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Der Harnischkragen

Der Gebrauch, den Hals durch eiserne Schienen zu decken, wird bei den Plattenharnischen erst am Beginn des 16. Jahrhunderts allgemein. Nahezu ein Jahrhundert wird der Plattenharnisch ohne Kragen getragen. Zwar finden sich schon vor der Einführung desselben Anzeichen genug, welche darauf hinzielen, den Hals zu schützen. So wird das unter dem Lentner getragene Wams oder auch dieser selbst hoch in den Hals hinauf geschnitten und der Kragenteil vorn verschnürt. Darüber kam die Helmbrünne zu liegen, welche bis zu den Schultern ausreichend deckte. Auch das unterhalb liegende Panzerhemd reichte anfänglich bis über den Hals hinauf und wurde vorn mit 2—3 Riemchen zusammengeschnallt. Diese Art des Halsschutzes blieb sich im Wesentlichen auch in jener Periode gleich, in welcher die ersten geschlossenen Helme in Gebrauch kamen. Als die Kugelhelme in Aufnahme kamen, etwa um 1450, wurde der Hals durch den unteren Teil des Helmes, der bis auf die Brust und den Nacken hinabreichte, geschützt, aber aus dieser Form erwuchs die große Unbequemlichkeit, dass der Mann nicht imstande war, den Kopf zu erheben oder zu senken. Dieser Nachteil führte zunächst und aus den Kreisen der praktischen Kriegführung heraus zur Einführung der Schallern. Die italienischen Kondottieri waren es zuerst, welche sich dieser relativ bequemeren Kopfbedeckung bedienten. Der Hals wurde durch den an das Bruststück vorn befestigten Bart geschützt, welcher bis in die Höhe der Augen reichte. Erst mit der Einführung des burgundischen Helmes erschien als wesentliche Beigabe der Harnischkragen, welcher als Bestandteil fortan beibehalten und selbst unter dem geschlossenen Helm oder der Sturmhaube getragen wurde.

 

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Harnischkragen aus dem sogenannten Bart (bavière, baviera) hervorgegangen ist. Der vordere Teil wurde hierzu derart verändert, dass er nur den Hals deckte; weiter hinauf erschien eine Deckung überflüssig, weil eine solche durch Kinnreff und Visier am Helm hinreichend vorhanden war. Das Rückteil wurde zum vollkommenen Verschluss neu hinzugefügt. Die ältesten Kragen wurden noch gleich dem Bart außerhalb am Bruststück mit Kloben befestigt. (Fig. 56.) Bald aber änderte man diese Anordnung derart, dass zuerst der Kragen, dann erst Brust- und Rückenstück zum „Anlegen“ kamen. Um 1630 kam man wieder auf die ursprüngliche Einrichtung zurück und verlegte den Kragen über Brust und Rücken.

Fig. 56. Kragen von einem Harnisch des Kaisers Maximilian I. mit Gravierungen und in Goldschmelz geziert. Fig. 57. Kragen von einem Harnisch, der Albrecht Achilles von Brandenburg (1414—1486) zugeschrieben ist.

Fig. 56. Kragen von einem Harnisch des Kaisers Maximilian I. mit Gravierungen und in Goldschmelz geziert. Vorne erblickt man das Emblem des Vließordens. Die Achseln werden durch Riemen befestigt. Deutsch, um 1508. Eines der ältesten Beispiele eines Harnischkragens.

 Fig. 57. Kragen von einem Harnisch, der Albrecht Achilles von Brandenburg (1414—1486) zugeschrieben ist. Der obere Rand ist in der Art eines umgeschlagenen Kragens geformt. Arbeit um 1510.

 

Der Harnischkragen besteht aus dem Brust- und Rückenblech, das, auf Brust und im Nacken aufliegend, genau dem Körper angepasst sein muss. An diese schließt sich gegen den Hals hinauf ein 3—4faches Geschübe. Der vordere und rückwärtige Teil ist getrennt, beide sind links nur mit Scharnieren in Verbindung; an der rechten Seite werden sie mittelst Häspen geschlossen. (Fig. 57.)

