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Über den Wert der Meistermarken: Die Laufmarken

Von Wendelin Boeheim.

(Fortsetzung.)

 

Bei den über den Dorn geschmiedeten eisernen Hakenbüchsenläufen des 15. Jahrhunderts finden sich die ältesten derlei Marken. Sie stellen selten Buchstaben, sondern meist Wappenschild, Herzen, Pfeile u. dgl. dar, welche tief ins Gesenk geschlagen sind. Zunächst, um 1500, traten die zwar geschmiedeten, aber gebohrten Läufe auf, mit ihnen aber häufig schon die Marken einer behördlichen Beschau. So treffen wir bei Nürnberger Läufen das N, bei Augsburger den Pinienapfel, den sogenannten «Stadtpyr», bei den Wiener Läufen das Stadtwappen mit dem Kreuz etc. eingeschlagen. Bald darauf fügt der Laufschmied die Anfangsbuchstaben seiner Namen bei.

 

Was nun die im Ganzen sehr roh gearbeiteten, achtkantigen und in der Mitte gotisch «abgesetzten» geschmiedeten Läufe des 15. Jahrhunderts betrifft, so machen sich in Westeuropa verschiedene Erzeugungszentren bemerklich, deren Tätigkeit nahezu noch völlig unbekannt ist, und die besonders nur durch die Sichtung der Marken und mit Hilfe von Archivstudien aufgehellt werden kann. Der Umstand, dass in der Waffensammlung des Chorherrenstiftes Klosterneuburg bei Wien eine Anzahl von über 20 Hakenrohren, der Zeit von etwa 1450 bis 1490 bewahrt wird, und ein weiterer, dass, wie sich aus den Klosterrechnungen ergibt, die Hakenrohre bei bestimmten Eisengewerben in Steiermark bezogen wurden, leitete die Aufmerksamkeit auf dieses damals in der Eisenbearbeitung an der Spitze stehende Land.

 

In der Sammlung entdeckt man vorwiegend nur zweierlei Marken: eine ältere von ca. 1450 und eine jüngere von ca. 1480 bis 1490. Für die ältere ist nur auf Peter Pögel am Thörl nächst Aflenz hinzuweisen, der nach den Rechnungen dem Stift liefert. Die Gewerkschaften des Pögel waren damals die bedeutendsten und leistungsfähigsten der ganzen Welt. Sie arbeiteten für den Kaiser, für Ungarn, Russland und Polen, für die freien Städte, ja ein Rechnungsbeleg belehrt uns, dass Pögel seine Rohre bis nach Danzig versendete.

 

Die jüngere Marke dürfte dem Peter Hofkircher in Mürzzuschlag zuzueignen sein, der nachweislich von 1470 an, als die Gewerkschaft des Pögel ersichtlich im Rückgang war, die Kriegsausrüstung des Stiftes besorgte.

 

Mit der Einführung der meist reicher ausgestatteten Jagdgewehre, die vielfach schon mit dünnwandigen Läufen auftraten, beginnen die italienischen Laufschmiede an der Mella oberhalb Brescia ihre Erzeugnisse mit bildlichen Marken auszustatten, durch welche sie gewissermaßen ihre Werkstätte kennzeichnen. Dieser Gewohnheit folgen bald die Laufschmiede der übrigen Länder, und wir erhalten von da an eine Übersicht der Produktion der verschiedenen Nationen.

 

Antonio Petrini bringt in seiner «Arte fabrile» 16421 eine Anzahl solcher älterer Bildmarken, selbst arabischer und türkischer, allein die wenigsten finden sich mehr an Läufen unserer Sammlungen. An Brescianer Läufen bildete sich später die Übung heraus, selbe bloß mit dem Anfangsbuchstaben der Meisternamen zu bezeichnen, wie z. B. Giovanni Francini mit G F, oder aber mit den der Länge nach laufenden vollen Namen, wie die zahlreichen Meister Cominazzi. Alle diese Marken erscheinen eingeschlagen.

