Von Oberst a. D. Thierbach.
Eigentümlich ist es, dass das angeblich im Jahr 1517 von Johann Kiefuss in Nürnberg oder Wien erfundene Radschloss vorzugsweise in Deutschland hergestellt worden ist. Nur einzelne derselben, und zwar meist in reich verzierter Arbeit, sind in Italien (Lazzarino Cominazzo) und Frankreich (Daubigny) in der Mitte des 17. Jahrhundert verfertigt worden. In Spanien hatte man sich dem nach diesem Land benannten Stein-Schnappschloss zugewendet, welches fast zu gleicher Zeit mit dem Radschloss erfunden worden war. Italien folgte diesem Beispiel, auch Frankreich, woselbst dasselbe soweit verbessert wurde, dass schon vom Jahr 1630 an das vollständige Steinschloss vorhanden war, weswegen man es auch mit Recht das «französische Schloss» nannte.
Das Radschloss mag anfangs noch sehr mangelhafte Einrichtung besessen haben, besonders wird es leicht unbeabsichtigt zur Wirkung, zur Entzündung des Schusses, gekommen sein. Es erklärt sich auch daraus, dass der Kaiser Max diese Schlösser im Jahr 1519 verbot, wenn man auch berücksichtigen muss, dass derselbe gegen die Handfeuerwaffe überhaupt, als eine unritterliche, eingenommen war. Die seitherige Zündungsweise mittels des Luntenschlosses war aber so unbequem, dass eine damit versehene Waffe kaum für den Reiter geeignet erschien. Abgesehen davon, dass die Lunte stets glimmend sein musste, erforderte dieselbe vor dem Abdrücken des Schlosses ein genaues Abpassen ihrer Länge, damit das glimmende Ende auch das Zündpulver der Pfanne erreichte, und dann musste der Schütze auch vorher die Asche abklopfen. Da man nun den Vorteil der Schusswaffe auch für den Reiter wohl einsah, war es natürlich, dass man bestrebt war, das selbsttätig die Zündfunken erzeugende Radschloss trotz seiner Mängel anzuwenden, es aber nach Möglichkeit zu verbessern suchte. Es handelte sich dabei vorzugsweise darum, das Faustrohr oder die Pistole mit diesem Schloss zu versehen und somit eine bequemere Waffe für den Reiter herzustellen; selbstverständlich für den Kampf.
Für das Fußvolk, welches damals sich die Waffen selbst anschaffen musste und danach angeworben wurde, war das Radschloss zu teuer und genügte für dieses auch das Luntengewehr. Man findet daher Radschlossgewehre nur als Jagd- und Scheibengewehre — als Luxuswaffen — in den Sammlungen. An Scheibenbüchsen bevorzugte man das Radschloss noch bis weit in das 18. Jahrhundert hinein, besonders in Süddeutschland, wegen des ruhigen, das Auge nicht störenden Ganges desselben beim Abdrücken. Das noch vielfache Vorkommen einzelner Radschlösser, ohne Gewehre, erklärt sich dadurch, dass die Herstellung eines solchen Schlosses als zunftmäßige Probearbeit des Büchsenmacher-Handwerks noch lange Zeit galt.
Aus dem Obigen geht hervor, dass man die ältesten Schlösser dieser Art nur in Deutschland zu suchen hat. Der Verfasser hat alle größeren und auch die meisten kleineren und Privatsammlungen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz besucht, um den Entwicklungsgang der Handfeuerwaffen festzustellen. Wie wenig ältere Radschlösser hat derselbe aber dabei gefunden! Möglich, dass man dieselben nach ihrer Vervollkommnung durch neuere ersetzt, oder auch, dass man sie nicht beachtet hat und verfallen ließ. Wie kurze Zeit erst werden alte Waffen geschätzt und wird die Geschichte derselben studiert; kaum dass man die Schönheit der Arbeit erkannte und würdigte.

Das dem Verfasser sicher als älteste bekannte Radschloss befindet sich an einem Gewehr in der fürstlichen Sammlung auf Schloss Osterstein bei Gera. Es trägt die Jahreszahl 1541 auf dem Schloss, und zwar auf der Pfanne; außerdem auf dem Schlossblech das Monogramm J. V., dazwischen die Beschaumarke. Fig. 1 zeigt dieses Schloss. Die eigentümliche gerade Form des Hahnes erinnert an die des Luntenschnapp- oder Schwammschlosses; außerdem kennzeichnet sich das Alter in der Form der Schraubenköpfe, welche vierseitig, mit demselben Schlüssel zu bewegen sind, welcher zum Spannen des Rades wie der Hahnschraube passt.1
Ferner ist eine Sicherung des gespannten Schlosses angebracht, indem der Abzug mit einem Fuß durch das Schlossblech hindurchreicht und äußerlich ein im Scharnier beweglicher Hebel sich mit seiner Kopfseite vor den Fuß legen lässt, sodass er und somit der Abzug festgehalten wird. Die Bedeckung dieses äußerlich vorstehenden Fußes sowie der Sicherungshebel sind als Hundsköpfe geschnitten, ebenso der darüber liegende längere Hebel, welcher nach innen wirkt, zum Einlegen der Stange in die sprechende Vertiefung des Rades. Dieses letztere liegt äußerlich am Schlossblech, ist durch einen auf diesem eingenieteten Ring und eine darauf geschraubte Platte bedeckt.