 

Es wird sich gleich am Beginn empfehlen, zu erklären, was man unter einem Geschübe am Plattenharnische überhaupt versteht und wie dasselbe eingerichtet ist. Das Harnischblech ist eine steife Platte, die so unnachgiebig ist, dass es unmöglich wäre, ohne eine besondere Zusammensetzung der Teile dem von selbem bedeckten Körper auch nur eine geringe Beweglichkeit zu gestatten. Man fügte daher alle jene Harnischteile, welche Körperteile zu decken bestimmt waren, denen die Beweglichkeit erhalten bleiben musste, aus einzelnen Blechstreifen, sogenannten „Schienen“, im Fachausdrucke auch „Folgen“ genannt, zusammen, die, horizontal angeordnet, etwas sich übergreifend gelegt, im Inneren durch breite Streifen aus Alaunleder verbunden wurden, die von innen mit platten Nieten befestigt waren. Diese Verbindung durch Lederstreifen kommt nicht ausnahmslos vor, im Gegenteil finden sich zahlreiche Beispiele, dass die Schienen untereinander mit Nieten verbunden sind, welchen durch längliche Öffnungen eine Spielung nach auf- oder abwärts gestattet ist. Dieser Konstruktionsart wird an italienischen Harnischen häufig begegnet, man nennt sie „eiserne Geschübe“. Sie konnten ihrer geringen Vorteile halber nirgends zu allgemeiner Verwendung gelangen. Je nach der Richtung des Übergreifens der Schienen bezeichnet man selbe nach auf- oder abwärts geschoben. So werden nach dem Fachausdruck gewöhnlich die Hals- und Nackenreifen, der Kragen, zuweilen die Achseln mit den Flügen, geschlossene Armbeugen, die Handschuhe, die Bauchreifen, Beintaschen oder die Schöße, nicht selten auch die Diechlinge und die unteren Teile der Beinröhren, endlich auch die Schuhe an den Riststellen geschoben. Wie wir später ersehen werden, wird, um die Beweglichkeit des Körpers möglichst zu fördern, auch das Brust- und Rückenstück ganz oder nur teilweise aus Geschüben gebildet, beim Rossharnisch der Halsteil, seltener andere Bestandteile desselben. Die übergreifenden Ränder der Folgen, welche gemeiniglich scharf zugefeilt sind, heißen „Fürfeilen“.

 

Wenn der Harnischkragen für einen burgundischen Helm dient, dann ist sein Oberrand nach auswärts gebogen und dieser aufgebogene Rand dient als Führungsschiene für den hohlen Wulst am Unterrand des Helmes, der sich darin nach den Seiten bewegt, wie es in der alten Sprache heißt: „der im Kragen vmbgeet“. Bei allen anderen Helm- und Harnischformen besitzt der Kragen einen aufgeworfenen Rand, der häufig mit eingehauenen Linien geziert ist, die ihm das Aussehen einer gedrehten Schnur verleihen, ein sogenannter „geschnürlter“, im Gegensatz zum „glatten“ Rand. (Fig. 58.)

Fig. 58. Harnischkragen mit Federzapfen zur Befestigung der Achseln, in Schwarzätzung im Stil der oberdeutschen Kleinmeister, geziert von einem Landsknechtharnisch des Sebastian Schärtlin von Burtenbach. Fig. 59. Kragen zum Reiterharnisch

Fig. 58. Harnischkragen mit Federzapfen zur Befestigung der Achseln, in Schwarzätzung im Stil der oberdeutschen Kleinmeister, geziert von einem Landsknechtharnisch des Sebastian Schärtlin von Burtenbach (1495—1577.) Deutsch, um 1545.

 Fig. 59. Kragen zum Reiterharnisch des Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen, (1503—1554) zugleich Wechselstück für einen Landsknechtharnisch. Geschwärzt, mit blanken, schwarzgeätzten Strichen (vielleicht von Mathias Gerung.) Deutsch um 1540.

