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Die Fahne und das Feldspiel

Der Gebrauch von Fahnen in den Heeren reicht bis nahezu an die Grenzen unserer geschichtlichen Kenntnis zurück1. Die Fahnen und Feldzeichen hatten nicht allein einen praktischen Zweck als weithin sichtbare Vereinigungspunkte und als Ausgangspunkt des Befehles, sondern auch eine moralische Bedeutung, indem durch sie das Heer oder der Heerteil in seiner Streitbarkeit gekennzeichnet wird. Nach beiden Richtungen hin haben die Fahnen und Feldzeichen bereits im Altertum gedient. In ihren äußerlichen Formen, wie in ihrer Bedeutung sind sie auf die das Erbe Roms antretenden und alle übrigen nordischen Völker übergegangen. Eine Art kleiner Reiterfahnen, ähnlich wie die späteren Lehensfahnen, führten schon die sarmatischen Krieger in der Zeit der Völkerwanderung im 5. Jahrhundert, wie wir an dem Bild des Reiters auf einem Gefäß im Goldfund von Szent Miklos (Fig. 133) ersehen; sie war viereckig und oberhalb in zwei Wimpel geschnitten. Genauer betrachtet ist die Form des Fahnenblattes schon vollkommen jene der viele Jahrhunderte späteren Lehensfahnen, die in einem Wimpel ausliefen, der lang und spitz geschnitten war. Unterhalb setzte sich das Blatt gerade abgeschnitten fort. Niemand wird die Ähnlichkeit der in den Figuren 133 und 596 dargestellten Fahnenblätter verkennen, wenn sich auch in ersterer zwei Wimpel zeigen. Auch die mohammedanischen Völker bedienten sich von ihrem ersten Auftreten an ähnlicher Feldzeichen, doch haben diese in der Folge manche Formeneigentümlichkeiten von den Byzantinern und selbst von den Heeren der Kreuzfahrer angenommen.

 

1„Die Kinder Israel sollen vor der Hütte des Stifts umher sich lagern, ein jeglicher unter seinem Panier und Zeichen.“ 4. Buch Moses, Kap. 2, 2.

Fig. 590. Reiterfahne aus dem Psalterium aureum von St. Gallen. Ende des 8. Jahrhunderts. Nach Rahn. Fig. 591. Heinrich von Metz mit der Oriflamme nach dem Glasgemälde in der Kathedrale zu Chartres. 13. Jahrhundert. Nach Müller-Mothes, Arch. Lexikon. Fig.

Fig. 590. Reiterfahne aus dem Psalterium aureum von St. Gallen. Ende des 8. Jahrhunderts. Nach Rahn.

Fig. 591. Heinrich von Metz mit der Oriflamme nach dem Glasgemälde in der Kathedrale zu Chartres. 13. Jahrhundert. Nach Müller-Mothes, Arch. Lexikon.

Fig. 592. Drache als Feldzeichen. Nach dem Relief auf der Columna Trajana. 2. Jahrhundert.

 

Eines der ältesten Beispiele der Verwendung von Heerfahnen am Ausgang der antiken Zeit bilden die Fahnen Theodorichs des Großen und seines Gegners Odoaker, Ende des 5. Jahrhunderts. Erstere war weiß und golden, letztere schwarz, golden und grün. Beide waren über und über mit großen Schellen behängt, ein Umstand, der die Absicht erkennen lässt, den Standpunkt und die aufrechte Stellung der Fahne auch durchs Ohr wahrnehmbar zu machen. Bis in die späteste Zeit waren die Feldfahnen in der Tat nicht allein von den verlässlichsten zu ihrem Schutz bestimmten Kriegern, sondern auch von Spielleuten umgeben.

 

Bis ins 9. Jahrhundert bestand die Fahne aus einem Stück Stoff, welches, ähnlich dem römischen vexillum, an einen Querstab geheftet, mit Schnüren an einer Spießstange (Fahnenstock) befestigt war.

 

Fig. 593. Drache als Reiter-Feldzeichen. Aus einer Miniatur im Psalterium aureum von St. Gallen. Ende des 8. Jahrhunderts. Nach Rahn. Fig. 594. Drache als Feldzeichen. Aus der Tapete von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.

Fig. 593. Drache als Reiter-Feldzeichen. Aus einer Miniatur im Psalterium aureum von St. Gallen. Ende des 8. Jahrhunderts. Nach Rahn.

