaubert getragen wurde, unter diesem direkt auf dem Kopf befestigt wurde. Es ist dasselbe Rüststück, wie es später noch beim Turnierzeug sich erhalten hat und dürfte wohl große Ähnlichkeit mit der «Harnischkappe» des 15. Jahrhunderts gehabt haben, welche W. Boeheim in seiner «Waffenkunde» abbildet und mit folgenden Worten beschreibt: «aus doppeltem mit Werg gefüttertem Zwilch, der an den Rändern noch durch Riemen verstärkt wird».

 

Auch die Helmgugel des Münchener Goliath ist ersichtlich an den Rändern zur Verstärkung eingefasst; ob aus Leder oder aus Leinenzwillich bestanden und ob mit Eisenringen besetzt, muss dahingestellt bleiben (beachtenswert ist, dass die Fußbekleidung des Goliaths in gleicher Weise dargestellt ist). Ob der Haubert sich unter jener Gugel über den Kopf fortsetzt oder schon am Hals aufhört, bleibt ebenfalls eine offene Frage.

 

Beachtenswert sind ferner der in drei Teile endigende Ledergürtel, die mit Scheidenkappe verstärkte Schwertscheide, der von innen gesehene Schild, die Wehrstrümpfe aus anscheinend ringbelegtem Leder und endlich die eisernen Kniebuckel, die auf den Hosen festsitzen und allem Anschein nach nicht wie im ersterwähnten Bild durch Riemen gehalten werden, sondern auf den Stoff aufgenäht sind.


Fig. 2.
Fig. 2.

 

2. Eine Auferstehungsminiatur mit Centaurenkampf der Zeit um 1300, aus der Sammlung Forrer.

 

In meiner Sammlung mittelalterlicher Pergamentminiaturen besitze ich u. a. ein italienisches Antiphonarienblatt der Zeit um 1300, mit großer Darstellung der Auferstehung Christi als Schmuck der Anfangsinitiale R (Resurrexi) und mit reichem figuralen Bordürenschmuck. Christus entsteigt prunkvoll gekleidet der Gruft und schwingt die langgestielte Erlöserfahne (weißes Kreuz auf rotem Feld), deren Form ich hier abbilde (Fig. 2 a). Oberhalb Christi, in einer Ornamentspirale, sitzt ein Engel, unten eine Menschenfigur mit übermäßig hoher Stirn — Personifikationen des Guten und des Bösen.

 

Uns interessieren hier die Gestalten der untern Querbordüre (Fig. 2), welche bewaffnete Unholde zeigen. Der eine, links (in grüner Jacke), interessiert uns durch das schön gezeichnete Schwert mit breiter Parierstange und großem, breitem Knauf, sowie durch den prächtigen (fleischfarbenen) Schild, dessen Verzierung Beachtung verdient. Der Zentaur, der gegen den großen schwarz-weißen Vogel vorgeht (und von diesem anscheinend nicht gerade als besonders gefährlich erachtet wird), hat dieselbe übermäßig hohe Stirn, wie die oben erwähnte Figur; er ist mit einer ovalen Tartsche (mit Hand- und Armfessel) und mit einem Schwert bewaffnet, das sich durch breite, wuchtige Klinge und entsprechend gewaltigen Knauf auszeichnet.

 

Wichtig ist aber das Kolorit des Zentauren, der nach Art der heraldischen Gewänder mi-parti bemalt ist: Unterteil und rechte Jackenhälfte zinnoberrot, Oberteil des Leibes grün und Bauchpartie nebst hinterer Jackenhälfte fleischfarben. Dieser mi-parti Tracht entspricht nun auch eine mi-parti Musterung des Schildes, dessen Rand abwechselnd fleischfarben und grün bemalt ist.

 

Wir haben hier also durchgeführte «heraldische Livree». Auch der bogenschiessende Engel (als Verteidiger des Guten) trägt mi-parti Tracht, und zwar zinnoberrot und blau, die Farben, welche auch der oben erwähnte Engel der R-Initiale aufweist. So steten sich hier die grüne und fleischfarbene Couleur der Unholde und die zinnoberrot-blaue Couleur der Vertreter des Guten gegenüber — zweierlei «Uniformen».


 

3. Eine Schachfigur der Zeit um 1200 aus der Sammlung Hanns Graf Wilczek.

 

Wem es vergönnt gewesen ist, einen Blick in die an Kunstschätzen so reichen Schlösser des Grafen Wilczek zu tun, weiß, welch ein Schatz an waffengeschichtlich wertvollem Material dort zukünftigen Geschlechtern zum Studium aufgespeichert liegt. Heute will ich nicht der auf dem prächtigen Schloss Kreuzenstein aufgestellten unermesslichen Schätze an Mittelalterwaffen gedenken, sondern einer elfenbeinernen Schachfigur, welche Excellenz Hanns Graf Wilczek auf Schloss Seebarn bewahrt und meine Aufmerksamkeit ebenso durch das hohe Alter und die Seltenheit des Gegenstandes, wie durch die Schönheit der Patina und die interessante Darstellung fesselte. Diese ist für uns hier aus mehreren Gründen von ganz ungewöhnlichem Wert, haben wir in ihr doch eine der ersten, wenn nicht die älteste Abbildung einer unverkennbaren Helmdecke vor uns!