Das Innere des Schlosses entspricht fast vollständig der Einrichtung des völlig entwickelten Radschlosses; es erscheint eine besondere Erklärung derselben hier unnötig, da eine solche bereits im 10. Heft, Seite 246 des 1. Bandes dieser Zeitschrift gegeben worden ist.
Aus viel älterer Zeit stammt das hier folgende Schloss einer kurzen leichten Pistole, welche sich gegenwärtig im Germanischen Museum zu Nürnberg befindet und vom Hofantiquitätenhändler Pickert daselbst erkauft, angeblich der Sammlung des Grafen Festeticz entstammt. In den vom Germanischen Museum herausgegebenen »Quellen zur Geschichte der Feuerwaffen» Seite 117 und Tafel B XVI, ist dieses Schloss allerdings in einem falsch ergänzten Zustand dargestellt. Der Schaft der kurzen Pistole, mit kurzem geraden Kolben, ist in Eisen getrieben. Das Schloss unterscheidet sich von der gewöhnlichen Einrichtung dadurch, dass die hauptsächlichsten inneren Teile nach der Außenseite des Schlossbleches verlegt sind. Fig. 2 zeigt dieses Schloss, a von außen, b von innen. Dieses Schloss ist wohl eines der ältesten noch vorhandenen und dürfte in das erste Viertel des 16. Jahrhundert zu setzen sein. Äußerlich hat auch an diesem Schloss der Hahn die einfache gerade Form; der obere Arm der großen Feder wirkt zugleich auf den Hahn und ist somit eine besondere Hahnfeder entbehrlich. Das Rad liegt frei und bildet ein einfacher gerader Steg das zweite Achslager für die Radwelle. Die Pfanne schließt ein drehbarer Deckel, ähnlich wie am Luntenschloss; um seinen, durch die vordere Ecke der Pfanne geführten Pivotzapfen lässt er sich in derselben drehen, eine auf den Deckel wirkende Feder festigt die jeweilige Stellung desselben.
Eigentümlich ist die Sicherung des Schlosses: an dem unteren Ende des erwähnten Zapfens befindet sich ein rechtwinklig gebogener Ansatz, der bei geschlossener Pfanne unterhalb derselben, durch eine Durchbrechung des Rades in das Schlossblech eingreift und somit das Rad festhält. Selbstverständlich ist zum Spannen eine volle Umdrehung des Rades erforderlich, sodass die eben erwähnte Durchbrechung des Rades der Stellung zum Einlegen des Pfanndeckelansatzes sowohl in gespanntem wie abgelassenem Zustand entspricht.
Auf der inwendigen Seite des Schlossbleches befindet sich nur die Stangenfeder und der Abzug. Die erstere, durch eine Schraube auf dem Schlossblech festgehalten, enthält an ihrem beweglichen Ende ein Köpfchen, welches beim Spannen des Rades durch eine entsprechende Öffnung des Schlossbleches in eine Vertiefung des Rades einlegt und dasselbe gespannt erhält. Der Abzug, welcher zugleich den Griff bildet, enthält oberhalb einen keilförmigen Ansatz, der unter der Stangenfeder zu liegen kommt. Beim Anziehen des Abzuges schiebt sich dieser Keil unter der Stangenfeder empor und hebt diese, und somit das Köpfchen derselben aus dem Rad, wodurch dasselbe frei und von der großen Feder getrieben, abschnurrt. Auch hier sind die Köpfe der Schrauben vierseitig gefaltet.
1 Es muss hierbei bemerkt werden, dass zur Grundlage der hier gebrachten Zeichnungen Lichtbilder von den Nachbildungen der Originale gefertigt sind, zu welchen nicht das alte, originale Gewinde der Schrauben verwendet werden konnte, weil das betreffende Werkzeug dazu fehlte. Besonders an der Hahnschraube ist dies auffällig.

Ein zweites Schloss ähnlicher Art befindet sich an einem, der eben angeführten ähnlichen Pistole in der Sammlung des Grafen Wilczek auf Schloss Kreuzenstein bei Kornneuburg; es ist angeblich in einem Sumpf bei Komorn gefunden worden. Bei dieser Pistole ist jedoch der Schaft aus Holz, mit kurzem geraden Griff. Die Schwäche des Holzes erklärt die Notwendigkeit, die beim gewöhnlichen Radschloss inneren Teile nach außen an das Schlossblech zu verlegen. Auf dem Lauf ist die einfache Marke aufgeschlagen. Diese Waffe dürfte mit der vorigen einer fast gleichen Zeit angehören. Fig. 3 zeigt das Schloss: a die äußere, b die innere Seite.