Fig. 594. Drache als Feldzeichen. Aus der Tapete von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.

 

So erscheint auch die Fahne Karls des Großen auf einem Mosaik im Lateran. Erst unter dem byzantinischen Kaiser, Leo V., wurde das Fahnenblatt unmittelbar an den Stock befestigt.

 

Im Psalterium aureum von St. Gallen erblicken wir die Fahne nur ein einziges Mal; sie erscheint hier in roter Farbe, in drei Wimpeln geschnitten und mit großen Ringen an den Schaft befestigt. (Fig. 590.) Bedeutsam ragt in der Geschichte die Kriegsfahne der Könige von Frankreich, die Oriflamme (auri flamma), hervor, die von 1124—1415 dem französischen Heer voranflatterte. Sie war ursprünglich die Kriegsfahne der Abtei St. Denis in der Form des alten Labarum Konstantins und bestand aus einem Blatt aus roter Seide, welches unterhalb in fünf Spitzen endete und mit grünen Fransen besäumt war. So ist sie abgebildet in einem Glasgemälde in der Kathedrale zu Chartres aus dem 13. Jahrhundert. (Fig. 591.) Mit der allmählichen Verbreitung und Erstarkung des Lehenswesens vervielfältigten sich die Formen der Fahnen nach Größe und Bedeutung. Zur Hauptfahne, dem Reichsbanner, des Kaisers und der Könige gesellten sich die Lehensfahnen und die Ritterfahnen mit ihren Fähnlein, welche alle seit dem 11. Jahrhundert gewisse feststehende Abzeichen an sich trugen. In den ersten Kreuzzügen wurde dem Christenheer ein Heerbanner aus Seide mit dem weißen Kreuz im roten Feld vorangetragen.

 

Das älteste deutsche Reichsbanner war rot und mit dem Bild des Erzengels Michael geschmückt, erst von Kaiser Sigismund an mit dem Reichsadler. Von Mailand ausgehend, bürgerte sich im 11. Jahrhundert bei den Streitvölkern der italienischen Städte, aber auch in England und selbst bei den Sarazenen der vierräderige Fahnenwagen, der Carroccio, ein, der von Ochsen oder Stieren gezogen wurde und auf welchem die Fahne an einem aufrecht stehenden Mastbaum angeheftet war. Dieser Wagen, der gewissermaßen die Streitmacht und ihre volle Kampffähigkeit symbolisierte, war stets von einer auserlesenen Schar von Kriegern und von der Feldmusik begleitet.

 

Fig. 595. Verwundeter Träger eines Drachens. Aus der Tapete von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.

Fig. 595. Verwundeter Träger eines Drachens. Aus der Tapete von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.

 

Bereits zur Kaiserzeit Roms treffen wir auf Feldzeichen für einzelne kleinere Heerteile, die ihrer sonderbaren und bizarren Form wegen auffallen. Es sind dies bemalte und vergoldete plastische Figuren in der Form von Drachen, welche auf langen Stangen getragen wurden. Das Abbild eines solchen Drachens erscheint schon auf der Trajanssäule, wo es von dakischen Abteilungen geführt wird. Diese Drachen haben sich als Feldzeichen Jahrhunderte lang in den Heeren erhalten, denn wir finden sie noch im Psalterium aureum und auch noch in der Tapete von Bayeux1, also noch bis ans Ende des 11. Jahrhunderts. (Fig. 592 - 595.) Derlei Drachenbilder führten nach Widukinds Res gestae Saxonicae auch im 10. Jahrhundert die heidnischen Sachsen im Feld und auch das Rolandslied erwähnt der mit Gold und Edelsteinen besetzten Drachen der Heiden im Gegensatz zu den christlichen Fahnen, auf welchen religiöse Embleme dargestellt waren2.

 

1In den Darstellungen der genannten Stickerei kommen bereits Reiterabteilungen mit verschiedenartig gestalteten Fähnlein vor.

2Vergl. die Ausgabe von Ekkehards Casus St. Galli (Mitt. z. vaterländ. Geschichte, herausgegeben vom histor. Verein von St. Gallen durch G. Meyer von Kronau, St. Gallen 1877, pag. 140, No. 488).

