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Kunst und Technik im Waffenschmiedwesen. Teil 2

 

Die Waffenkünstler Italiens standen mitten im Kreise der großen Künstler der Renaissance, der Humanisten und Poeten und unmittelbar unter ihrem belebenden Einfluss; nicht so die Kunstwaffenschmiede Spaniens, deren Erzeugnisse gleichwohl in Technik und Dekoration hervorragten. An den schönen Prunkwaffen Spaniens haften keine Namen von Kunstheroen wie in Italien, das spanische Kunstleben, an sich mehr ausgeglichen, gab auch dem Kunsthandwerk ein gleichförmigeres Gepräge, aus welchem nur Reminiszenzen an den maurischen Stil und starke Anklänge an die Italiener, speziell die Mailänder zu entnehmen sind.

 

Die spanische Waffenindustrie konzentrierte sich vom Mittelalter an, wie nahezu überall, um die Gewinnungsstätten ihres vorzüglichsten Materiales, des Eisens, und da sehen wir drei Gebiete hervorragen, jenes den Tajo entlang, von den Bergen von Toledo bis zu den Abhängen des Gebirges der Sierra de S. Memede, jenes an der Küste des Golfes von Biscaja, von Guipúzcoa bis in die Ebene von Leon herab. Endlich das Gebiet von Murcia nördlich bis Albacete, südlich bis Almeria reichend. Ersteres hatte als Hauptindustrieort Toledo, das zweite Bilbao, Mondragon und Sahagun, das dritte Albacete und Almeria. Isolierter von den Gewinnungsstätten lag ein hervorragender Industrieort: Sevilla.

 

Waren die beiden südlichen Orte, Toledo und Albacete, durch die Kunstfertigkeit der Mauren zu ungemeiner Bedeutung gelangt, so stellt Bilbao sich als der Vorort einer Waffenfabrikation dar, die ihre Uranfänge noch unter den Iberern sucht und die selbst von den Römern und Galliern geschont wurde. Die Erzeugung war aber lange von primitivster Art und blieb seit ältester Zeit die gleiche. Im Gebiet von Murcia machten sich die Mauren nach ihrem Übertritt nach Spanien zuerst sesshaft. Al Makkari berichtet in seiner Geschichte der mohammedanischen Herrschaft in Spanien, dass im Königreich Murcia die berühmtesten Fabriken von Panzerhemden, Kunstharnischen und mit Gold eingelegten Stahlrüstungen bestanden1. Mit dem Vorrücken der Araber breitete sich die Industrie längs des Tajo aus. Leider sind uns aus jener Zeit nur wenig Daten geblieben, doch wissen wir, dass Abderhaman II. (822—852) die dortige Waffenfabrikation reformierte und dass Al Hakem II. um 965 dem König Don Sancho von Leon ein reiches Geschenk mit Toledaner Arbeiten machte. Näher tritt uns die Industrie von Toledo erst, als das Gebiet unter christliche Herrschaft gelangt war (1492). Da hören wir von dem Neubegründer derselben Julian del Rey, der, ein Maure und Dienstmann Boabdils, nach dessen Gefangennahme den christlichen Glauben annahm. Ferdinand der Katholische soll sein Taufpate gewesen sein. Julian, der mit dem maurischen Waffenschmied Reduan identisch sein dürfte, führte als Zeichen ein vierfüßiges Tier, vermutlich eine Nachahmung des Passauer Wolfes, in dem die Spanier ein Hündchen, perillo, erblickten. Die berühmtesten Klingenschmiede Spaniens gehören desungeachtet erst der zweiten Hälfte des 16. und 17. Jahrhunderts an; so Juan Martinez aus der Familie Menchaca in Lissabon, später in Sevilla und Madrid, um 1560, Juan de la Horta um 1545, Juan de Alman (Alemania?) um 1550, Miguel Cantero um 1564, Lupus Aguado um 1567, Alonso de Sahagun der Ältere um 1570, der Jüngere, Luis, um 1620, Hortuno de Aguirre um 1604, die beiden Francesco Ruiz, Vater und Sohn, 1580—1617, Thomas de Ayala, der Fertiger der hochberühmten „Thomasklingen“ um 1625, endlich die beiden Sebastian Hernandez, Vater und Sohn, welche gleichfalls dem 17. Jahrhundert angehören. Bald danach ging diese Industrie so rasch zurück, dass sich beispielsweise bemerkt, unter Karl III. 1760 nicht ein einziger Klingenschmied fand, dem die Leitung der vom Staat neugegründeten Toledaner Klingenfabrik anzuvertrauen gewesen wäre. Endlich übergab man sie dem 70-jährigen Luis Calisto, dem die Wiedererstehung der Industrie zu danken ist.

 

Die Fabrikation der Feuergewehre kam erst am Ende des 16. Jahrhunderts in Spanien in Aufnahme, die ersten Läufe wurden noch aus Deutschland bezogen2. Im Verlauf des Jahrhunderts und bis etwa 1780 gelangte sie zu ungemein rascher Entwicklung. Wir werden am Schluss die Namen der besten Büchsenmacher verzeichnen. Die Ursache des späteren Rückganges dieser Industrie lag darin, dass die Spanier sich der Forderung gezogener Läufe nicht anbequemen wollten und damit den Markt allgemach verloren. Melchior Alvarez um 1780 war der erste, der gezogene und Doppelläufe verfertigte.

 

Erwähnen wir noch der ausgezeichneten Panzerhemden, welche weit und breit versendet wurden, der vorzüglichen Sattelfabrikation in Galizien und Cordova, ferner der angesehenen Fabrikation von Armbrüsten in Saragossa, so haben wir in kurzen Zügen die technische Waffenindustrie Spaniens geschildert.

 

Wenden wir uns schließlich der Frage zu, was Spanien im Kunstgebiet geleistet hat, so können wir auf zahlreiche, herrliche Gebilde verweisen, die namentlich nach der kunsttechnischen Seite zu würdigen sind. An keinem der Meister, so viele wir auch kennen, haftet aber ein gleich hoher Ruhm wie an den Italienern, die in innigem Verein mit den ersten Größen der Kunst zu schaffen pflegten. Und dennoch, wenn auch nicht die Meister, die spanische Kunstwaffenerzeugung gelangte, durch Spanier selbst überliefert, an den deutschen und anderen Höfen zu so großer Beliebtheit, dass an diesen die spanischen „Wehrvergolder“ mit den italienischen in Wettbewerb traten.