 

Die Schachfigur zeigt die in jener Zeit so beliebte Darstellung des Kampfes zwischen dem Guten und dem Bösen. Ein romanisch stilisierter Drache steht im Begriff, einer sitzenden Frauenfigur, der Personifikation des «Guten», das Genick durchzubeißen. Zwei schwer gerüstete Ritter eilen ihr zu Hilfe, allerdings nach unseren Begriffen etwas zu spät, denn dem Beschauer macht es den Eindruck, als wären Genick und Hals der armen «Guten» durchgebissen, bevor die beiden gemächlich heransprengenden Ritter mit den erhobenen Schwertern dem «Bösen» den Garaus gemacht haben.

 

Beide Ritter sind mit konischen Helmen mit Nasenbergen analog denen der Tapete von Bayeux ausgerüstet. Wie jene, so sind auch beim Schachstein Wilczek die Helme durch auf dem Scheitel zusammentretende, am untern Helmrand durch einen Querreif gehaltene Spangen oder Platten verstärkt. Unter dem Helm tragen die Ritter den Haubert, der aber durch einen langen Rock verdeckt ist, welcher bis zum Steigbügel reicht. Das Schwert ist breitklingig, hat eine Parierstange, welche nur wenig über die Klingenbreite herausragt, und einen breiten, schweren Knauf. Es ist das Schwert des 11. Jahrhunderts, entsprechend dem Helm und dem durchaus «normannischen» Schild, den die Ritter mit der linken Hand vorhalten, anscheinend unterstützt durch einen über die Schulter gelegten Tragriemen aus Leder.

 

So weist die ganze Figur (auch die frühe Form des Schachsteines) durch ihre Kennzeichen auf das 11. oder 12. Jahrhundert und eine Datierung in die Zeit «um 1200» ist ersichtlich die Spätestmögliche. Ich betone das, weil diese beiden Ritterfiguren eine sonst erst im 13. Jahrhundert auftretende Erscheinung, die «Helmdecke», in unverkennbar deutlicher Darstellung vorführen. In seiner vorzüglichen «Geschichte der heraldischen Kunst in der Schweiz im XII. und XIII. Jahrhundert» berichtet Dr. P. Ganz, dass die Helmdecke schon 1212 bei den Dichtern erwähnt wird, dass sie ihm aber eher zu Anfang eine Art Zeugüberzug des Helmes gewesen zu sein scheint. «Erst im Partonopier und Meliur wird sie als hinter dem Helm fliegend beschrieben.»

 

Unsere Schachfigur lässt nun über diese, wie man sieht bis jetzt offene Frage keine Zweifel mehr. Die Helmdecke erscheint somit schon spätestens um 1200, und zwar als ein am Hinterteil des Helmes auf der Innenseite angenähtes Zeugstück, ähnlich dem Schleier oder der Decke, welche der Europäer als Soldat sowie als Reisender im heißen Orient als Schutz des Nackens gegen die Sonne zu tragen pflegt. In vielen Fällen mag auch der ganze Helm mit Stoff überzogen worden sein, ebenso wie man in den Kreuzzügen den Panzer mit einem Stoffmantel zu schützen begann.

 

Auch die Schachfigur Wilczek gehört in die Zeit der Kreuzzüge, und damit erledigen sich die Einsprüche Hohenlohe’s u.a. (Über den Gebrauch der Helmzierden), welche die Helmdecke für jene frühe Zeit nicht anerkennen wollten. Aus jenem «praktischen» Nackenschutz wurde dann später eine mehr ornamentale Beigabe zum Helm. Die nach P. Ganz erste Darstellung einer Helmdecke auf einem Siegel, auf dem Reitersiegel des Grafen Gottfried von Habsburg-Lauffenburg (1271) (abgebildet bei Ganz, a. O. auf Tafel V, Fig. 5), zeigt die Decke bereits oben am Topfhelm angebracht und, bereits mehr ornamentales Beiwerk des Helmes geworden, als schmales Band in drei Fransen oder Zipfel endigend. Die ornamentale Seite wird auch im Tänzelet betont, wenn es dort von der Helmdecke heißt:

 

Die sach man schone fliegen | hinden von dem Helme dane | da hiengen rîchen vâsen (Fransen) ane | ûz golde wôl gespunnen.

 

 


 

4. Waffenminiaturen aus dem 12. Jahrhundert im Hildesheimer Albanipsalter

 

Zwischen 1119 und 1146 entstanden, bietet das Albanipsalterium der St. Godehardskirche zu Hildesheim eine Reihe waffengeschichtlich beachtenswerter Miniaturen. Adolf Goldschmidt hat diese Handschrift 1895 einer Schrift «Der Albani-Psalter in Hildesheim» (Verlag von Georg Siemens in Berlin) behandelt und insbesondere ihre Beziehungen zur symbolischen Kirchenskulptur des 12. Jahrhunderts beleuchtet. Für uns haben mehrere der bei Goldschmidt abgebildeten Miniaturen besonderen Wert, weil sie sich bis auf wenige Jahrzehnte genau datieren lassen und weil ebenso sicher der Herstellungsort, England, festzustellen ist.