 

Fig. 596. Lehenfahne mit angefügtem Wimpel. 13. Jahrhundert. Fig. 597. Herzog Leopold der Tugendhafte (1157—1194) mit der Lehenfahne auf einem Siegel im Archiv des Stiftes Heiligenkreuz. Nach Sava.

Fig. 596. Lehenfahne mit angefügtem Wimpel. 13. Jahrhundert.

Fig. 597. Herzog Leopold der Tugendhafte (1157—1194) mit der Lehenfahne auf einem Siegel im Archiv des Stiftes Heiligenkreuz. Nach Sava.

 

Die Formen der späteren Lehensfahnen waren verschieden. Vom 13. Jahrhundert an besaßen sie u. a. die in Fig. 596 angegebene, die immer ausgespannt erscheint, um das Lehen in dem Blason des Blattes rascher erkennen zu lassen. Am häufigsten aber finden wir die an die Oriflamme erinnernde Form vom 11. Jahrhundert an in Siegeln bis ins 12. Jahrhundert, wo das Blatt in zwei bis vier Wimpeln ausflattert. (Fig. 597.) Die Ritterfahnen, Fähnlein, sind meist klein, quadratförmig oder rechteckig, im letzteren Fall mit einer langen Seite an die Stange geheftet. (Fig. 598.) Später entstand dafür die Bezeichnung Rennfahne, die noch bis in die Zeit Maximilians I. für sie gebräuchlich war. Sie finden sich auch nicht selten, namentlich in Frankreich und in Burgund, im 13. und 14. Jahrhundert mit steifem Blatt und unterscheiden sich zuerst durch die Farbe allein, später auch durch den heraldischen Blason. Nicht selten besaßen sie eine dreiseitige Form, man nannte sie dann pennons (Federn, ihrer schwachen Schäfte halber, Fig. 599). Wir bringen zum Vergleich eine deutsche Rennfahne, sie gehörte dem Ritter Döring von Eptingen und wurde auf dem Schlachtfeld von Sempach 1386 erbeutet. (Fig. 600.) Sie ist mit Applikationsstickerei geziert und stammt aus dem Zeughaus zu Luzern.

 

Fig. 598. König Ottokar von Böhmen als Herzog von Österreich (1230—1278) mit der Rennfahne, auf einem Siegel im k. k. Staatsarchiv zu Wien. Nach Sava.

Fig. 598. König Ottokar von Böhmen als Herzog von Österreich (1230—1278) mit der Rennfahne, auf einem Siegel im k. k. Staatsarchiv zu Wien. Nach Sava.

 

Einfache, wenn auch ritterbürtige Dienstmannen und Vasallen führten statt des Rennfähnleins oft nur ein farbigen Wimpel, dessen Blatt schmal und lang gezogen in eine Spitze geschnitten endete. Für die Fahnenspitzen hat sich das ganze Mittelalter hindurch keine bestimmte Form herausgebildet, man trifft daher in den verschiedenen Heeren die mannigfachsten Spießeisenformen; die Stangen oder Schäfte aus Holz blieben bis ins 15. Jahrhundert zylindrisch mit geringem Querschnitt. Erst um 1400, als man anfing, die Spieße in Rüsthaken einzulegen, welche auf der Plattenbrust befestigt wurden, gab man auch den Fahnenschäften die für das Einlegen berechnete Form und versah sie zuweilen auch mit eisernen Brechscheiben.

 

Fig. 599. Louis I. von Bourbon (1339—1384) mit dem Pennon auf einem Siegel im Archiv zu Paris.

Fig. 599. Louis I. von Bourbon (1339—1384) mit dem Pennon auf einem Siegel im Archiv zu Paris.

 

