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Nicolaus Wilborn Kupferstecher

Arbeiten des Nicolaus Wilborn.
Arbeiten des Nicolaus Wilborn.

Von M. v. Ehrenthal in Dresden.

 

Der Name des Meisters ist in der Kunstgeschichte nicht unbekannt.1 Zwar weiß man über seine persönlichen Verhältnisse so gut wie nichts, dagegen ist seine künstlerische Individualität durch eine Anzahl Stiche, die entweder mit seinem vollen Namen oder mit einem Monogramm gezeichnet sind, festgestellt. Auf gedachten Blättern befinden sich überdies Jahreszahlen von 1531 bis 1537, so dass also, wenn auch wohl nicht die ganze Schaffensperiode des Künstlers, so doch ein Teil derselben sich zeitlich bestimmt begrenzen lässt.

 

Dem Charakter seiner Arbeiten nach gehört Wilborn der niederdeutschen Schule an. Hieraus, sowie aus dem Umstand, dass dem Monogramm des Meisters, N. W., öfters noch ein M beigefügt ist, und ferner, weil von seiner Hand Porträts des Johann von Leyden und des Knipperdolling herrühren, glaubt Passavant den Schluss ziehen zu sollen, dass Wilborns Wirkungskreis, vielleicht auch Geburtsort, die Stadt Münster in Westfalen gewesen sei. Insoweit italienische Vorbilder den Stil der aufblühenden niederdeutschen Renaissance beeinflussten, ist dies auch an Wilborns Arbeiten bemerkbar; doch erscheint die Annahme Passavants, dass die Individualität des Meisters sich speziell aus den Werken des Jacopo de Barbari herausgebildet habe, ziemlich willkürlich; sicherlich überwiegt bei den Arbeiten Wilborns wie bei denen der anderen „Kleinmeister“ vielmehr der Einfluss der Dürerschen Schule, nicht allein in Bezug auf das Figurale, sondern auch in Hinblick auf das Ornamentale. Wie sein Zeitgenosse und Landsmann Aldegrever sich der Ausschmückung von Prunkwaffen widmete, so ist auch Wilborn, der mehrere Kopien nach ihm stach, in gleicher Richtung, wie wir nachzuweisen vermögen, tätig gewesen. Dies gibt uns Veranlassung zu der gegenwärtigen Besprechung.

 

Im königlichen Kupferstichkabinett zu Dresden wird nämlich der Stich einer Dolchscheide aufbewahrt (Pass. 27.), der mit dem vollen Namen des Meisters signiert ist. Wir geben sie in etwas verkleinertem Maßstab in der Abbildung (Fig. 1) wieder.

 

In die Augen springend ist die Ähnlichkeit des als Hauptornament sich entwickelnden Blattwerkes mit denjenigen bei Aldegreverschen Arbeiten (vgl. Bartsch, peintre-graveur VIII, S.362 ff., so zwar, dass man ohne äußere Beglaubigung der Herkunft die Wilbornschen Entwürfe recht wohl auch seinem Landsmann Aldegrever zuschreiben könnte. Vergleicht man aber die Stiche beider Meister genauer, so finden sich doch einige Unterschiede. Sie sind am meisten in der Behandlung des Blattwerkes auffallend, das Wilborn steifer und mehr in Erinnerung an die Spätgotik stilisiert als Aldegrever, während die in die Ranken der Blätter eingefügten Figuren namentlich durch ihre normaleren Proportionen sich deutlich von den Aldegreverschen unterscheiden.

 

Ob der Entwurf im königlichen Kupferstichkabinett zu Dresden jemals zur Ausführung gelangt oder ob, wenn er ausgeführt wurde, die Dolchscheide bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben ist, war nicht zu ermitteln. Stattdessen fand sich aber im königlichen Historischen Museum zu Dresden ein Schwert in der Form der Landsknechtschwerter mit einer in Silber getriebenen Scheide und silbernem Beschlag am Gefäß, zu dessen Ausschmückung höchstwahrscheinlich ein Entwurf Nicolaus Wilborns als Vorlage gedient hat. Die Schwertscheide, von der wir ebenfalls einen Teil in Abbildung (Fig. 2 und 3) beifügen, ist im «Führer durch das kgl. Historische Museum von M. v. Ehrenthal» unter E 574 erwähnt. Unterzieht man auf beiden Abbildungen das Blattornament einem Vergleich, so ergibt sich darin eine völlige stilistische Übereinstimmung. Besonders charakteristisch ist hier der gerade nach oben laufende, nur von Figuren unterbrochene Stiel, aus denen das Blattwerk herauswächst. Die Gestalten, die auf unserer Abbildung sichtbar sind, erscheinen allerdings etwas massig, ein Umstand, der indes mehr der mangelhaften Ausführung durch den Goldschmied, als dem Entwurf des Zeichners zur Last fallen dürfte; denn die auf der Rückseite der Scheide eingravierten Figuren, welche vermutlich der Vorlage genauer als die getriebenen Gestalten auf der Vorderseite entsprechen (ein Ritter Georg, der seinen Fuß auf den getöteten Drachen setzt und ein Landsknecht, der dem niedergeworfenen Feind die Helmbarte in die Brust stößt), lassen die Hand eines in figuralen Darstellungen wohlgeübten Künstlers erkennen.

 

Sonach wäre die Tätigkeit Wilborns im Dienst der Ausschmückung von Waffen in einem Fall sicher, in dem anderen mit großer Wahrscheinlichkeit festgestellt. Während Aldegrever sonderbarerweise nicht über den Dolch hinausging, erstreckt sich die Kunst unseres Meisters auch auf das Schwert. Ob sich an anderen Orten Entwürfe von Prunkwaffen von seiner Hand befinden, ist uns unbekannt. Jedenfalls werden seine Arbeiten nicht häufig angetroffen. Nichtsdestoweniger werden aber schon die beiden bekannten Entwürfe des Meisters ihm einen ehrenvollen Platz unter denjenigen Künstlern sichern, denen die deutsche Waffenschmiedekunst des 16. Jahrhunderts zum großen Teil ihr hohes Ansehen weit über die Grenzen des Reiches hinaus zu verdanken hatte.

 

 

1 Außer A. Bartsch, le peintre-graveur, VIII., 543 ff. ist noch zu vergleichen: Nagler, Künstler-Lexikon XXI, 433 ff., wo auch auf frühere Literatur verwiesen wird, ferner Nagler, Monogrammisten Nr. 2574 und 2582 und Passavant, le peintre-graveur IV, 139 ff.


Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 7. Dresden, 1900-1902.