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Die Macht der Geistlichen im 13. Jahrhundert

Die Bischöfe zeigten sich nicht zufrieden mit einer Autorität in geistlichen Dingen, sie wollten zugleich, im direktesten Widerspruch mit der Lehre Christi, Landesherrn und Despoten sein. Nicht leicht war ihnen etwas zu heilig, um es zu verletzen, nicht leicht ein Mittel zu ruchlos, um sich dessen zu bedienen, wenn es sich darum handelte, ihren weltlichen Besitz zu erweitern und gegen göttliches und menschliches Recht freie Männer zu ihren „Untertanen“ zu machen. Wer sich darüber belehren will, studiere nur die Geschichte der deutschen Reichsstädte, welche zugleich Bischofssitze waren. Ihre Chroniken sind voll von Berichten über Ströme vergossenen Christenblutes und Frevel und Schandtaten jeder Art, die ihre Bischöfe bald in offenen Kampf mit Feuer und Schwert, bald durch Tücke, List und scheußlichen Verrat anwandten, um die Einwohner der Stadt ihrer politischen und bürgerlichen Freiheit zu berauben. Die Geschichte kennt keine grausamere und perfidere Individuen, als z. B. die Kölner Erzbischöfe Engelbert von Falkenburg (von 1261 — 1274) und dessen nächsten Nachfolger Siegfried von Westerburg in ihren Kämpfen, Intrigen und Verrätereien gegen die Stadt Köln, um dieselbe rechtswidrig der weltlichen Herrschaft des „Bischofs“ zu unterwerfen. Banditen und Mordbrenner aller Länder, Meineid und Betrug in jeder Gestalt waren ihnen willkommene Mittel zum Zweck.


Und welche andere deutsche Bischofsstadt hätte nicht ähnliche Erlebnisse mit solchen „Gesalbten des Herrn“ in ihrer Geschichte verzeichnet! Nicht besser machten es die Klosteräbte und die kleineren geistlichen Herrschaften gegen die Dorfgemeinden und freien Männer in ihrer Nähe, sobald sie nur einen passenden Raubritter zum Dienst des Klosters in Bewegung zu setzen vermochten. Die Päpste wollten direkt ganz Italien, indirekt die ganze Erde auch in weltlichen Dingen regieren, die Bischöfe weltliches Gebiet haben, und, als wenn es noch eines weiteren Beweises für die Qualifikation ihrer „Jüngerschaft Christi“ bedurft hätte, es führte zuweilen auch ein Bischof noch mit dem anderen blutigen Krieg um einige Dörfer.


Wie man Städte und Gemeinden sich anzueignen suchte, so streckte man mit nicht geringerer Habsucht nach dem Privatvermögen des einzelnen Mannes die Priesterhand aus. Auch hierbei war man in der Wahl der Mittel nicht verlegen. Rohe Gewalt, Erbschleicherei und Gimpelfang [„Dummenfang“] durch alle Kniffe des Aberglaubens ergänzten sich gegenseitig. Da war es denn kein Wunder, dass schon wenige Jahrhunderte nach Einführung des Christentums in Deutschland die Priester den größten Teil des beweglichen und unbeweglichen Besitzes unter irgendeiner Form als Bischofs-, Kloster-, Kirchen-, Pfarr- oder Stiftungsgut sich entweder geraubt oder erschlichen hatten, während als „Gotteslohn“ und Folge ihrer „Bekehrung“ die Nachkommen der freien Germanen, auf dem ihnen entrissenen Boden ihrer Väter als rechtlose Leibeigene der Priester und der mit letzteren verbündeten „adeligen“ Räuber schmachteten. Wehe demjenigen Ehrenmanne, der es wagte, ihnen bei diesen Bestrebungen in den Weg zu treten und göttliches und menschliches Recht gegen sie zu verteidigen. Kein Barbar des Altertums war so erfinderisch im Martern und in der Grausamkeit, als die Priester.


Hierfür nur einige Beispiele: Der Erzbischof Anno von Köln, welchen die Kirche zum Heiligen erklärt hat, der also noch einer der Besten sein soll, hatte zum Osterfest 1063 zahlreiche Gäste. Er wollte mit letzteren eine Lustfahrt auf dem Rhein machen und beauftragte seine Diener, hierzu ohne Weiteres das schönste Bürgerschiff, welches sich auf dem Strom befinde, zu rauben. Die Knechte des Erzbischofs trafen ein mit Waren beladenes Kaufmannsschiff, welches ihnen gefiel. Sofort stürzten sie darüber her und fingen an, die Waren in den Rhein zu schleudern. Eilig kam der Sohn des Kaufmanns, welchem das Schiff gehörte, mit vielen Bürgern herbei und reklamierte sein Eigentum. Die bischöflichen Knechte wiesen ihn mit Hohn ab, wie sie es gewohnt waren, der benachrichtigte Erzbischof schickte ihnen alle seine Schergen zu Hilfe, um in praktischer Anwendung seiner Heiligkeit das Schiff um jeden Preis zu behalten. Über einen so unverschämten Raub geriet denn schließlich das Blut der Bürger in Wallung, damals war das Volk noch nicht so feige und sittlich entnervt wie später. Man setzte in Verteidigung des Privateigentums Gewalt der Gewalt entgegen und schlug die bischöflichen Raubgesellen in die Flucht. Doch jetzt floh der Erzbischof aus der Stadt, sammelte ein Heer von Raubrittern, vernichtete und zerstörte mit Feuer und Schwert alles Eigentum der Bürger vor den Toren und lähmte ihren Handel. Als er mit seiner Bande in die Stadt eindrang, hielt er auf dem Domplatz „Gericht“, ließ den Sohn des Kaufmanns, der nur das Eigentum seines Vaters verteidigt, mit vielen hundert anderen beinahe zu Tode geißeln und ihnen dann allen die Augen ausstechen. Hat die Welt jemals einen gröberen Betrug gesehen, als in der Behauptung liegt, dass solche „Erzbischöfe“ und ihr ganzes System nur eine entfernte Spur mit dem Evangelium Jesu und einem „Gott der Liebe“ gemein haben könnten?