Mit der Einführung geworbener Heere veränderte sich unter Maximilian I. und Ludwig XII. die innere Organisation des gesamten Kriegswesens, wodurch auch die Fahnen in ihrer Form und Verteilung wesentliche Änderungen erfuhren. Die Reiterei, die alten Traditionen bewahrend, blieb den alten Formen mit Zähigkeit zugetan. Das Regiment, bestehend aus adligen Kürissern und aus Reisigen, wurde in drei bis vier Abteilungen, Fahnen genannt, geteilt. Vor jeder Fahne ritt deren Hauptmann mit dem Rennfähnrich (cornet), der die Rennfahne trug. Bei den Fußtruppen, den Landsknechten, Schweizern etc., hatte sich eine eigene Organisation entwickelt. Das Regiment führte die Hauptfahne und jedes seiner einzelnen Abteilungen kleinere Fahnen, Fähnlein genannt; dem Heerführer wurde das Banner vorangetragen. Bei den Fußregimentern, welche in jener Zeit, ihre Wichtigkeit fühlend, sehr zu Übertreibungen geneigt waren, waren alle Fahnen von einer manchmal staunenswerten Dimension, was die Ausdehnung des Blattes betrifft; dafür war die Stange so kurz, dass sie unterhalb nur soweit hervorragte, dass der Fähnrich imstande war, sie mit beiden Händen anzufassen. Sie zu tragen und im Gefecht zu schwingen, war eine längere Einübung unerlässlich. Jede Fahne war von einer Schar auserlesener Landsknechte umgeben, welche mit mächtigen zweihändigen Schwertern, Bidenhandern, Schlachtschwerter genannt, bewaffnet waren. Ihnen zunächst schritten die Trommler und Pfeifer, das sogenannte Feldspiel. (Fig. 601.)

 

Fig. 600. Rennfähnlein des Ritters Döring von Eptingen, gefunden auf dem Schlachtfeld von Sempach. 1386.

Fig. 600. Rennfähnlein des Ritters Döring von Eptingen, gefunden auf dem Schlachtfeld von Sempach. 1386.

 

Fig. 601. Landsknecht als Fahnenträger. Nach Jac. Köbel Wappen des heil. Röm. Reichs (Bartsch IX, 157). Zweite Ausgabe des Sigm. Feyerabend 1579, Holzschnitt von ca. 1515.

Fig. 601. Landsknecht als Fahnenträger. Nach Jac. Köbel Wappen des heil. Röm. Reichs (Bartsch IX, 157). Zweite Ausgabe des Sigm. Feyerabend 1579, Holzschnitt von ca. 1515.

 

In den türkischen Heeren waren in jener Zeit die organisatorischen Einrichtungen so vielgestaltet, dass wir in den Formen und der Verteilung der Fahnen und Feldzeichen wesentliche Unterschiede bemerken. Ohne auf die vielen Formen von Fahnen und Feldzeichen hier einzugehen, welche unter den Hilfsvölkern der osmanischen Reichsmacht gebräuchlich gewesen sind, beschränken wir uns auf die Beschreibung jener, welche in den Truppen des Hauptheeres selbst vom 15. bis ins 18. Jahrhundert geführt wurden.

 

Alem, im Volksmund Blutfahne genannt, ist das Banner des Heerführers. Das Fahnenblatt von rotem Damast, meist 4,5 m lang und 3 m breit, unten spitz zulaufend, hängt an einer Querstange in der Art eines vexillum. In dem Stoff finden sich religiöse Sprüche und Symbole in Gold eingewebt: zunächst das Glaubensbekenntnis, dann einzelne Verse der 48. Sure des Korans (Sure des Sieges), ferner ein Abriss der Rachehand des im Jahr 660 v. Chr. ermordeten Kalifen Alî und dessen mit zwei Klingen ausgestatteten Schwertes des Dsû-l-fakâr, d. h. „des mit Rückenwirbeln begabten Schwertes Mohammeds“. Seltener finden sich Sprüche aus der 61. Sure des Korans darauf1. Eines der schönsten Exemplare ist das ’Alem des Seraskiers Suleiman Paschâ, welches vom Herzog Karl von Lothringen in der Schlacht bei Hamzabeg in der Nähe von Ofen am 22. Juli 1684 erbeutet wurde.

 

Sandschak, die Fahne des Statthalters einer Provinz, ist ähnlich dem ’Alem, nur verhältnismäßig kleiner, einfacher geschmückt und auf dem Blatt sind zumeist nur ein oder zwei Verse der Sure des Sieges ersichtlich.

 

Bairâk ist die Fahne der leichten Reiterei, der Deli, d. h. der Tollen oder närrischen Wagehälse, aus Freiwilligen bestehend, die in Asien angeworben wurden. Sie ist zumeist dreieckig, aus roter, auch gelber Leinwand gefertigt; die Buchstaben der Inschriften sind in rotem oder weißem Filztuch ausgeschnitten und roh aufgenäht, ebenso die Rachehand Alîs und der Dsû-l-’fakâr.