 

Nicht selten findet man an geschlossenen deutschen Sturmhauben unterhalb quere Auftreibungen, dem Kragenrand entsprechend, um eine Verbindung der Haube mit dem Kragen zu erzielen. Über dem Kragen wurden nun Brust und Rücken, dann erst die Achseln mit den Armzeugen aufgelegt. Eine nicht unwichtige Aufgabe hatte der Kragen dadurch zu erfüllen, dass an seinen Seiten die Achselstücke mittelst sogenannter Federzapfen oder auch mittelst Riemchen befestigt wurden. Um 1540 erscheinen die Brust- und Rückenbleche der Kragen an deutschen Harnischen bis über die Achseln reichend. Die Veranlassung war nur, den Druck der Tragbänder des Bruststückes zu mäßigen. Die Form verschwindet wieder um 1550. (Fig. 59.)

 

Diese Anwendung der Verbindung mit den Achseln hatte für den praktischen Gebrauch in der Truppe seine Nachteile schon dadurch, dass das Anlegen der Harnische bei den vielen einzelnen Stücken umständlich war und unverhältnismäßig viel Zeit erforderte. Diese Wahrnehmung und das Bestreben, dem Übelstand abzuhelfen, führte in der Landsknechttruppe zu einer besonderen Harnischform, welche sich von jener des „ritterlichen“ Harnisches unterscheidet. Hauptsächlich durch die eigentümliche Form des Kragens und des Armzeuges bildete sich der sogenannte gemeine „Landsknechtharnisch“, der, den praktischen Bedürfnissen im Krieg besser entsprechend, bald auch von den reisigen (reitenden) Knechten, im Krieg aber auch gern von der Ritterschaft getragen wurde. Die Form verbreitet sich im Heer von der Landsknechttruppe aus, übergeht von da auf die leichte italienische Reiterei, die Arkebusiere, schwarzen Reiter etc., endlich auf die leichte Reiterei der Spanier und Niederländer. Am spätesten nehmen sie jene der Franzosen und Deutschen an.

Kragen zu einem Trabharnisch des Feldobersten Heinrich von Rantzau, (1526—1599) gebläut und mit geschwärzten Strichen geziert. Der Kragen steht in Verbindung mit Spangröls,

Fig. 60. Kragen zu einem Trabharnisch des Feldobersten Heinrich von Rantzau, (1526—1599) gebläut und mit geschwärzten Strichen geziert. Der Kragen steht in Verbindung mit Spangröls, an welchem Schwebescheiben hängen (die linksseitige ist hier weggelassen worden). Deutsch um 1570.

 

Diese Veränderung, welche durch diese nicht unbedeutende Umbildung des Feldharnisches der Harnischkragen erfuhr, war nicht gering. Zunächst wurde das Brust- und Rückenblech bedeutend größer, da das Brust- und Rückenstück, um es möglichst zu erleichtern, geringere Dimensionen erhielt und mit (anfänglich) gerade laufenden Oberrändern nur bis etwa an die zweite Brustrippe hinaufreichte, sodass tatsächlich Brust- und Rückenblech des Kragens einen bedeutenden Teil der Brust und des Rückens deckte. An den beiden Seiten des Kragens wurden die Achseln befestigt, welche, etwa 8—10mal geschoben, weder Vorder- noch Hinterflüge besaßen. Man nannte derlei Achseln in den Landsknechtheeren „Spangröls“, eine Umbildung des italienischen Wortes spalla-gola. Diese Achselstücke, welche bis an den Ellenbogen herabreichten, standen nicht immer mit einem Armzeug in Verbindung, in vielen Fällen schützte den Arm lediglich der Panzerärmel, Hand und Unterarm der Handschuh, dessen lange Stulpen bis an den Ellenbogen reichten.

 

Diese Umänderung des Feldharnisches für den Söldner begann um 1530 und war um 1570 vollendet, der Anstoß dazu wurde von Italien gegeben, man nannte sie dort alleggiate, in Frankreich und England allecrets.