 

Eigentümlich und untereinander verschieden bildeten sich vom Ende des 17. Jahrhunderts die Markenformen in Spanien und Deutschland heraus; sie bilden in sich Typen, die schon auf eine ziemliche Entfernung vom Auge voneinander zu unterscheiden sind. Die spanischen Marken sind länglich, unterhalb eckig abschließend und enthalten oberhalb eine einfache Figur: Krone, Löwe u. dgl., unterhalb abgeteilt den vollen Namen des Meisters, so die Lopez, Targarona, Bustindui etc. des 18. Jahrhunderts. Alle diese Marken sind im Grunde stark vergoldet. Nicht selten führen die spanischen Meister zweierlei Marken, wovon die eine das Bild, die andere den Namen enthält. Es ist nun bei dem großen Einfluss, welchem die spanische Industrie vom Orient ausgesetzt war, leicht zu erkennen, dass diese Markenform von arabischen Werkstätten entnommen ist die ganz ähnliche Typen aufweisen und gleichfalls vergoldet erscheinen; nur sind diese oben zugespitzt und enthalten meist nur die «Tughra», selten einen Namen.

 

Anders bildete sich die Markenform auf Läufen in Deutschland und Österreich heraus. Sie sind in der Regel quadratisch oder kreisförmig und enthalten eine gewählte Figur, zumeist eine Tiergestalt. Daneben oder darüber erscheinen die Anfangsbuchstaben des Meisternamens. So führt Max Wenger das Kreuz, Hans Stifter den steigenden Löwen, J. C. Schefl den steigenden Panther, die späteren Zellner das Zelt, die Kuchenreuter eine Reiterfigur etc.

 

Die Franzosen bequemten sich im Allgemeinen dieser Bildersprache nicht an. Erst seit Colbert zu Ansehen und Ruf gekommen, treten sie mit großem Selbstbewusstsein auf und bringen ihre vollen Namen, zuweilen selbst mit ihren Titeln und Adressen auf ihren Läufen an. Die Schrift wird in Gold eingelegt.

 

Wir dürfen nicht vergessen, dass die fertigen Feuerwaffen, fast von ihrem ersten Auftreten an ein Produkt der Arbeitsteilung sind. Das Rohr bedurfte zu seiner Handhabung eines, wenn auch nur roh gearbeiteten Schaftes, damit trennte sich schon damals der «Rohrschmied» vom bäuerlichen «Schäfter». Später als die «Gewehrschlösser» allgemein wurden, verwickelte sich das Verhältnis immer mehr. Eine kunstreiche Zeit forderte eine reiche ornamentale Ausstattung der Schäfte durch Einlagen in Elfenbein, Hirschhorn, gewöhnlichem Bein und später selbst Perlmutt, Schildpatt, der oft bewundernswerten Gravierungen und Schnitzarbeiten gar nicht zu gedenken. Damit traten die verschiedenartigsten Kunstarbeiter hervor; aber auch in der allgemeinen Fertigung der Handfeuerwaffe tritt ein neues Element hinzu: der «Feuerschlossmacher», dem naturgemäß dann die gesamte endliche Zusammenstellung zufiel und der als eigentlicher Verkäufer seine Mitarbeiter in den Schatten stellte.

 

In jener Zeit des 17. und l8. Jahrhunderts wird es immer schwieriger, die Marke des Rohrschmiedes von jener des Büchsenmachers zu unterscheiden. Zwar besaß eine ansehnliche Zahl hervorragender Büchsenmacher eigene Rohrschmieden wie die Zellner eine solche bei Krems an der Donau. Der Rest versorgte sich durch Händler mit Waren aus Italien, Spanien und selbst aus dem Orient durch die Venetianer. Man sieht also, dass mit der Verbesserung der Handfeuerwaffe eine sichere Bestimmung der Laufschmiedmarke immer schwieriger wird, umso mehr als die Büchsenmacher sich angewöhnten, ihre Marke gleichfalls auf den Läufen anzubringen. Wir werden aber sogleich sehen, dass sich durch Hinzutreten anderer Arbeiterelemente das Studium der Markenfrage noch verwickelter gestaltet.

 

Bei dem stets steigenden Bedarfe an Luxusgewehren von etwa 1680 an entwickelte sich der Handel mit Läufen zu nicht geringer Bedeutung, besonders waren es die leichten, dünnwandigen Schrottläufe, dann Entenläufe, welche bei den kleinen Büchsenmachern reißenden Absatz fanden. Die Lieferungen erfolgten in Gebünden von 12 Stück mit Emballagen, die an Eleganz einen fast modernen Anstrich besaßen. Besonders feine Läufe wurden zu zweien in Lederetuis feinster Arbeit versendet. In der Waffensammlung im Schloss Ambras bei Innsbruck finden sich zwei unmontierte Messing-Pistolenläufe, ersichtlich Brescianer Herkunft, in ein Lederetui eingebettet, das an die Etuis unserer heutigen Reißzeuge erinnert.