 

Tûg, der Rossschweif, besteht aus einer zylindrischen, innen hohl gebildeten, daher ungemein leichten Stange aus weichem Holz, welche mit orientalischen Ornamenten bemalt ist. Am oberen Ende befindet sich ein meist aus Metall getriebener Knauf, zuweilen auch ein Halbmond aufgesetzt. Unterhalb desselben ist ein entweder offener oder in Zöpfen geflochtener Rosshaarschweif befestigt, dessen Haare verschieden in Blau, Rot und Schwarz gefärbt sind. Zunächst an dem Rossschweif ist die Stange mit einem Gewebe aus Ross- und Kamelhaaren überzogen, die in mehreren Farben zuweilen sehr schöne Dessins zeigen. Die in Fig. 602 und 603 abgebildeten Rossschweife stammen aus der Mitte des 16. Jahrhunderts und wurden von Erzherzog Ferdinand von Tirol vermutlich im Feldzug 1556 erobert.

 

Der Rossschweif war kein Feldzeichen gleich den Fahnen, sondern das Zeichen einer Würde. Drei Rossschweife führten die Paschâ von dem Rang eines Vezîrs, deren zwei die Beglerbeg oder Statthalter, einen Rossschweif führte der Sandschâkbeg, d. h. Distrikts-Gouverneur. Die Tûg wurden von Silihdâren (Waffenträgern) getragen, welche man in diesem Fall tûgdschî (Rossschweifträger) nannte.

 

1Alle Benennungen orientalischer Waffen und Kriegsgeräte nach Prof. Dr. J. Karabaczcks Angaben im Katalog der histor. Ausstellung der Stadt Wien 1883.

 

Fig. 602. Rossschweif mit offenem Haarbusch. Die innere hohle, 3,50 m hohe Stange ist bemalt, der obere Teil mit einem Gewebe aus Rosshaaren überzogen. Trophäe aus dem Feldzug von 1556 in Ungarn.  Fig. 603. Rossschweif mit geflochtenem Haarbusch. Oberhalb

Fig. 602. Rossschweif mit offenem Haarbusch. Die innere hohle, 3,50 m hohe Stange ist bemalt, der obere Teil mit einem Gewebe aus Rosshaaren überzogen. Trophäe aus dem Feldzug von 1556 in Ungarn.

Fig. 603. Rossschweif mit geflochtenem Haarbusch. Oberhalb des letzteren ist die 3,64 m hohe Stange mit einem Gewebe aus Rosshaaren überzogen. An der Spitze befindet sich ein in Metall getriebener vergoldeter Knauf. Trophäe aus dem Feldzug von 1556 in Ungarn.

 

Im Dreißigjährigen Krieg veränderten sich in den okzidentalen Heeren die Formen der Fahnen nur wenig. In den Reiterregimentern wurde später nur eine Fahne, Standarte genannt, geführt, das Rennfähnlein kam bald gänzlich außer Gebrauch. In den Fußknechtregimentern führte, wie bisher, jeder Haufen (Fähnlein) seine Fahne, zu ihrer Verteidigung in der Schlacht bediente man sich aber nicht mehr der zweihändigen Schwerter, sondern des Kurzgewehrs, worunter, im Gegensatz zu den langen Piken, die Helmbarte zu verstehen ist. Später kamen auch Schützen dazu.

 

Im 18. Jahrhundert wurden in allen Heeren, in den französischen zuletzt, die Dimensionen der Infanteriefahnen und Standarten bedeutend ermäßigt.

 

Eine Spezialität bildeten die sogenannten „Adler“, die Fahnen und Standarten der französischen Armee unter Napoleon I.

 

Das Feldspiel, das, wie wir gesehen haben, schon vom Altertum an in Verbindung mit den Fahnen und Feldzeichen auftritt, hat mit dem Fortschritt der Kultur und der Ausgestaltung des Kriegswesens bedeutende Änderungen erfahren. Es ist, man kann sagen, stetig von den rohesten Anfängen bis zur höchsten künstlerischen Durchbildung gelangt und sowohl der Orient als auch der Okzident hat hierzu das Seinige beigetragen.

 

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Das Feldspiel hat im Heer verschiedene Aufgaben zu erfüllen: es ertönt zur Belebung des Mutes in der Schlacht, zur Erheiterung der Gemüter beim Marsch; endlich finden wir es auch, namentlich in der Reiterei, benutzt, um Befehle auf weitere Distanzen, selbst im Getöse des Kampfes, zu vermitteln: als Signal.

