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Geschichte der Niederlassungen der Engländer in Virginia

Symbolbild zwei porträtierter Indianer - Pawnee Krieger 19. Jahrhundert

Die ältesten bleibenden Niederlassungen der Engländer in Nordamerika wurden von ihnen an zwei weit voneinander entlegenen Punkten gegründet, in Virginia und Massachusetts.


Schon im Jahr 1584 hatten Amidas und Barlow in Virginia festen Fuß zu fassen versucht. Auf seinen Wanderungen traf der erstere in Begleitung von sieben weiteren Reisenden auf der Insel Roanoke mit der Familie des Häuptlings Granganimo zusammen, der schon öfter arglos und zutraulich die Engländer auf ihrem Schiff mit seinen Leuten besucht und bei dem Tauschhandel, auf den sie mit ihm eingetreten waren, sich stets als ein Mann von Wort gegen sie bewiesen hatte. Von seiner Familie wurden die Engländer in seiner Abwesenheit aufs Freundlichste aufgenommen, man bewirtete sie reichlich, kam allen ihren Bedürfnissen zuvor und sorgte in der aufrichtigsten Weise dafür, jedes Misstrauen zu entfernen, das bei den Engländern hätte irgend aufsteigen können.


Anders freilich gestalteten sich die Verhältnisse zu den Indianern, als die neu gelandeten Eindringlinge, auf die Entdeckung edler Metalle begierig, die Eingeborenen und oft ihre Häuptlinge selbst zwangen ihnen als Führer zu dienen. So verfuhr Richard Grenneville, der den Diebstahl einer silbernen Schale durch die Verbrennung eines Indianerdorfes ahndete und auf die Nachricht, dass sich viele Hunderte von Indianern zu einem Fest versammelten, misstrauisch in ihre Absichten über sie herfiel, einige von ihnen umbrachte und die übrigen in die Wälder zerstreute. Die von Grenneville auf der Insel Roanoke zurückgelassene Kolonie sollte im Jahr 1587 von White wieder aufgesucht werden. Auf die Nachricht, dass sie von feindlichen Indianern angegriffen und zerstreut worden sei, beschloss man sich zu rächen. Zu diesem Zweck wurde Kapitän Stafford ausgeschickt, welcher selbst folgende Erzählung gab: „Wir kamen zu dem Dorf der Indianer, wo wir sie an ihrem Feuer sitzen sahen und griffen sie an. Die Elenden flohen erschrocken in das Rohrdickicht, wo einer totgeschossen wurde und wir glaubten nun vollständig gerächt zu sein. Aber wir irrten, denn es waren uns freundliche Indianer, die gekommen waren ihre Feldfrüchte abzuernten. So getäuscht bemächtigten wir uns des Getreides, das wir reif fanden, ließen das übrige stehen und nahmen Menatonon (den obersten Häuptling) nebst seiner Familie mit uns fort“ — er musste als Führer dienen.


So wirtschafteten die Engländer unter den Indianern bei ihrer ersten Ankunft in Virginia. Man wird sich daher nicht wundern, dass die festen Niederlassungen, die sie zu gründen versuchten, sich nicht sogleich halten und zur Blüte gelangen konnten. Nach manchen missglückten Unternehmungen dieser Art wurde erst im Jahr 1607 die Klugheit und beispiellose Ausdauer des Kapitäns John Smith mit günstigem Erfolg gekrönt.


Vergebens suchte er zuerst ein freundliches Verhältnis zwischen der neuen Kolonie Jamestown am Jamesfluss und den Indianern herzustellen. Auf Tauschhandel wollten diese nicht eingehen, sondern benutzten die Not und den Mangel an Nahrungsmitteln, an welchem die Kolonisten litten, nur in feindlicher Weise. Kapitän Smith entschloss sich daher endlich zum Angriff auf sie, trieb sie in die Wälder zurück und es gelang ihm durch den Überfall eines Dorfes, mit ihnen zu erhandeln, was man in Jamestown bedurfte. Bald darauf jedoch fiel er auf einer ähnlichen Expedition ins Innere des Landes den Indianern in die Hände. Schon auf dem Rückzug zu seinem Kahn begriffen und fortwährend kühn und glücklich sich gegen sie verteidigend, hauptsächlich mit Hilfe eines Indianers, den er mit den Strumpfbändern an seinen Arm festgebunden hatte und dessen Schild die Pfeile der Feinde auffing, blieb er im Schlamm stecken; doch auch jetzt wagten sich seine Verfolger nicht sogleich an ihn heran, die ihm zunächst Stehenden zitterten an allen Gliedern vor Furcht.


Als sie ihn gegriffen hatten, da er seine Waffen weggeworfen hatte, führten sie ihn an den Platz, wo seine Leute eben getötet worden waren, ihn selbst jedoch behandelten sie freundlich, rieben ihm die erstarrten Glieder und wärmten ihn am Feuer. Vor den Häuptling geführt wusste er dessen Gunst dadurch zu gewinnen, dass er ihn mit einem kleinen Kompass beschenkte, der allgemeines Erstaunen erregte.


