
Von Dr. R. Forrer-Straßburg.
(Fortsetzung.)
6. Gotische Rüstungen auf einem Katzheimerschen Kreuzigungsbild meiner Sammlung.
Ich habe oben unter Nr. 1 von einem wenig bekannten Kleidungsstück, der Polstergugel, gesprochen, die unter dem Helm getragen wurde; bei Nr. 3 habe ich der Helmdecken gedacht, wie sie bald am Helm, bald über diesem angebracht waren. Hier gebe ich nun in Fig. 6 die Abbildung eines Gerüsteten, der über dem Eisengewand zur Zier von Kopf und Oberkörper einen gugelartigen Überwurf trägt, der allem Anschein nach eine Eisenhaube maskiert. Es ist ein kleines Gemälde mit ziseliertem Goldgrund, auf dem um die Mitte des 15. Jahrhundert — wahrscheinlich von Hans Wolfgang Katzheimer von Bamberg — die Nagelung Christi ans Kreuz dargestellt ist. Links steht mit langem Spieß und in voller gotischer Rüstung ein „Römer“ — eben der mit der obenerwähnten Gugel —, hinter ihm ein durch die hohe spitze Mütze als solcher gekennzeichneter Jude. Rechts davon nageln zwei Knechte den Leib Christi auf das Kreuz, indessen ein dritter Knecht sich bekehrt zu Christus wendet (der Kopf dieses Bekehrten allem Anschein nach Porträt eines geistlichen Stifters).
Im Hintergrund überwachen zwei Kriegsknechte die Handlung. Der hintere trägt einen Eisenhut und Ringgugel, die tief auf die Schultern fällt; der Leibrock ist rot und unten gezaddelt, die Hosen sind von gleicher Farbe; in der mit Eisenhandschuh bewehrten Linken trägt der Mann eine Stangenwaffe, deren oberes Ende am Rande des Bildes nicht mehr sichtbar ist. Der andere Kriegsknecht ist in voller Rüstung abgebildet. Er trägt eine spitz zulaufende Beckenhaube, darunter einen Ringkragen (falls er am Helmrand befestigt ist) oder eine Ringgugel (falls das Ringgeflecht den ganzen Kopf bedeckt) und als Körperschutz einen gotischen Schienenharnisch; in den Händen führt er einen mit kleinem Fähnchen geschmückten Speer. Interessant ist auch einer der nagelnden Kriegsknechte durch seine aus viereckigen Eisenschuppen gebildete Eisenkappe, an deren Stelle zu Ende des 15. Jahrhunderts bekanntlich die aus abgerundeten Schuppen gebildete kleine „Hirnkappe“ tritt, wie sie Dürer u. a. so oft darstellen.

7 Schützenfiguren aus Valturius, 1472. Der bekannte Florentiner Bücherantiquar Leo S. Olschki berichtet in seiner Zeitschrift „La Bibliofilia“ (Florenz 1900) über die erste Edition des an Holzschnittbildern reichen, die Kriegskunst behandelnden «Valturio». Dies ebenso seltene wie kostbare Buch erschien 1472 zu Verona und von einem italienischen Meister mit Bildern versehen worden, welche den Text begleiten und, wie dieser, allerlei Arten von Kriegsmaschinen, Befestigungen usw. erklären sollen. Einige der interessantesten Bilder hat Olschki faksimilieren lassen und gebe ich danach hier diejenigen Faksimiles aus der «Bibliofilia» wieder, welche uns hier vom waffengeschichtlichen Standpunkt aus spezielles Interesse bieten.
Fig. 7a zeigt eine Galeere oder Galione, deren Verdeck, Mast und Mastkorb durch schwere Holzplanken gegen feindliche Angriffe befestigt sind. Der Mast ist mit einem Turm umkleidet und der Mastkorb ebenfalls nach Art der Turmzinnen für Bewaffnete eingerichtet. Von hervorragendem Interesse sind hier die Kriegsleute mit den Feuerrohren, von denen das eine (des Schützen auf dem Verdeck) einen Schaft trägt, der über die Achsel gelegt wird und zur Unterstützung dieses Zweckes mit einem besonderen Achseleinschnitt versehen ist. Auch ein anderer Kriegsknecht des Verdeckes, der an der linken Seite, scheint ein Feuerrohr zu tragen. Die anderen Bewaffneten tragen Armbrüste, Spieße, Fahnen, einer führt eine durch ihre Form beachtenswerte Runka.
Als Schutzwaffen tragen zwei Gerüstete Schilde normannischer Form, wie sie sich bekanntlich speziell in Italien sehr lange neben den neu hinzugetretenen Formen bis ins 15. Jahrhundert erhalten haben. Die Schienenrüstung ist hier in voller Entfaltung und mehrere Soldaten tragen sogar ganz geschiente Brust- und Rückenpanzer nach Art der Brigantinen. Die zur Darstellung gebrachten Helme sind italienische, sogenannte «Venetianer Saladen». Der Fähnrich mit dem Turmwappen trägt als Helmzier einen Turban. Der andere Fähnrich auf dem Verdeck, mit dem Kreuz im Fahnenfeld, führt einen ganz besonders merkwürdigen und in Originalen fast gar nicht mehr vorkommenden Helm mit beiderseitig aufklappbaren Seitenklappen, eine den römischen Visierhelmen nachgebildete Form, ein Vorläufer des bei Boeheim sub Fig. 29 abgebildeten italienischen Helmes um 1490. — Die Form der Venetianer Schallern wiederholt sich auch auf der dem Valturius entnommenen Taucherrüstung Fig. 7b, nur ist hier der Helm nicht aus einer Stahlplatte getrieben, sondern nach Art der Schuppenhäubchen geschuppt (die Figurist ein Prototyp des bei Demmin, Kriegswaffen, S. 415 nach Vegetius abgebildeten Tauchers, der aber hier einen anderen Helm erhalten hat). — Die in Fig. 7c faksimilierte Abbildung eines Armbrustschützen nach Valturius reproduziere ich bei diesem Anlass ihrer ebenso künstlerischen wie lebensfrischen Darstellung wegen; nicht nur die Stellung des Schützen, auch die Lage des zielenden Kopfes und die Fingerstellung sind dem Künstler ganz meisterhaft gelungen.
(Fortsetzung folgt.)


Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 7. Dresden, 1900-1902.