 

Man hat die französische Waffenerzeugung vom Mittelalter bis ins 17. Jahrhundert bisher als unbedeutend dargestellt, vielleicht weil kein Autor in der Lage war, auf namhaftere Werkstätten und tüchtigere Meister hinzudeuten. Diese geringe Bewertung entspricht jedoch nicht den Ergebnissen neuerer Forschung. Für das frühere Mittelalter lässt schon die verhältnismäßig hohe Kultur Südfrankreichs eine tüchtige Waffenindustrie voraussetzen, wie auch anzunehmen ist, dass italienische und spanische Kunstfertigkeit ihre Ausläufer in der Provence gefunden haben. Im 13. Jahrhundert werden die kleinen Bassinets von Montauban allenthalben getragen und die Dichter erwähnen am Ende des 13. Jahrhunderts mit ungemeinem Lob der Harnische von Monségur, vom Anfang des 14. Jahrhunderts der Waffen von Mortemer3. Im 15. und 16. Jahrhundert fehlt es auch nicht an Namen bedeutender Waffenschmiede und auch nicht an solchen, die dem Hof kunstreichere Arbeiten zu liefern imstande waren. Wir erwähnen darunter nur einige, wie Jehan de Bonnes, den Hofplattner des Königs René um 1450, den Hofplattner Thomassin Baigneux um 1456, die berühmten Waffenschmiede von Tours, Jacques Merville um 1510 und S. Remy Farant um 1568, die bedeutenden Tausiatoren Roquelin Dehoux um 1561, Germain Pilon um 1550 und den Fertiger der überaus kunstreichen Dolche Thevenin Martineau.

 

All diese unleugbar ansehnliche Betätigung französischen Kunstfleißes genügte weitaus nicht den stolzen Plänen der französischen Könige, welche dahin gerichtet waren, Frankreich zum ersten Kulturstaat zu machen. In der Erzeugung von Zier- wie von gemeinen Waffen fühlte sich Frankreich von Mailand noch zu abhängig, darum die wiederholte Bemühung der Könige vom Ende des 14. Jahrhunderts an, berühmte Waffenmeister Mailands ins Land zu ziehen, um hier eine Schule zu bilden. Es ist dies ganz derselbe Weg, den die Könige bei den höheren Künsten mit der Schule von Fontainebleau einschlugen. Einen bedeutenden Aufschwung von 1410 an nahm die Schule zu Lyon unter Karl VI., deren bedeutendste Meister die Mailänder Martin de Tras 1410—1435, der Tausiator François Forcia um 1537 und die Brüder Baptiste und Cäsar Gambeo 1543—1549 waren4. Ludwig XI. machte 1466 erneuerte Anstrengungen, um Mailänder Meister an sich zu ziehen. Karl VIII. gründete 1490 zu Bordeaux eine neue Ansiedelung von Waffenschmieden, meist aus Mailändern, unter denen Ambroise Caron zu großem Ansehen und Reichtum kam. Inzwischen war um 1540 die Waffenschmiedekunst Deutschlands zu hoher Entwicklung gekommen, und schnell war Franz I. zur Hand, deutsche, namentlich Tiroler- und Augsburger Plattner nach Frankreich zu ziehen. Diese Bemühungen der Könige waren von guten Erfolgen begleitet, denn wir sehen im 16. Jahrhundert zahlreiche Franzosen in Spanien, Italien und in Deutschland als Kunstarbeiter beschäftigt.

 

Von 1640 an hebt sich Frankreich mächtig in seiner industriellen Kunst und damit auch in der Erzeugung kunstvoller Waffen, besonders in Feuergewehren, Degen und dergleichen. Es wird darin tonangebend zu einer Zeit, in welcher die deutsche Kunstindustrie starr zu werden droht, die italienische und spanische, obwohl sie noch über gewichtige Namen verfügen, doch ersichtlich sich im Rückgang befinden. Zu den ersten Meistern zählen die Büchsenmacher Bertrand Piraube um 1670, Adrien Reynier, genannt le Hollandois, um 1724 und Louis Renard, genannt Saint-Malo, um 1643. Allen voran dürfte der schon früher genannte Philipp Cordier d’Aubigny, 1635—1665, stehen, dessen Arbeiten zu den schönsten der Zeit zählen und der auch der Erfindung des Flintenschlosses nicht fernsteht.

 

In den Niederlanden erscheint die Waffenerzeugung bis ans Ende des 14. Jahrhunderts nicht bedeutender als etwa im nördlichen Deutschland, doch hatten sich in den vielen Städten daselbst Zünfte herangebildet, welche als tüchtig und befähigt angesehen werden konnten. Wie überhaupt alle Künste und Gewerbe unter burgundischer Herrschaft einen gewaltigen Aufschwung genommen hatten, so kam auch um 1400 das Waffenhandwerk in den niederländischen Städten, vom Hof unterstützt, zu ungemeiner Blüte. Die erste Anregung gaben die zahlreichen Turniere, die um diese Zeit zu besonderer Beliebtheit gelangten; nicht minder gab die Prachtliebe der beiden burgundischen Herzoge Philipp und Karl Gelegenheit zu einer künstlerischen Ausstattung der Waffen. Die am Beginn des 15. Jahrhunderts zunehmende Bedeutung der niederländischen Waffenschmiede kennzeichnet sich dadurch, dass wir von da an Namen von bedeutenderen Meistern in den Urkunden antreffen, so um 1407 Lodequin Hughes in Brüssel, um 1423 Jehan Wisseron in Brüssel, um 1438 den Hofplattner Massin de Fromont. Um 1462 wirkt der berühmte Waffenschmied Ambroise Ruphin; um 1468 aber der Hofplattner Karls des Kühnen, Lancelot de Gindertale, der in seiner Leistungsfähigkeit mit dem gleichzeitigen Tomaso Missaglia in Mailand zu vergleichen ist. Um diese Zeit hatten sich auch die Zünfte der Armbrustmacher mächtig gehoben, die sich später vorzugsweise überseeischer Holzarten für die Säulen bedienten. Berühmt war um 1469 Luc de Muldre5.