 

Auch hier erscheint wieder die beliebte Darstellung des Kampfes zwischen dem Guten und dem Bösen. In der großen J-Initiale, Fig. 4, zielt das Böse in Gestalt eines mit Haubert und normannischem Helm ausgerüsteten Sagittarius auf das Gute, einen Oranten. Ähnlich gerüstet, aber mit langen Spießen und normannischen Schilden ausgestattet, sind die Kriegerfiguren einer Q-Initiale (Fig. 4a). Interessant ist ein Reiterduell, bei dem die beiden hitzigen Kämpfer sich bereits gegenseitig die Lanzen in den Leib gerannt haben und nun mit den Schwertern unter dem Schutz ihrer langen normannischen Schilde und Nasenhelme weiterfechten (Fig. 4 b). Wichtig sind hier die bogenförmigen Parierstangen, die detailliert gezeichneten Steigbügel und Sporen mit Kugelspitze.

 

Eine andere Miniatur desselben Psalters zeigt das Martyrium des hl. Albanus (Goldschmidt, a. O., Taf. VII). Der Henker zieht eben sein Schwert aus der Scheide — ein Schwert, das wie die der oben erwähnten kampfwütigen Reiter gebogene Parierstange mit Endknöpfen und einen großen anscheinend viereckigen Knauf aufweist (Fig. 4c). In Übereinstimmung mit diesen letzten Abbildungen stehen die seltenen Schwertdarstellungen mit gebogenen Parierstangen der Bibel von Canterbury (Boeheim, a. a. O. p. 239) und diejenige der Emailleplatte von Mans aus circa 1150 (Boeheim, a. a. O. p. 240).

 


Fig. 5.
Fig. 5.

 

5. Die Zentaurenfliesen der St. Fideskirche zu Schlettstadt.

 

Im Schutt der um die Mitte des 12. Jahrhunderts vollendeten St. Fidesfliese zu Schlettstadt im Elsass fand sich vor Jahren eine Anzahl von Bodenfliesen, welche nach Stil, Bewaffnung und Technik gleichzeitig sind mit der Erbauung jener Kirche, d. h. wie diese dem 12. Jahrhundert angehören. Sie sind leicht reliefiert, gelbbraun glasiert und entsprechen technisch einer romanischen Fliese derselben Epoche aus dem St. Odilienkloster.

 

Ich habe sie von der keramischen Seite in meiner kürzlich erschienenen «Geschichte der europäischen Fliesenkeramik vom Mittelalter bis zum Jahre 1900»1 behandelt; hier interessiert uns nur ihre waffengeschichtliche Seite, von der aus diese Fliesen ein paar beachtenswerte Momente bieten. Auch hier haben wir es wie in den Nummern 2 und 4 mit einem Verfolger und einem Verfolgten zu tun, davon der eine das Gute, der andere das Böse symbolisiert.

 

Der «böse», mit einem Panzerhemd bekleidete Sagittarius flieht, schießt aber, im Davoneilen sich rückwärts wendend, seinen Pfeilbogen auf den Verfolger ab. Letzterer, der Vertreter des siegenden Guten, trägt ein Ringhemd und einen spitz zulaufenden, nach vorn geneigten normannischen Helm, der anscheinend eine Nasenstange hat. In der einen Hand führt er ein breites Schwert mit dreiteiligem Knauf und abwärts gebogener Parierstange; mit der anderen Hand hält er schützend seinen normannischen Schild vor, der nach zwei Richtungen unser Interesse fesselt, durch die schon ganz «heraldische» Schrägbalkenzier und durch den ausgeprägten, weit vorspringenden Schildbuckel, dessen Spitze hier in eine Kugel ausläuft. Dieser seltsame Schildbuckel erinnert lebhaft an manche ähnlich geformte der Merowinger- und Karolingerzeit, wie sie sich gelegentlich noch in Gräbern im Original vorfinden (vergl. z. B. Essenwein, Kultur. histor. Bilderatlas, Leipzig 1883, Taf. II, Fig. 2), aus dem 12. Jahrhundert aber bis jetzt in dieser Form nicht auf uns gekommen sind. Gewöhnlich ist, wie bekannt, in dieser Epoche der Schildbuckel bereits ganz verschwunden oder zumeist nur noch in Form einer mehr oder minder stark gewölbten Scheibe ohne den Endknauf erhalten, wie ihn hier die St. Fidesfliesen bieten.

 

(Fortsetzung folgt.)

 

1 Forrer, Geschichte der europäischen Fliesenkeramik vom Mittelalter bis zum Jahre 1900, mit 107 Tafeln, 900 Abbildungen. Straßburg 1901. Verlag von Schlesier & Schweikhardt. pag. 62 u. 63 und Tafeln II 11. III.


Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 6. Dresden, 1900-1902.