· 

Schweizer Helmbarten (Sempacher Helmbarte)

Hellebarde aus einfachem Stahl mit Waffenschmiedemarke. Datum 1315. Aus dem Arsenal von Zürich.
Hellebarde aus einfachem Stahl mit Waffenschmiedemarke. Datum 1315. Aus dem Arsenal von Zürich.
Hellebarde aus einfachem Stahl mit Waffenschmiedemarke. Datum 1410. Aus dem Arsenal von Zürich.
Hellebarde aus einfachem Stahl mit Waffenschmiedemarke. Datum 1410. Aus dem Arsenal von Zürich.

Die Sempacher Hellebarde ist eine besonders berühmte und historisch bedeutsame Variante der Hellebarde, einer Stangenwaffe, die im Spätmittelalter in weiten Teilen Europas – vor allem in der Schweiz – verwendet wurde. Sie ist eng verknüpft mit der Schlacht bei Sempach im Jahr 1386, einem Wendepunkt in der Geschichte der alten Eidgenossenschaft. Die Sempacher Hellebarde steht sinnbildlich für den Übergang von ritterlicher Reiterei zu dominanten Infanterietaktiken – und für die Entstehung einer neuen, bürgerlich geprägten Kriegerkultur.

Was ist eine Hellebarde?
Die Hellebarde ist eine kombinierte Hieb- und Stichwaffe mit einem langen Schaft (oft 1,8 bis 2,5 Meter) und einem metallenen Kopf, der drei Waffenelemente vereint:

Spitze (Spießform): Zum Stechen gegen Reiter
Beil- oder Axtklinge: Für wuchtige Hiebe
Haken oder Dorn: Zum Ziehen von Reitern vom Pferd

Diese Kombination machte die Hellebarde zu einer extrem flexiblen Waffe, besonders in dichten Infanterieformationen. Sie war tödlich gegen Reiter, konnte aber auch gegen Fußsoldaten effektiv eingesetzt werden.

Die Schlacht bei Sempach (1386)
Die Bezeichnung „Sempacher Hellebarde“ geht auf die Schlacht bei Sempach zurück, die am 9. Juli 1386 zwischen den Truppen des Habsburger Herzogtums Österreich und den eidgenössischen Kräften (v. a. Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zürich) stattfand.

Historische Bedeutung:
Sieg der Schweizer Infanterie über die ritterliche Kavallerie der Habsburger.
Symbolischer Triumph der bürgerlichen Krieger über den Adel.


Entstehungsmythos der Schweizer Wehrhaftigkeit (Stichwort: „Arnold von Winkelried“ – der sagenhafte Held, der sich in die feindlichen Spieße stürzte, um eine Bresche zu schlagen).


Ob die Hellebarde in dieser Schlacht bereits in großer Zahl verwendet wurde, ist historisch nicht ganz gesichert, aber in der Erinnerungskultur wurde sie mit Sempach untrennbar verbunden.

Merkmale der Sempacher Hellebarde

Die Sempacher Hellebarde zeichnet sich durch besondere Gestaltungsmerkmale aus, die sie von anderen Typen unterscheiden:
Typische Merkmale:
Großer, breiter Beilkopf mit leicht geschwungener Schneide
Spitze in Form eines langen, spitz zulaufenden Blattes
Dorn oder Haken an der Rückseite – oft abwärts gekrümmt
Der Schaft aus Hartholz, teils mit Eisennägeln oder Beschlägen verstärkt
Länge: ca. 2 Meter (manchmal länger)

Diese Konstruktion ermöglichte es einem Fußsoldaten, sowohl Schneid-, Stich- als auch Reißangriffe auszuführen – eine Antwort auf die massiven Rüstungen der Ritter, aber auch auf das Bedürfnis nach Beweglichkeit und Durchschlagskraft.

Taktische Verwendung

Die Sempacher Hellebarde war ideal für den Kampf in Formation – typischerweise in sogenannten Spießhaufen oder Infanteriekolonnen, die sich gegen Kavallerie und andere Infanterie behaupten konnten.

Taktiken:
Sturmangriffe auf Ritterformationen
Verteidigung gegen Kavallerie
Entwaffnung oder Abreißen von Gegnern mittels des Hakens
Gezielte Hiebe auf ungeschützte Stellen in der Rüstung (z. B. Kniekehlen, Achseln)
Die Schweizer entwickelten eine eigene Kampfschule mit der Hellebarde – mit Formationen, Ausweichmanövern, Wechselgriffen und Kombinationstechniken. Diese Erfahrung trug maßgeblich zu ihrem Ruf als Elite-Infanterie im 15. und 16. Jahrhundert bei.

Symbolik und kulturelle Bedeutung

Nach der Schlacht bei Sempach wurde die Hellebarde zu einem nationalen Symbol der Wehrhaftigkeit und Freiheit. In Schweizer Stadtwachen und Zeremonien war sie über Jahrhunderte präsent – und ist es teilweise noch heute, z. B. bei historischen Umzügen oder in der Garde der Schweizergarde im Vatikan, wo eine zeremonielle Hellebarde getragen wird.
In der Schweizer Erinnerungskultur steht die Sempacher Hellebarde für:
Den Stolz des freien Bürgers
Die Fähigkeit der „einfachen Leute“, Ritterheere zu besiegen
Tugenden wie Tapferkeit, Disziplin und Gemeinschaftssinn

Hellebarde aus einfachem Stahl mit Waffenschmiedemarke. Datum 1480. Aus dem Arsenal von Zürich.
Hellebarde aus einfachem Stahl mit Waffenschmiedemarke. Datum 1480. Aus dem Arsenal von Zürich.
Hellebarde aus einfachem Stahl mit Waffenschmiedemarke. Spätes 15 . Jahrhundert und frühes 16. Jahrhundert.. Aus dem Arsenal von Zürich.
Hellebarde aus einfachem Stahl mit Waffenschmiedemarke. Spätes 15 . Jahrhundert und frühes 16. Jahrhundert.. Aus dem Arsenal von Zürich.


Weiterführende Literatur:

 

 

 

 

Handbuch der Waffenkunde

Das Waffenwesen in seiner historischen Entwicklung vom Beginn des Mittelalters bis zum Ende des 18. Jahrhunderts

 

Von Wendelin Boeheim

ISBN: 9783754977064
Format: Taschenbuch
Seiten: 624
Erscheinungsdatum: 13.08.2022

Ladenpreis: 29,99 EUR

Einblick hier

 

 

 

 

 

 

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses - Waffensammlung

 

Album hervorragender Gegenstände aus der Waffensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses
Band 1 und 2

Erläuternder Text von Wendelin Boeheim

 260 Seiten (TB-Format)

ISBN: 978-3-746750-60-6

Ladenpreis: 16,95 Euro

Einblick hier