 

Unter Philipp dem Guten wurde die Geschützgießerei zu Mecheln gegründet. Karl V. erneuerte sie 1520, wobei sich der kaiserliche Büchsenmeister Hans Poppenrieder große Verdienste erwarb. Der letzte bedeutende Gießer in Mecheln war P. F. Dietrich um 1760.

 

Mit dem Ende Karls des Kühnen, 1477, schien das Waffenschmiedhandwerk in Brüssel, Valenciennes, Mecheln etc. einen Rückschritt zu machen. Der einzige Plattner von Bedeutung um 1480 war Francis Scroo. Auch die quantitative Leistungsfähigkeit war in Abnahme. 1495 berief König Maximilian I. die Mailänder Waffenschmiede Gabriel und Francesco Merate nach den Niederlanden und etablierte sie in Arbois.

 

Im Verlauf des 16. Jahrhunderts herrschte in der Erzeugung der Waffen in diesen Gebieten eine ungemeine Tätigkeit, ihre Bedeutung ist aber nur nach der technischen Seite hin zu würdigen. Man kann zwar in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ganz gut von einer Schule des Waffenhandwerks in den Niederlanden sprechen, aber die künstlerische Fähigkeit, die sie aufwies, blieb weit zurück hinter jener, die zur Zeit Philipps des Guten und Karls des Kühnen herrschte. Fast gleichzeitig mit der französischen Gewehrfabrikation um 1640 erhob sich auch die niederländische und sie erreichte jene auch in Bezug auf die künstlerische Ausstattung der Erzeugnisse, beeinflusst von den Amsterdamer Ornamentisten, deren Stil schon vom Ende des 16. Jahrhunderts an das niederländische Kunsthandwerk beherrschte. Örtlich in Verbindung, doch getrennt in politischer Beziehung von den Niederlanden stand das Gebiet von Lüttich. Als eine bedeutende Waffenschmiedestätte besitzt sie in ihrem genetischen Wesen viele Ähnlichkeit mit Passau, denn auch Lüttich, am Zusammenfluss der Ourthe mit der Maas, verdankt seine Bedeutung seinen bischöflichen Herrschern. War die Eisenindustrie schon vom 9. Jahrhundert dort lebhaft betrieben, so hob sie sich als Industrie für Geschütze und Eisenwaffen und besonders Feuergewehren im niederländischen Befreiungskrieg des 16. Jahrhunderts auf eine ungeahnte Höhe. In jener Zeit diente sie den Spaniern wie den Kaiserlichen in der Waffenausrüstung. Oftmals versuchten die fremden Herrscher die dortige Erzeugungsweise bei sich heimisch zu machen und Arbeiter an sich zu ziehen. Massenhaft war ihre Leistung für Napoleon I. 1809—1814.

 

England ist, nach der technischen Seite hin betrachtet, vom Beginn des Mittelalters an als hervorragend in der Waffenerzeugung zu betrachten. Seit Richard I. bilden sich dort in den Harnischen und anderen Waffen besondere nationale Formen heraus, was immer als Zeichen einer gewissen Selbstständigkeit des Geschmacks anzusehen ist. Vom Beginn des 16. Jahrhunderts an förderte die Prunkliebe des Hofes und der Adligen bis zu einem gewissen Grad auch die künstlerische Fähigkeit der Londoner Waffenschmiede. Im 17. Jahrhundert beginnt eine ausgezeichnete Industrie in Feuergewehren, bemerkenswert durch tadelloses Metall und bewunderungswürdige Arbeit. Auf das Festland hat die Waffenindustrie Englands bis ins 18. Jahrhundert hinein nur zeitweilig und vorübergehend Einfluss gewonnen.

 

Um Deutschlands Waffenindustrie übersichtlich zu beschreiben, müssen wir bis ins frühe Mittelalter zurückgreifen, in die Epoche Karls des Großen, in welcher die reich verzierten Schwerter Kölns im ganzen Reich große Berühmtheit genossen. Soweit wir nach Waffenstücken und Beschreibungen urteilen können, ist diese älteste Waffenstätte vom Orient beeinflusst worden. Sarazenische Arbeiten von der Nordküste Afrikas, arabische, über Byzanz kommend, hatten längst ihren Weg nach Deutschland gefunden und wurden dort in ihrer Technik nachgeahmt, wobei die Goldschmiede vorzugsweise behilflich waren. Weniger kunstreich als die kölnische und mehr auf die Massen berechnet war die altberühmte Waffenindustrie Passaus. Nach der Verlegung des von den Awaren bedrohten Bistums Lorch nach Passau im 8. Jahrhundert wanderten auch zahlreiche Eisenarbeiter aus den heutigen nordsteirischen und österreichischen Gebieten mit ihrem Seelenhirten aus und gründeten in der genannten Stadt eine Industrie, die rasch zu hoher Entwicklung kam und im ganzen Mittelalter einen Weltruhm genoss. Die Werkstätten, die zum Teil abhängig von dem Bischof waren, führten in ihren Erzeugnissen, die meist aus Schwertklingen bestanden, vom 13. Jahrhundert an das Wappen des Bistums, den „Wolf“, und wohl auch den Bischofstab. Das altberühmte Zeichen wurde im späten Mittelalter vielfach gefälscht. Eine Chronikstelle besagt, dass Herzog Albrecht im Jahr 1349 die Passauer Werkstätten mit dem Wolfszeichen begabt habe; die Nachricht ist aber apokryph. Dagegen ist die Angabe zuverlässig, dass Kaiser Karl IV. dem Passauer Messerschmied Georg Springinklee für seine Zunft ein Wappen verliehen habe, das in einer Krone bestand, in deren Zinken drei blanke Schwerter stecken. In einem gewissen Kontakt mit Passau stand die Schwertindustrie Regensburgs. Im Rolandslied wird als Verfertiger des Schwertes Rolands (Durenda) der Schmied Madelger aus Regensburg erwähnt6. Die Passauer verstanden es, ihre Erzeugnisse mit abergläubischem Nimbus zu umgeben. Mit einer Passauer Klinge konnte man sich „fest“, d. h. unverwundbar machen, wie auch die „Passauer Kunst“ eine Unzahl von Geheimmitteln in sich fasste. Der fromme Schwindel währte bis zum Westfälischen Frieden.