Am Pfingstfest des Jahres 1065 würgten und prügelten sich der Bischof von Hildesheim und der Abt von Felde mit ihrem zahlreichen beiderseitigen Anhang und Gefolge öffentlich in der Kirche zu Goslar, weil keiner von beiden gestatten wollte, dass der andere bei der Prozession vor ihm den Vortritt habe. Die Kirche wurde mit Toten und Verwundeten angefüllt. „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!“, sagt Jesus.


Der Graf Adolf der VII. von Berg hatte den Bürgern von Köln Beistand geleistet und in Verteidigung ihrer politischen Freiheit über ihren Erzbischof Siegfried von Westerburg im Jahr 1288 bei Worringen einen glänzenden Sieg erkämpft. Aus Rache hierfür ließ der Erzbischof sieben Jahre später den Grafen von Berg durch Falschheit überfallen, in seine Gewalt bringen, ihn dann völlig nackt mit Honig bestrichen, dreizehn Monate lang in einen engen eisernen Käfig den Stichen der Insekten aussetzen.


Auf einem Dorf bei Stade hatte ein armes Weib dem Pfarrer als Beichtgeld nur einen Groschen geben können, was Letzterem zu wenig war. Wahrscheinlich um für den Wert seines Glaubens Zeugnis abzulegen, steckte der Priester der Frau bei der Kommunion statt der Hostie ihren Groschen wieder in den Mund. Bis zu solchem Grad fühlten die Priester das Bedürfnis, öffentlich zu bestätigen, dass sie nur als schmutzige Wechsler im Tempel saßen und dass das Geld ihre Religion sei. Doch dieser Frevel empörte das religiöse Gefühl der Bauern, sie ergriffen den Pfaffen und hingen ihn an den Galgen. Dafür belegte sie nun der Erzbischof von Bremen mit Bann und Interdikt, ließ in der ganzen Landschaft, welche mit jener Dorfgemeinde gemeinsame Sache machte, zwanzig Jahre lang durch seine Kriegsknechte morden und brennen, ohne die tapferen Bauern, echte Abkömmlinge der alten Germanen, besiegen zu können. Denn das Pfaffentum war bereits so verhasst, dass die Stedinger von allen Seiten Zuzug erhielten gegen ihren Tyrannen. Da ließ der Erzbischof wider die rechtschaffenen Christen förmlich einen „Kreuzzug“ predigen wie gegen Heiden und Türken, auch ließ er die Dämme durchstechen, um das ganze Land durch die Meeresfluten zu verderben.


Dennoch hielten sich die Helden noch ein ganzes Jahr, erst 1223, als ein neues „Kreuzheer“ von mehr als 40.000 Mann über sie herfiel, unterlagen sie nach tapferster Gegenwehr. Glücklich, die durch das Schwert fielen, die Übrigen verzehrte die Flamme des Scheiterhaufens. Der Erzbischof ließ das ganze Land systematisch verwüsten, die Dörfer mit den Einwohnern verbrennen, nicht das Kind in der Wiege blieb verschont. Dann wurde das Gebiet mit knechtischem Gesindel bevölkert, welches man aus dem benachbarten wendischen Mecklenburg herbeizog.


Solcher Beispiele ließen sich noch zahlreiche anführen. Das Geld wurde ganz öffentlich als die Seele der Religion behandelt. Wenn der Papst seine Ablasskrämer nach Deutschland schickte, musste er den Bischöfen, vor allem dem Erzbischof von Mainz, vom Ertrag des Ablasses in ihren Diözesen einen bestimmten Rabatt bewilligen, sonst bekämpften sich die „Heiligen“ untereinander durch Ränke aller Art. Aber die Herrschsucht, Habsucht und Rachgier der Priesterschaft waren nicht einmal das Schlimmste. Ihre vierte Kardinaltugend, die Unzucht, lastete fast noch schwerer auf dem unglücklichen Volk und gab schauderhaftes Ärgernis. Sobald Bischöfe, Klöster und Weltpriester über ungeheure Reichtümer verfügten, nahm unter ihnen ein wahres Lasterleben überhand. Und seitdem sie weltliche Herrschaft übten und die Gewalt hatten, durch Galgen, Räder, Geißel und Scheiterhaufen die Vertreter der Moral im Land stumm zu machen, wurde nicht einmal der äußere Anstand mehr gewahrt, sondern ohne Scham und Scheu türkische Zustände gepflegt.

Frankreich Kardinäle Symbolbild geistliche Führer

Textquelle: Geschichte der Hexen und Hexenprozesse, Carl Lempens, 9783746786117

Bildquelle oben: Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde in den Jahren 1857-1859 unter den Befehlen des Commodore B. von Wüllerstorf-Urbair. (Physikalische und geognostische Erinnerungen von A. v. Humboldt.) Wien, 1861.

Bildquelle unten: Bruxelles à travers les àges. (Troisième volume ... par H. Hymans, P. Hymans.) Brüssel, 1882.


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