 

Das älteste Instrument, dem wir in den okzidentalen Heeren in der Periode der Völkerwanderung begegnen, ist das Horn. Es tritt, aus Erz gebildet, zwar in ähnlicher Form auf wie bei den Römern, viele der Streitvölker jener Zeit scheinen aber dieses Instrument, das unter der Bezeichnung Posaune schon im Buch Josua (Kap. 6, V. 4 und 20) erwähnt wird und das weit vor ihnen schon die Ägypter gekannt hatten, von den Byzantinern erhalten zu haben. In den Streithaufen minder kultivierter Völker finden wir es als Naturgegenstand, als Ochsen- oder Kuhhorn, wie bei den Schweizern des 14. Jahrhunderts.

 

Schon am Beginn des Mittelalters verwandelte sich das Horn in die leichtere Trompete, deren schmetternde Töne den Kampflärm besser zu durchdringen vermochten. Diese Trompete war allerdings, und noch bis in das 13. Jahrhundert, von der einfachsten Form und bestand nur aus einer geraden Röhre mit daran gefügter Schallöffnung nebst Mundstück. (Fig. 604.) Gegen Ende des 14. Jahrhunderts ist ihre Form bereits weit komplizierter; ihr Rohr ist zweimal gebogen und wir finden in jener Zeit zuerst ein Stück Stoff daran angebunden, die „Trompetenfahne“, auf welches die Embleme des Heerführers oder Lehensmannes gemalt oder gestickt sind. (Fig. 605.) Diese Trompetenfahnen erhalten sich in den Heeren bis ins 18. Jahrhundert. Erst gegen die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts erscheinen die Trompeten in der in Fig. 606 dargestellten Form, in welcher sie sich im Wesentlichen bis auf den heutigen Tag erhalten haben.

 

Fig. 604. Trompete aus einer Miniatur einer Apokalypse des 13. Jahrhunderts, ehemals in der Sammlung B. Delessert. Nach Violletle-Duc. Fig. 605. Trompete mit Fahne aus einem Manuskript der Bibliothek zu Troyes. Nach Viollet-le-Duc.

Fig. 604. Trompete aus einer Miniatur einer Apokalypse des 13. Jahrhunderts, ehemals in der Sammlung B. Delessert. Nach Violletle-Duc.

Fig. 605. Trompete mit Fahne aus einem Manuskript der Bibliothek zu Troyes. Nach Viollet-le-Duc.

 

Zu den am häufigsten angewendeten Instrumenten in den Heeren gehört die Pauke und die Trommel. Bei beiden wird der Ton dadurch, dass man mit einem Holzstück, dem Schlägel, auf ein gespanntes Kalbfell schlägt. So alt auch diese Instrumente sind, so finden wir keine Andeutung, die darauf schließen lässt, dass ihre Verwendung in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters eine allgemeine gewesen ist. Der Umstand, dass diese Schlaginstrumente in allen ihren Formen als Tamburin, Pauke, große und kleine Trommel in den Manuskripten des 12. Jahrhunderts zahlreich abgebildet sind, scheint ein Beweis, dass die Okzidentalen sie von den Orientalen in den Kreuzzügen übernommen haben.

 

Im 12. Jahrhundert tritt neben dem Sumber oder Paukenschläger bereits der Holibläser oder Pfeifer auf und seit dieser Zeit und bis zur Gegenwart bilden bei der Reiterei Pauke und Trompete, bei den Fußsoldaten Trommel und Pfeife gemeinsam das Feldspiel. In dieser Zusammenstellung finden wir sie auch bei den Franzosen und Burgundern im 15. Jahrhundert.

 

In den Landsknechtheeren sehen wir das Feldspiel mit großer Wichtigkeit behandelt. Dort bildete sich das Trommelschlagen zu einer eigenen Kunst aus und es erscheinen zum ersten Mal die einfachen und hübschen Pfeifenmelodien, die sich teilweise noch bis heute erhalten haben.

 

Fig. 606. Trompete aus dem Turnierbuch des Königs René. 15. Jahrhundert. Nach Viollet-le-Duc.

Fig. 606. Trompete aus dem Turnierbuch des Königs René. 15. Jahrhundert. Nach Viollet-le-Duc.