 

Bis ins 12. Jahrhundert reicht die Waffenindustrie Solingens zurück. Nach einer Tradition soll sie durch Adolf IV. von Berg 1147, nach anderer Annahme erst 1290 gleichfalls von dahin eingewanderten steirischen Eisenarbeitern gegründet worden sein; ihren raschen Aufschwung verdankt sie der gewaltigen Bewegung in den Kreuzzügen. Im 16. Jahrhundert wendeten sich die zahlreichen Werkstätten vorzüglich der Fabrikation von Degen und Rapieren zu, in welcher sie heute selbst von den englischen nicht übertroffen werden. Solinger Degenklingen des 16. und 17. Jahrhunderts haben viele Ähnlichkeiten mit gleichzeitigen spanischen, wie denn auch erwiesen ist, dass viele Solinger Schwertfeger zeitweise in Spanien arbeiteten. Ein Hauptort der Waffenerzeugung war Suhl in Thüringen; die dortige Waffenindustrie bestand schon vor 1380 und lieferte ihre Harnische und Schwerter der Ritterschaft Deutschlands. 1563 begründete der letzte Graf von Henneberg die dortige Feuerwaffenindustrie im großen Stil, die sich bis auf unsere Tage in großem Ansehen erhielt. Die Büchsenmacherfamilie Klett hat an ihrem Ruhm nicht geringen Anteil.

 

Mit diesen großen Zentren teilten aber auch viele andere deutsche Städte den Ruhm einer ungemeinen Produktionsfähigkeit auf dem Gebiet der Waffen. Schon im frühen Mittelalter tritt Nürnberg in dieser Hinsicht achtungsgebietend hervor. Eine der ältesten Nürnberger Zünfte ist die Messererzunft von 1285. Im 14. Jahrhundert, wo die Nürnberger Werkstätten bereits für die ersten Deutschlands galten, nimmt die Kunst hier immer mehr Einfluss auf das Handwerk. Indes kommt in Bezug auf die künstlerische Ausstattung die Nürnberger Waffenindustrie erst vom Ende des 15. Jahrhunderts zu vollem Glanz und wir zählen von da an Meister, deren Namen für alle Zeiten in der Kunstgeschichte prangen werden, wie die Plattner Hans Grunewalt, Wilhelm von Worms, Vater und Sohn, Konrad Lochner, Valentin Siebenbürger, die Büchsengießer Sebald Behaim, Andreas Pegnitzer, Vater und Sohn, und viele andere. Wie in Italien, so waren auch in Deutschland die Beziehungen zwischen Kunst und Handwerk immer inniger geworden. War die erste Anregung hierzu auch aus Italien gekommen, die große geistige Kraft der Nation bildete die fremden Elemente doch in staunenswert kurzer Zeit nach ihren Anschauungen um und der große deutsche Meister Albrecht Dürer steht mitten im industriellen Gebiet wie eine eherne Säule da. Er, der Meister im großen Stil, nimmt Einfluss auf die kleinsten Verhältnisse im nationalen Kunstleben; ihm ist es nicht zu gering, von der Staffelei weg sich an den Tisch zu setzen, um den Entwurf zu einem Gerät zu machen. Der Kaiser wünscht 1517 eine Zeichnung zu einem silbernen Harnisch und er zeichnet einen solchen in allen Einzelheiten. Er ist von dem berühmten Colman Helmschmied ausgeführt worden und würde, wäre er uns erhalten geblieben, in künstlerischer Schönheit von keinem der Welt übertroffen werden, wie uns einige noch vorhandene Skizzen lehren. Und wie Dürer, so waren auch seine künstlerischen Zeitgenossen und Nachfolger für das Waffenwesen mit Erfolg tätig. So sehen wir im Skizzenbuch des Hans Baldung Grün Musterzeichnungen von Harnischen; so wissen wir, dass die beiden Burgkmair am Waffenwesen, ebenso wie Albrecht Altdorfer mit Entwürfen beteiligt waren. Auf dekorativem Gebiet ragt in der fränkischen Schule vor allem A. Aldegrever hervor, der der Ornamentik eine eigene Richtung gab, und welchen bedeutenden Einfluss haben nicht der ältere L. Cranach, Aug. Hirsvogel, Virgil Solis und die Goldschmiede Jamnitzer auf die Verzierung der Waffen genommen!

 

Im Verlauf des 16. Jahrhunderts trat gegen das mächtige Nürnberg eine lebenskräftige Rivalin auf: Augsburg. Von alter Zeit her war hier eine gute, wenn auch nicht tonangebende Waffenwerkstätte, aber erst die volkstümliche schwäbische Kunst gab den Anstoß zu einer Entwicklung, die Nürnbergs Ruhm bald überholte. Immer größer wurde die Zahl der Plattner der alten Augusta Vindelicorum. In der vordersten Reihe stehen die Kolman Helmschmied, deren Tätigkeit sich bis 1440 hinauf verfolgen lässt. Dem ältesten uns bekannten Sprossen der Familie, Georg, folgte dessen Sohn Lorenz (gest. 1516), diesem der berühmte Enkel Koloman (gest. 1532) und diesem wieder dessen Urenkel Desiderius, der die Leistungen selbst der Italiener in den Schatten stellte. Weiter sind zu nennen der talentvolle Wilhelm Seusenhofer aus Innsbruck, Matthäus Frauenbrys, Anton Pfeffenhauser und zahllose andere. Im Geschützguss ragt vor allen der Vorarlberger Gregor Löffler hervor, der Augsburg seiner prächtigen Geschütze halber sprichwörtlich gemacht hat.