 

Die Schwierigkeit des Studiums der Lauffabrikation, so bedeutend bei Jagdgewehren, vermindert sich zwar bei der Massenware für den Kriegsgebrauch, also für Musketen und Reiterpistolen bedeutend, da für derlei Massenlieferungen doch nur wenige Fabrikanten brauchbar erschienen. In Deutschland stehen da Suhl und im Luxemburgischen Lüttich voran. In Italien hatte sich das Gebiet von Brescia siegreich jeder Konkurrenz erwehrt. Die Fabrikation wird aber nicht in der Stadt, sondern in der Nähe an der Mella betrieben. In Österreich lieferte das Gebiet von Leoben, dann auch Ferlach vorzügliche Ware. In Russland entwickelte sich die Lauffabrikation im großen Stil erst seit dem 18. Jahrhundert. Auch in Schweden hatte man es mit Erfolg versucht in dem Bedarf an Kriegsfeuerwaffen sich unabhängig vom Ausland zu stellen; leider fehlen uns darüber geschichtliche Daten. In Spanien bestanden viele kleine Rohrschmieden an der Pyrenäengrenze, die an Frankreich lieferten, welches Land jedoch den Hauptteil seiner Musketen aus Lüttich bezog. England war bis ins 18. Jahrhundert auf Deutschland angewiesen.

 

In der Verfolgung der Geschichte der Lauffabrikation ist es geboten, die Industrie für den Kriegsbedarf von jener für die Jagd von etwa 1540 an völlig zu trennen, erstere ist eine fabrikmäßige, letztere eine handwerksmäßige, die allmählich bis zu hoher und selbst künstlerischer Entwicklung gedeiht. Besitzt man für die Geschichte der Industrie der Kriegsfeuerwaffen gewisser führender Linien, so ist das auf dem Gebiet der Luxusindustrie im Feuerwaffenwesen nicht der Fall. Schreiber dieses hat in Jahrzehnten an 500 Meister der letzteren mit ihren Namen und meist mit ihren Wohnorten und Marken gesammelt. Der Erfolg für eine Spezialgeschichte des Handwerksgebietes bleibt dennoch gering, so lange es nicht gelingt, die Gesamtleistung jedes Einzelnen an sich und im Vergleich zu allen übrigen zu beurteilen. Da fehlt es noch überall; da ist noch jungfräulicher Boden.

 

Für die Lauferzeugung für Jagdwaffen vom 18. Jahrhundert herwärts erschwert sich das Studium noch durch eine Beobachtung, die wir vor längerer Zeit schon gemacht haben und die teilweise selbst rätselhaft erscheint. Nimmt man nämlich den Lauf von derlei Jagdflinten und Kugelbüchsen aus seiner Nut, so entdeckt man bei den meisten derselben an der Unterseite der Schwanzschraube eingestempelte Marken. Viele bezeichnen ohne Zweifel die Rohrschmiede, andere aber sind nicht zu deuten, wenn man nicht annehmen will, dass sich hier der Arbeiter bezeichnet hat, welcher die Schwanzschraube erzeugt und eingefügt hat. Wir werden erst dann über den Wert einer Feuerwaffe mit Sicherheit urteilen können, wenn wir mit einem Blick auf die Marken der Meister, seine Fähigkeit und Leistung in seiner Zeit bezeichnen können. Jetzt kennen wir zumeist nur trockene Namen, mit denen wir nichts anzufangen wissen. Wir müssen den Meister in seiner Tätigkeit und seinen Lebensverhältnissen genau kennen, bevor wir über ihn urteilen und die Kenntnis seiner Marke ist allerdings eine erste Bedingung dazu. Unter die vielen Bedürfnisse unserer jungen Wissenschaft zählt auch ein «Meisterlexikon».2

 

1 Manuskript, Biblioteca, Magliabecchiana, Florenz (CI. XIX, 16). Im Auszug auch in Pion, Benvenuto Cellini, Paris 1883.

2 Anm. der Schriftleitung: Der Verfasser des Aufsatzes hatte noch eine zweite Fortsetzung, und zwar über die Gewehrschlossmarken angekündigt. Der Tod hinderte ihn daran, sie einzusenden. Ob sich Material in seinem handschriftlichen Nachlass findet, kann zurzeit noch nicht festgestellt werden.


Quelle: Zeitschrift für Historische Waffenkunde. Organ des Vereins für historische Waffenkunde. II. Band. Heft 5. Dresden, 1900-1902.