 

Die Trommel der Landsknechtstruppe war ein noch ziemlich ungeschlachter Gegenstand. Die beiden Fellreife waren von bedeutendem Durchmesser, der eigentliche Körper der Trommel, der Sarg, war aus Holz und nach den Wappenfarben des Obersten oder den Landesfarben angestrichen. In der Reiterei führten in der Regel im 16. Jahrhundert nur die Kürassiere neben den Trompeten auch Pauken und wir sehen diese letzteren Instrumente schon damals mit reich gestickten Stoffen, Paukendecken, behängt, die in ähnlicher Form noch bis ins 18. Jahrhundert üblich gewesen sind. (Fig 607.)

 

Im türkischen Heer waren Pauken und Trommeln schon der lärmenden Kampfweise wegen von großer Bedeutung, ja in der Reiterei hatte im 16. Jahrhundert und vermutlich schon weit früher jeder einzelne Mann eine kleine Handpauke (tabl) zur rechten Seite an den Sattelknopf gebunden, welche sowohl beim Marsch, vorzüglich aber beim Anreiten an den Feind geschlagen wurde. Erst in nächster Nähe des Angriffszieles wurden unter Geschrei die Säbel gezogen.

 

Diese Handpauken finden wir bis ins 17. Jahrhundert auch in den moskowitischen, polnischen und ungarischen Reitertruppen, wie denn diese Nationen ihre kriegerische Ausrüstung durch Jahrhunderte nach orientalischen Mustern zusammenstellten. In Fig. 233 sehen wir eine türkische Handpauke, die Lazarus Schwendi 1556 erbeutet hatte.

 

Im Dreißigjährigen Krieg werden die Trommeln des Fußvolkes kleiner im Durchmesser, dafür aber länger und bleiben so bis ins 18. Jahrhundert.

 

Fig. 607. Bedeckte Pauke eines österreichischen Kürassier-Regiments. Die Paukendecke von grünem Damast mit schwerer Randverzierung in Goldstickerei. In der Mitte der kaiserliche Adler mit den Wappen von Habsburg-Lothringen im Herzschild. Um 1750. K. u. k.

Fig. 607. Bedeckte Pauke eines österreichischen Kürassier-Regiments. Die Paukendecke von grünem Damast mit schwerer Randverzierung in Goldstickerei. In der Mitte der kaiserliche Adler mit den Wappen von Habsburg-Lothringen im Herzschild. Um 1750. K. u. k. Heeresmuseum in Wien.

 

Die sogenannten großen Trommeln bei der Feldmusik waren bei den Janitscharen schon im 17. Jahrhundert im Gebrauch, durch kroatische Regimenter kamen sie 1743 in die österreichische Armee und von hier in alle übrigen. Mit ihnen zugleich die Handbecken, Tschinellen, die ein untrennbares Anhängsel der Trommeln bilden.

 

Schon ein Jahrhundert früher und wieder nach türkischen Vorbildern gesellte sich zur Trommel und Pfeife des Fußvolkes das sogenannte Schellenspiel, das aus einem etwa 1½ m langem Stock bestand, der oberhalb mit Schellen und Glöckchen behangen war und durch einen leichten Schlag mit der Hand im Takt der Musik gespielt wurde. Von diesen Schellenspielen haben sich nur sehr wenige noch erhalten. Ein Exemplar aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts wird in der Waffensammlung im kaiserlichen Schloss zu Ambras bei Innsbruck bewahrt (1514), ein anderes aus der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts findet sich im k. u. k. Heeresmuseum zu Wien. Fig. 608 zeigt uns ein vollständiges „Spiel“, aus Trommler, Pfeifer und Schellenmann bestehend, nach einem Holzschnitt in Jacob Sutors von Baden künstlichem Fechtbuch von 1612.

 

Endlich ist noch eines besonderen Instrumentes zu erwähnen, welches, als Feldspiel seit alter Zeit in Übung, noch bis in die Gegenwart sich erhalten hat, die Sackpfeife, Dudelsack, der hochschottischen Truppen.

 

Fig. 608. Vollständiges Kompanie-Feldspiel aus Jacob Sutors künstlichem Fechtbuch, 1612.

Fig. 608. Vollständiges Kompanie-Feldspiel aus Jacob Sutors künstlichem Fechtbuch, 1612.

 


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Quelle: Wendelin Boeheims "Handbuch der Waffenkunde"