 

Fragen wir nach den Meistern, welche dem Waffenwesen sein künstlerisches Gepräge aufgedrückt und die deutsche Waffenschmiedekunst zu ungemeiner Bedeutung erhoben haben, dann stoßen wir nicht allein auf Maler, sondern auch auf Bildhauer, Goldschmiede und selbst auf einfache Ätzkünstler. Neben den Nürnbergern und den beiden Burgkmair ist hier noch Hans Holbein d. j., der, wenn auch von der Heimat fern, doch ersichtlich großen Einfluss auf die dekorative Kunst im Waffenwesen Augsburgs gehabt hat. Wie Augsburg später in den Wettbewerb getreten ist, so fand es auch bereits eine andere Art des Kunstbetriebes vor. Es lernte die Entwürfe von Künstlern großen Stils allgemach entbehren und fand seine Ornamentisten in einer Unzahl von Goldschmieden, Emailisten und Ätzmalern, die, wie Jörg Sorg, Marquart, Christof Lenker, Schanternell, Attemstätter, die Ätzmaler Roth und viele andere, Vorzügliches leisteten. Daneben boten der Industrie die zahlreichen Ornamentstiche aus dem Weigelschen Verlag und jene aus den Niederlanden des Hieronymus Cock treffliche Muster. Wir nennen hier unter anderen Theodor de Bry, Michel le Blon, Cornelis Floris und Johann Vredeman Vries. Selbst die Benutzung italienischer Vorlagen ist bei Desiderius Kolman nachzuweisen.

 

Von nicht geringer Bedeutung war der Einfluss einiger Höfe in Deutschland auf die Entwicklung des Waffenschmiedewesens. In Bayern errichtete Herzog Albrecht IV. 1492 zu München die Stuckgießerei am Glockenbach, um deren Förderung sich die Familie Ernst wesentliche Verdienste erwarb. Die Plattnerei war in Landshut heimisch, ihr hervorragendster Meister war Franz Großchedel. In Sachsen wirkte von 1460 an die berühmte Stuckgießerfamilie Hilger in Dresden, ebendort waren die Plattner Hans und Sigmund Rosenberger berühmt in ihrem Fach und in Annaberg stand die Familie der von Speyer in verdientem Ansehen7.

 

Diese von den Kunstzentren Deutschlands entfernten Meister lassen auf dem dekorativen Gebiet den Einfluss einer bestimmten Schule nicht erkennen. Sie nehmen ihre Vorbilder überall her, selbst von Franzosen wie Jacques Ducerceau.

 

Übrigens tauchen Ornamentisten nach und nach in den kleinsten Städten auf, wo Kunstarbeiten gefertigt wurden. Besonders zahlreich scheinen sie in München gewesen zu sein, wie u. a. aus den von Hefner-Alteneck publizierten Handzeichnungen aus dem kgl. Kupferstichkabinett zu München zu entnehmen ist. Als ein Hauptmeister der Ornamentik erscheint dabei Hans Mielich, der Entwürfe zu Harnischen für Franz I. und Heinrich II. von Frankreich lieferte, ferner Christof Schwarz aus Ingolstadt, der für einen Harnisch Rudolfs II. Zeichnungen fertigte. Hans Bol und Hans Boksberger sind ebenfalls durch die genannte Veröffentlichung zu verdientem Ansehen gekommen.

 

Mit der Einführung des Feuergewehres erstand für Deutschland ein neues Gebiet der Waffenindustrie, auf dem es viele Jahrzehnte den Ton angab. Namentlich war das deutsche oder Radschloss eine Spezialität, in deren Erzeugung selbst die nacheifernden Brescianer es nicht zu höherer Bedeutung zu bringen vermochten. Eigenartig und bewundernswert war auch die Einlagetechnik der deutschen Schäfter, mit der diese in der ganzen Welt den höchsten Ruhm erwarben. Selbst nach der Erfindung des Flintenschlosses hatte Deutschland noch namhafte Meister aufzuweisen, die allerdings den heimischen Stil verließen, wie Armand Bongarde in Düsseldorf, Ulrich Mänz in Braunschweig, S. Hauschka in Wolfenbüttel, J. A. Kuchenreuter in Regensburg u. a. Für die Büchsenmacherei bildete sich damals eine eigene, den Franzosen nachgebildete Kunstliteratur; wir erwähnen daraus nur der Ausgaben des Peter Schenck in Amsterdam 1692 und des Christof Weigel in Nürnberg.

 

In den österreichischen Erbländern finden wir eine Waffenindustrie, die bis in das Altertum und an den Beginn der Eisenperiode hinaufreicht. Die römischen Schriftsteller, wie Plinius, berichten uns von der Güte des norischen Stahles und Tacitus von der dortselbst rege betriebenen Fabrikation von Waffen. Diese Industrie scheint selbst unter den Wirren der Völkerwanderung nicht gänzlich zugrunde gegangen zu sein. Sie stammt keinesfalls von den Römern, sondern von illyrischen Kelten her; wir schließen dies daraus, dass diesem Volksstamm der Bergbau eigentümlich war und dass der Zug einzelner von den Awaren bedrängter Familien nicht nach Süden, sondern gerade donauaufwärts ging. Die Eisen-, damit auch Waffenindustrie Noricums beschränkte sich nicht auf die heutige Steiermark allein, sie reichte von der Donau bis nach Kärnten und von der Enns, dem Anisus der Alten, bis an die Abdachung des Wienerwaldes und an die Raab. Die hier gefertigten Waffen gingen teils nach Italien und in die pannonischen Landschaften, teils donauaufwärts, bis die Passauer Werkstätten das nördliche Gebiet für sich gewannen. Während der Periode der Kreuzzüge scheint die steirische Waffenindustrie zu großer Bedeutung und ungemeiner Leistungsfähigkeit gekommen zu sein. Es ergibt sich das aus dem mächtig zunehmenden Selbstbewusstsein der Korporationen und den allenthalben erlassenen Privilegien im 12. und 13. Jahrhundert. Um diese Zeit mehren sich auch die Werkstätten in den größeren Städten Böhmens und Ungarns, die den in diesen Ländern nicht unbedeutenden Ertrag an Eisen und Stahl verarbeiten.

 

Im Hussitenkrieg gelangten einige Bezirke in Böhmen, welche schon im frühen Mittelalter als Eisenindustrie treibend genannt werden, wie Beraun, Kuttenberg etc., zu vorübergehender Bedeutung. Auch unter König Podiebrad wurden Versuche gemacht, das Land im Waffenwesen minder abhängig zu machen; sie scheiterten zumeist an der unüberwindlichen Konkurrenz Passaus.