Äußerlich erinnert die Form des Hahns einesteils an die der bekannten «Mönchsbüchse» des historischen Museums zu Dresden, aber andererseits auch an die sogenannte Schwanenhalsform des Steinschlosses. Eine zwischen den beiden Armen der großen Feder angeordnete besondere Hahnfeder festigt den Hahn in seinen Stellungen. Der drehbare Pfanndeckel des vorher beschriebenen Schlosses, welcher als eigenartige Sicherung mit seinem bogenförmigen unteren Ansatz bei gespanntem wie abgelassenem Rad in entsprechende Durchbrechungen des Rades und des Schlossbleches einlegt, ist auch an diesem Schloss angebracht; nur ist die die Stellung des Pfanndeckels festigende Feder von der oberen Seite des Deckels nach der inneren des Schlosses verlegt, wo sie auf den durch das Schlossblech tretenden rechtwinkligen Ansatz wirkt. Ebenso sind die Schraubenköpfe wie an dem vorigen Schloss vierseitig gestaltet.
Größere Abweichung zeigen die Teile auf der inneren Seite des Schlossbleches. Auf der nach innen verlängerten, daselbst vierseitig geformten Radwelle ist, wie an den älteren Steinschlössern, eine Art Nuss aufgeschoben und durch einen Querstift festgehalten. Gegen die vordere rechtwinklige Ecke dieser Nuss legt sich das hakenförmige vordere Ende des gleich mit Griff versehenen Abzuges ein und verhindert so das Abschnurren des Rades; eine Feder drängt dieses vordere Ende gegen die Nuss. Auch hier macht das Rad beim Aufziehen einen vollen Umgang.
Eine diesem letzteren gleiche innere Schlosseinrichtung befindet sich an einem mit Pistolenlauf versehenen eisernen Streithammer unter Nr. 1035 im Museum Ferdinandeum zu Innsbruck.

Mit der Pistole, deren Schloss in Fig. 3 dargestellt ist, wurde angeblich ein zweites in einem Sumpf bei Komorn gefunden. Es befindet sich in der Sammlung des Herrn Franz Thill in Wien. In Fig. 4 a und b ist das Schloss hier dargestellt. Dasselbe ist in seinen Ausmaßen etwas größer als das vorher beschriebene, hat aber die gleiche Form des Hahnes, der Sicherung sowie der Schraubenköpfe. Auf der inneren Seite des Schlossbleches (Fig. 4 b) dreht sich dagegen die bei den späteren Radschlössern angewendete Stange zwischen zwei im Schlossblech vernieteten Backen um einen Querstift; ihr anderes mit einem Köpfchen versehenes Ende reicht durch eine Durchbrechung des Schlossbleches und legt bei aufgezogenem Rad zum Festhalten in die entsprechende Vertiefung desselben ein. Unter dem rückwärtigen Ende der Stange liegt die einarmige Stangenfeder, welche die Stange zum Einlegen in das Rad drängt. Das rückwärtige Ende der Stange ist zur Anlage an den im Schaft befindlichen Abzug rechtwinklig aufgebogen. Die Einrichtung der Stange ist daher eine gleiche, wie an den Radschlössern späterer Zeit. Man wird daher nicht fehlen, wenn man die Herstellung dieses Schlosses in die Zeit von 1520—1530 setzt.
Ein anderes, diesem letzteren ähnliches Schloss, aber mit dem späteren Pfannschieber, findet sich an einer Doppelpistole mit geradem Schaft im Waffenmuseum zu Herrenhausen bei Hannover. Die weitere Entwicklung dieser Art Schlösser gipfelt in der Herstellung der sogenannten Kurländer- oder Teschinkschlösser, deren Eigentümlichkeit bereits im 10. Hefte, Seite 245 des ersten Bandes dieser Zeitschrift dargestellt ist.
Dies sind nach des Verfassers Kenntnis die einzigen Radschlösser der ältesten Zeit. Sollten in irgendeiner Sammlung sich gleiche oder noch ältere vorfinden, so wäre eine gefällige Mitteilung dem Verfasser auch im Interesse der Wissenschaft sehr wünschenswert und würde ihn zu großem Dank verpflichten.
Schließlich sei hierbei die Bemerkung gestattet, dass man vielfach, selbst in größeren Sammlungen, in den Hähnen der Radschlösser fälschlicherweise Feuersteine eingeschraubt findet. Zu diesem Schloss wurde allein Schwefelkies verwendet, welcher viel weicher war und das Rad weniger abnutzte als der Stein. Und gerade der Abnutzung des Rades musste so viel als möglich vorgebeugt werden, weil dieses mit seinen Riefen in die Pfanne eingeschliffen war und den Boden des Pfanntroges bildete. Es hätten die durch den harten Stein bewirkten Verdrückungen der Riefen, selbst nur ein gebildeter Grat an denselben, unbedingt Reibungen bei der Umdrehung veranlasst, was die Sicherheit der Zündung beeinträchtigt hätte. Bei stärkerer Abnutzung hätte sogar das feinkörnige Zündpulver durch die Fugen zwischen Rad und Pfanne hindurch sickern können.

Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 5. Dresden, 1900-1902.