 

Um den Kragen mit den Spangeröls bequemer anziehen zu können, wurde die rechte Achsel nur rückwärts mittelst eines Riemens mit dem Kragen verbunden, ein zweiter Riemen wurde erst nach dem Umlegen mittelst eines Bolzens in ein Loch eingehakt, welches am Halsblech des Kragens befindlich war. Vornehmere trugen zu den Spangeröls auch Armzeuge, die in Lederschleifen an ersteren hingen.

Fig. 61. Kragen als Beigabe zur gewöhnlichen Tracht, in Kupfer getrieben und teils vergoldet. Vorn erblickt man Neptun, Amphitrite mit Amor. Fig. 62. Kragen von einem Prunkharnisch des kais. Generallieutenants Grafen Adolf Schwarzenberg

Fig. 61. Kragen als Beigabe zur gewöhnlichen Tracht, in Kupfer getrieben und teils vergoldet. Vorn erblickt man Neptun, Amphitrite mit Amor. Anfang des 17. Jahrhunderts. Italienisch. Museum zu Zarskoë-Selo.

Fig. 62. Kragen von einem Prunkharnisch des kais. Generallieutenants Grafen Adolf Schwarzenberg (gefallen 1600) reich geätzt und vergoldet. Arbeit des Pompeo della Chiesa in Mai land um 1590.

 

 Auch Schwebescheiben finden sich an Spangeröls häufig angehängt, um die Achselhöhlen zu decken. (Fig. 60.)

 

Um 1570 erhielt der Kragen an ritterlichen Harnischen dadurch eine Veränderung, dass er, nun der Mode entsprechend, hoch hinaufgezogen erscheint. Über dem Rand tritt dabei anfänglich ein schmaler, später ein übermäßig breiter und hoher, weißer, gefalteter Kragen, aus feiner, gestreifter Leinwand hervor, der in seiner höchsten Übertreibung als „Mühlsteinkragen“ bekannt ist. Wir werden bei Gelegenheit der Betrachtung der Harnischbrust ersehen, dass der Kragen nicht immer als selbständiger Bestandteil, sondern auch in Verbindung mit der Brust und dem Rücken erscheint.

 

Schon um 1550 wurde es unter den Kavalieren in Italien Sitte, im gewöhnlichen Verkehr in den Städten, um doch etwas vom Harnisch an sich zu haben, und vielleicht, um bei einem unvermuteten Angriff wenigstens die Schlagadern geschützt zu haben, nur den Kragen allein zu tragen. Das führte nicht nur zur besonderen Verzierung desselben, sondern auch dahin, Farbe und Zier des Wamses in Einklang mit der Dekoration des Kragens zu bringen. Derlei Kragen sind um 1620 schon ohne Geschübe, reichen auch etwas weiter über die Brust herab und erscheinen dort, weil nun sichtbar, mit geschmackvollerem Schnitt (Fig. 61, 62.) Diese Sitte erhielt sich in den italienischen Heeren unter den Offizieren, wurde später zum Dienstabzeichen und verbreitete sich in fast alle Armeen Europas. Im niederländischen Befreiungskrieg, unter Moriz von Oranien, im Dreißigjährigen Krieg wird der Harnischkragen von den Offizieren fast ausnahmslos über dem Lederkoller getragen. (Fig. 63.) In der Zeit des Rokokos, in welcher alles zugeschnitten und zugestutzt wurde, verlor der Dienstkragen den allerdings minder bequemen Halsteil und schrumpfte zum Ringkragen zusammen, als welchen wir ihn noch zur Stunde in vielen Armeen sehen können. (Fig. 64.)

 

In seinem Zusammenhang mit den übrigen Teilen des Harnisches werden wir ihn später erblicken.

Fig. 63. Kragen von einer ungarischen Feldrüstung des Erzherzogs Ferdinand Karl von Tirol. Geätzt und versilbert. 1650. ig. 64. Dienstkragen eines preussischen Oberoffiziers. Um 1740.

Fig. 63. Kragen von einer ungarischen Feldrüstung des Erzherzogs Ferdinand Karl von Tirol. Geätzt und versilbert. 1650.

 Fig. 64. Dienstkragen eines preussischen Oberoffiziers. Um 1740.

 

 

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Fortsetzung: Das Armzeug