 

So groß die Leistungsfähigkeit der Schmiedewerkstätten im Mittelalter auch war, so litten ihre Erzeugnisse doch an dem Gebrechen der Regellosigkeit der Formen, ein Umstand, der einzelne Herrscher im 14. Jahrhundert veranlasste, auf die Formengebung Einfluss zu nehmen. Diese durch gesetzliche Vorschriften bewirkte Reform wird freilich erst im 15. Jahrhundert merkbar. In Tirol ist es Friedrich mit der leeren Tasche, der eine geregelte einheitliche Bewaffnung seines Kriegsvolkes anzubahnen versuchte, insofern er den Geschützguss zuerst in eigene Hände nahm. Sein Nachfolger Sigismund setzte die Bemühungen eifrig fort. Er ist als der eigentliche Schöpfer der berühmten Stuckgießerschule anzusehen, die unter Maximilian I. ihre großartige praktische Verwertung fand. Unter Sigismund bildeten sich Jörg Endorfer, Peter Layminger, Hans Prein, Linhart Peringer u. a. Die anderen Waffen wurden je nach dem politischen Verhältnis aus Italien oder aus Passau bezogen. Mit dem Regierungsantritt Maximilians I. trat im gesamten Kriegswesen der österreichischen Erblande und Deutschlands ein ungeheurer Umschwung ein. Dieser Herrscher war es, der zuerst ein vollständiges System der Bewaffnung ins Leben rief und bei dessen Durchführung auf die Produktion der Erblande eine möglichst weitgehende Rücksicht nahm. Jetzt trat die Innsbrucker Gießerei tonangebend mit Meistern hervor, die an Fähigkeit selbst die Augsburger und Nürnberger überragten; so Hans Seelos, Stefan Godl, Hans During, und vor allen Peter Laymingers berühmter Sohn Gregor Löffler. Nicht allein für das Geschützwesen, auch für die übrigen Angriffswaffen: Spieße, Schwerter, Armbrüste, später um 1500 auch für die Handfeuerwaffen wurden bezüglich ihrer Formen Bestimmungen getroffen, die mit der neugebildeten Heeresorganisation im Einklang standen. Spieße und Schwerter kamen aus Leoben, zum Teil auch aus dem Bellunesischen, Armbrüste aus Tirol und dem Donautal, Hakenbüchsen aus Mürzzuschlag und aus Steyr. Ein bedeutender Nachdruck wurde auf die Entwicklung des Artilleriezeugwesens gelegt. Unter Kaiser Maximilian I. bildeten die österreichischen Heereseinrichtungen das Muster für jene aller übrigen Länder, selbst Frankreich nicht ausgenommen. Maximilian bediente sich zur Durchführung seiner Reformen des Bartholomäus Freysleben, eines äußerst begabten Mannes, der als einfacher Schlosser seine Laufbahn begonnen hatte und später seines organisatorischen Talentes wegen des Kaisers vollstes Vertrauen genoss. Die wiederholt erwähnten Zeugbücher Maximilians I., eine wichtige Quelle zur Kenntnis des Waffenwesens am Beginn des 16. Jahrhunderts, sind unter seiner Leitung entstanden. Als ein von dem Kaiser für Waffenentwürfe beschäftigter Künstler wird uns der Briefmaler Nicolaus Glockendon genannt.

 

Das österreichische Plattnerwesen hatte, wie die Gießkunst, ihre Heimstätte in Tirol. Als der vollständige Plattenharnisch üblich wurde, arbeitete zu Innsbruck die Plattnerfamilie Treytz; sie lieferte ausgezeichnete Harnische, die weit und breit begehrt wurden. Die tirolische Plattnerei scheint aus der mailändischen Schule erwachsen zu sein. In der Treytzschen Werkstätte bildete sich der mit Recht berühmte Hans Seusenhofer, der Harnischmeister Maximilians I. Ihm folgte zu Innsbruck dessen Sohn Jörg Seusenhofer, ein Bruder Jörgs war der berühmte Wilhelm dieses Namens zu Augsburg, dessen wir bereits gedacht haben.

 

Unter Ferdinand I. nahm die Bedeutung der speziell österreichischen Waffenindustrie etwas ab, wenigstens werden für den Bedarf an Waffen die Industrien in den Reichslanden, wie Augsburg, Passau, ferner Mailand, Brescia, und selbst in Spanien mehr in Anspruch genommen. Ungarisch-orientalische Formen beeinflussten damals mehr und mehr das deutsche Waffenwesen; von hier aus gehen sie auch auf italienische Werkstätten über. Deutsche Ätzmaler, die Zischäggen, Säbelscheiden etc. mit ihren charakteristischen Renaissanceornamenten verzierten, versuchen nicht selten auch den orientalischen Stil nachzuahmen, was ihnen manchmal wunderbar gelingt. Am Ende des 16. Jahrhunderts und das ganze 17. Jahrhundert hindurch sind geätzte Schwertklingen auch bei Jagdschwertern sehr beliebt gewesen. Im letzteren Jahrhundert bildete sich für die Klingenätzung eine eigene bäuerliche Industrie im Allgäu, in dem Schwarz- und dem Bregenzerwald heraus, die zwar rohe aber äußerst charakteristische Erzeugnisse zutage förderte. Ferdinand I. gründete 1558 die heute noch immer ansehnliche Feuergewehrindustrie zu Ferlach in Kärnten. Er berief hierzu Arbeiter aus den Niederlanden. Das Eisen zur Fertigung der Läufe wurde aus der nächsten Umgebung bezogen, wie auch die Bohrungen am Ort selbst vorgenommen wurden. Ihre Berühmtheit verdankt sie den außerordentlich präzisen Montierungen. Unter Kaiser Rudolf wurden die italienischen Industriestädte für Waffen sehr in Anspruch genommen, aber auch Passau arbeitet viel für den Kurfürsten Maximilian von Bayern. Von etwa 1600 an hebt sich in den österreichischen Erblanden die Fabrikation von Feuergewehren. Im Jahr 1657 gründete Kaiser Ferdinand III. die später zu bedeutendem Ansehen gelangte Feuergewehrfabrik zu Wiener Neustadt, deren erste Arbeiter gleichfalls Niederländer waren. Sie wurde indes um 1750 wieder aufgegeben. In Tirol, in Böhmen erstehen ausgezeichnete Meister für geschnitzte und eingelegte deutsche Schäfte, für Radschlösser etc. Später treten auf diesem Gebiet die Wiener Meister hervor, die ersichtlich im Kontakt mit den Augsburgern stehen, aber auch Brescianer Eisenarbeit zu erreichen streben. All diesen Bemühungen macht die Erfindung des Flintenschlosses und die Umgestaltung des Schaftes nach französischem Muster ein Ende. So wie im westlichen Deutschland beeilen sich auch die österreichischen Büchsenmacher, die neuen Gewehrformen nachzuahmen, und nach wenigen Jahrzehnten, um 1680, arbeiten sie Ziergewehre für die Jagd, Pistolen und dergleichen, die den französischen an Güte nicht nachstehen, in der Zeichnung der Verzierungen aber diese nicht selten übertreffen. Zu den hervorragendsten Meistern zählen wir S. Hauschka und Neureiter in Prag, L. Becher in Karlsbad, G. Keiser in Wien, G. Dünkl in Schwatz u. a.

 

Zum Schluss wenden wir uns zum Orient, der ja als die Wiege der Waffenschmiedekunst anzusehen ist. Von den Schneegebirgen des Himalaya zogen in der Mitte des 2. Jahrtausends vor Christi die ersten Eisenschmiede in den Pendschab hinab, mächtig breitete sich in dessen Tälern die Waffenindustrie aus und von hier aus gelangte die Verarbeitung des Eisens zu Waffen nach Hinterindien, Siam, China, Japan einerseits, nach Persien, Arabien und Phönizien andererseits. Zur Zeit Alexanders des Großen besaß indischer Stahl, der schon damals als Rohprodukt in den Handel kam, einen ungemein hohen Wert. Indisches Eisen wird der feinen Politur wegen, die es annahm, bei den Alten ferrum candidum8 genannt. Die berühmtesten Klingen lieferte das Gebiet von Bokhara, der Stahl aber gelangte dahin aus Missore, Lahore, teils auch aus Kutsch und aus den Blauen Bergen. Die indischen Waffen wurden in großen Massen nach Europa ausgeführt, ein Teil über Adola, das heutige Aden; ein nicht minder bedeutender ging auf den Markt nach Damaskus. Nächst Indien ist Persien in der Klingenerzeugung zu hohem Ruhm gelangt, wiewohl auch hier meist indischer Stahl verarbeitet wurde. Großes Ansehen genossen die Werkstätten von Khorassan, deren Hauptsitz die Stadt Mesched war, nicht minder geschätzt waren die Klingen aus Kerman, jene aus Schiras und Ispahan. Im Mittelalter wurden auch die Panzer von Samarkand, die Klingen von Herat mit Auszeichnung genannt.

 

Für die Waffenerzeugung war seit dem Altertum auch Armenien ein klassisches Gebiet. Sein Ruhm schreibt sich von einer uralten Waffenschmiedfamilie her, den Yedi-Kardasch, den sieben Brüdern9. Vom Mittelalter an ragen die Werkstätten von Erzerum, Tiflis und Akhlat durch ihre Erzeugnisse hervor, die selbst bis auf den Markt von Damaskus zu dringen vermochten.

 

Die bedeutsamste Stadt in der Geschichte der Waffen ist Damaskus am Antilibanon. Die schönste, berühmteste und nach der Meinung der Orientalen auch die älteste, auf deren Markt die kostbarsten Schätze Indiens und Persiens sich sammelten. Wer ein kostbares Schwert erwerben wollte, zog nach Damaskus. Seine Klingen sind bis zum heutigen Tage sprichwörtlich geworden und wenn auch nicht alle dort gekauften Klingen aus dieser Stadt selbst, ja die besten aus Persien und Tiflis stammten, so zählte man dort doch hochberühmte Klingenschmiede. Die ersten und reichsten Tausiaarbeiten kamen aus Indien und Siam, wurden aber, da sie zuerst von dem ungeheuren Basar von Damaskus aus in die Welt gelangten, durchweg als Damaszenerarbeiten berühmt. In der Periode der Kreuzzüge, wo ein Massenbedarf an Waffen eingetreten war, entwickelte sich die quantitative Leistungsfähigkeit der Industrie in Damaskus selbst so großartig, dass sie die persische und armenische Ware allmählich völlig verdrängte, obwohl diese die einheimischen Erzeugnisse an Güte überragten. Wiederholt wurden bei der Eroberung der Stadt die Eisenarbeiter von den Siegern fortgeführt, so von Nebukadnezar und noch am Ende des 14. Jahrhunderts auch von Timur-Leng.

 

Eigentümlich hat sich die Waffenschmiedekunst unter den Arabern entwickelt. Die Araber waren vorwiegend ein Wandervolk, ihre einzigen Ansiedelungen am Roten Meer aber sind uralt. Schon 3000 v. Chr. erkämpften sie sich die Bergwerke am Sinai und der dort sich entwickelnde Bergbau fand eine ungemeine Unterstützung in der Neigung des Arabers zur Handelstätigkeit. Vom Sinai, aus Usal, dem heutigen Sanaa, gelangten die aus feinstem Stahl gearbeiteten Waffen nach Tyrus und von da nach Europa.

 

Die arabischen Waffenschmiede waren nirgends sesshaft; sie wanderten unter den nomadischen Stämmen herum und hatten die Gewohnheit, dass sie, an einem Ort angelangt, den Tag ihrer Weiterreise nie angaben, weshalb man sich auf ihre Beteuerungen nie verlassen konnte. Ihre Unzuverlässigkeit wurde darum sprichwörtlich. Die berühmtesten arabischen Schwerter waren die Hanifitischen, von ihrem Meister Alhanaf-ben-Kais so genannt. Auch die Klingen des Waffenschmiedes Soraidj werden in den Schriften mit großer Verehrung erwähnt. Nicht weniger berühmt waren die arabischen Ringpanzer, die nicht selten eigene Namen trugen. Die besten Ringpanzer kamen aus Soluk in Jemen. Zweifelsohne hat zur Entwicklung der arabischen Waffenschmiedekunst persischer Einfluss beigetragen.

 

Die eigentliche Kunsttechnik der Inder, Perser und Araber erstreckte sich hauptsächlich auf die Tausia, das Niello und die Schnitzerei. Die Entwicklung des Stiles war, wie überhaupt im Orient, durch die religiösen Satzungen beeinflusst, die ihr einen nur sehr schmalen Weg übrigließen. Die Inder vermeiden figürliche Darstellungen, unter denen sie immer nur Göttergestalten verstanden, auf profanen Gegenständen. Den Arabern verbietet das mohammedanische Gesetz geradezu die Nachbildung der menschlichen Gestalt und der Tierwelt. Ohne Zweifel benutzten die Araber vor Mohammed figürliche Motive zu dekorativen Zwecken, aber Waffen aus jener fernen Zeit sind nicht auf uns gekommen. So beschränkte sich der orientalische Motivenschatz notgedrungen auf das botanische Gebiet. Die stilistische Ausgestaltung der Pflanzenwelt bei den Arabern hat mit den Uranfängen der Kunst im Norden Europas, in den altslawischen Gebieten etc. eine überraschende Ähnlichkeit. Die Schrift als dekoratives Mittel zu benutzen haben die Araber um das Jahr 1000 n. Chr. zuerst begonnen; nach ihnen versuchten es auch die Perser, die als Schiiten übrigens an figürlichen Darstellungen keinen Anstoß zu nehmen pflegten. Ornamente mit eingestreuten Tieren sind daher, wenn nicht ihr Stil auf andere Gebiete, wie etwa Indien, Siam, China etc., weist, was leicht zu unterscheiden ist, als persisch zu betrachten, wenn auch arabische Formen mit unterlaufen. Die Sarazenen sowie die Mauren in Sizilien und Spanien haben sich nicht immer streng an das mohammedanische Gesetz gehalten, denn wir besitzen von ihnen zahlreiche ornamentale Gebilde mit Tier- und selbst mit Menschengestalten. Der Löwenhof der Alhambra ist ja für dieses Hinwegsetzen über religiöse Satzungen ein monumentaler Beweis. Ungemeines Geschick zeigen alle orientalischen Völker in der farbigen Behandlung des Ornaments; das erlernten von ihnen auch die Byzantiner. Die übermäßige Auszierung der Gegenstände mit kostbaren Steinen, die wir vom 7. Jahrhundert her an arabischen Waffen, später auch an byzantinischen merken, bedeuten einen Rückgang in der dekorativen Kunst. Vorwiegend wird der Türkis verwendet, der vom Sinai und aus Persien von Nischapur bei Mesched bezogen wurde.

 

So geschickt die Chinesen auch in allen Handfertigkeiten sind und so alt auch ihre Bekanntschaft mit dem Eisen ist, in der Waffenfabrikation standen sie immer hinter ihren westlichen Nachbarn, den Siamesen und Indern, aber auch hinter ihren Brüdern, den Japanern, zurück. Die ältesten Eisenwerke Chinas waren in Schansi und Tschilili in der Provinz Ho und in Hai-schan im Südwesten; die dort bereiteten Stahlsorten wurden zu Schwertern, Spießeisen und Messern verarbeitet.

 

Weit vollkommener ist die Eisen- und Stahlbereitung sowie die Waffenindustrie in Japan. Das Eisen wird an verschiedenen Stellen gewonnen, am meisten da, wo die drei Provinzen Mimesaka, Bitspi und Bisen zusammenstoßen. Japanische Klingen sind so vortrefflich gearbeitet, dass sie den Damastklingen zur Seite gestellt werden; freilich standen sie auch ungemein hoch im Preis. Die Bereitung des Stahles wird als Geheimnis gehütet; nach Swedenborg10 schmieden sie Eisen in Stangen aus, die sie an gewissen sumpfigen Orten in den Boden eingraben und sie dort so lange liegen lassen, bis die größten Teile vom Rost verzehrt sind; dann graben sie sie aus, schmieden sie von neuem und vergraben sie nochmals. So behandeln sie das Metall acht bis zehn Jahre, d. h. solange, bis die minderwertigen Teile fast gänzlich durch die Salze im Sumpfwasser verzehrt sind. Der übrigbleibende Teil ist der reinste Stahl.

 

Das Handwerk des Schwertfegers gehörte in Japan zu den geachtetsten Gewerben und selbst Prinzen, wie Idzumi (um 1350) hielten es nicht unter ihrer Würde, Klingen zu schmieden. Die Liste der berühmten Schwertfeger Japans reicht 800 Jahre hinauf, der älteste bekannte ist Jukimitzu; seine Klingen werden nur noch als Weihgeschenke in Tempeln getroffen; der berühmteste aber ist Másamune (2. Jahrhundert). Klingen dieses Meisters tragen keine Zeichen. Der Samurai (Krieger), sagte er, der wert sei, seine Klinge zu besitzen, müsse sie auch ohne Inschrift erkennen.

 

1Riaño, J., The industrial Arts in Spain. London 1879.

 

2Martinez de Espinar Alonso, Arte de Ballesteria y Monteria. Madrid 1644.

 

3Gay, V., Glossaire archéologique.

 

4Rondot, Natalis. Les artistes et les maîtres des métiers étrangers ayant travaillé à Lyon. Gazette de Beaux-Arts 1883.

 

5L’art ancien à l’Exposition Nationale Belge, publié sous la Direction de Camille de Roddaz, Armurerie par E. Vanvinkeroy, Chef de la Section d’armes au Musée Royal d’antiquités à Bruxelles. Bruxelles et Paris 1881.

 

6Es ist bezeichnend, dass althochdeutsch madalgêr, mittelhochdeutsch madelger die Kreuzwurz (Gentiana cruciata) genannt wurde, die in der nordischen Mythologie eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Sie erhielt ihren Namen von Madelger, dem Vater Heimirs. (Grimm, Mythologie.)

 

7Gurlitt, Corn., Deutsche Turniere, Rüstungen und Plattner im 16. Jahrhundert. Dresden, 1889.

 

8Beck, D. Ludw. Die Geschichte des Eisens. Braunschweig 1884.

 

9Beck, l.ca.

 

10Swedenborgius, De Ferro. 1734. p. 194. — Beck, l.ca.

 

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Quelle: Handbuch der Waffenkunde von Wendelin Boeheim.