Täglich in Lebensgefahr und seinen Tod jeden Augenblick erwartend, wurde Kapitän Smith von den Indianern im Land umhergeführt. Sie ließen ihn sehen, gaben große Feste und versorgten ihn so reichlich mit den besten Speisen, dass er glauben musste, er solle gemästet und dann geschlachtet werden. Die Indianer beschlossen, Jamestown zu überfallen und verlangten dazu seinen Beistand. Er verweigerte diesen, wusste sie aber gleichwohl dadurch sich geneigt zu erhalten, dass er einen Brief nach Jamestown schrieb, infolge dessen die Seinigen, von seiner Lage und ihrer Gefahr unterrichtet, den Indianern einige ihnen wertvolle Gegenstände überschickten. Bewundert wegen dieser Fähigkeit zu seinen Freunden in so großer Entfernung reden zu können und wegen der vielen anderen Wunder, die er vor den Indianern tat, wurde er endlich auch vor den obersten Häuptling Powhatan gebracht. Hier wurde ein großes feierliches Gericht über ihn gehalten und sein Tod beschlossen. Man brachte große Steine, schleifte ihn zu diesen hin und hatte schon seinen Kopf auf sie niedergelegt um ihn zu zerschmettern, als Pocahontas, die Tochter Powhatans, damals erst 12 — 13 Jahre alt, hervortrat und durch ihre flehenden Bitten bei ihrem Vater sein Leben rettete.


Von dieser Zeit an galt Kapitän Smith ihnen als Freund und wurde durch ein geräuschvolles Fest förmlich unter sie aufgenommen als einer der Ihrigen. Powhatan schickte ihn in Begleitung von zwölf anderen nach Jamestown, um ihm zwei Flinten und einen Schleifstein zu holen, wofür er eine Strecke Landes erhalten sollte. Auf diese Weise wurde nicht nur der Frieden zwischen den Kolonisten und Indianern hergestellt, sondern auch ein Handelsverkehr eröffnet, der jenen die nötigen Lebensmittel zuführte. Dies änderte sich jedoch nach der Ankunft von Kapitän Newport aus England, der unklug genug die Eitelkeit Powhatans in so hohem Grad erregte, dass dieser erklärte, es sei unter seiner königlichen Würde, Handel zu treiben wie die Engländer. Sie sollten ihm ihre Waren vorlegen, er werde davon nehmen was ihm gefiele und dafür geben, was ihm gut scheine. Es kam aufs Neue zu Reibungen und Feindseligkeiten und einige Holländer, die für Powhatan ein Haus bauten, rieten ihm, die Engländer mit List aus dem Wege zu räumen. Eine friedliche Verhandlung mit Smith über Lieferung von Lebensmitteln sollte dazu benutzt werden, um sich seiner Person zunächst zu versichern. Dieser jedoch bemerkte während der Verhandlung sehr wohl, worauf es Powhatan abgesehen hatte und war seinerseits im Begriff, sich desselben zu bemächtigen, als dieser ihn überlistend plötzlich entfloh. Da entschloss sich Powhatan zu einem Überfall. Aber noch einmal rettete Pocahontas das Leben Smiths und seiner Leute. Sie kam allein in einer stürmischen Nacht durch die Wälder und benachrichtigte Smith von dem Plan ihres Vaters. Für diese aufopfernde Liebe bot er ihr allen Schmuck, der eine Indianerin beglücken konnte. Sie wies die Geschenke zurück, erinnerte ihn mit Tränen im Ange an ihren Vater, der sie töten würde, wenn er Verdacht schöpfe und kehrte in die Wälder zurück, wie sie gekommen war.


Bald darauf, im Jahr 1609, kamen einige von Powhatans Leuten durch eine Explosion um, da sie mit Pulver nicht umzugehen wussten und einer von ihnen, der sich klüger als die anderen dünkte, es ihnen lehren wollte. Dies verbreitete einen so allgemeinen Schrecken unter den Indianern, dass sie alle um Frieden baten und sich den Engländern unterwarfen.


Später kehrte Kapitän Smith nach England zurück. Man sagte den Indianern, er sei tot. Powhatan, der diesem Gerücht nicht glaubte, schickte einen seiner Räte nach England und trug ihm auf, Smith aufzusuchen, den Zustand des Landes und die Zahl seiner Bevölkerung zu erforschen und sich von Smith, wenn er ihn fände, den Gott der Engländer und den König und die Königin zeigen zu lassen. Bei seiner Ankunft in England machte der Abgesandte zuerst auf einem langen Stock jedes Mal eine Kerbe, wenn er einem Menschen begegnete. Bald reichte er damit nicht mehr aus und soll bei seiner Rückkehr auf die Frage nach der Zahl der Einwohner von England die Antwort gegeben haben: Zähle die Sterne am Himmel, die Blätter an den Bäumen und den Sand am Meer — denn so groß ist die Zahl des Volkes von England.


Smith's Nachfolger, Lord de la War, verfuhr weit grausamer gegen die Indianer als jener zuvor. Da Powhatan sich wieder übermütig zeigte, beschloss er, ihn zu unbedingter Unterwerfung zu bringen. Da er einen gefangenen Indianer in Händen hatte, ließ er diesem die rechte Hand abhauen und schickte ihn dann zu Powhatan mit der Nachricht, dass es allen seinen Untertanen so gehen solle, wenn er sich nicht sogleich und vollständig unterwerfe und dass alles Getreide im Land (es war kurz vor der Ernte) sogleich vernichtet werden würde. Dies erbitterte natürlich Powhatan und die Feindschaft begann aufs Neue.


Bald nachdem Smith die Kolonie verlassen hatte, geriet alles in Verwirrung, alle Disziplin hörte auf, man dachte nicht mehr an die Zukunft und genoss nur die Gegenwart. Durch die Angriffe der Indianer und durch Hunger sank die Kolonie im Laufe von 6 Monaten von 500 bis auf 60 Menschen, die anfangs noch mit Kräutern und Wurzeln, dann bei zunehmender Not nur mit Pferdehäuten ihr Leben zu fristen vermochten. Man grub die Leiche eines Indianers aus, um sie zu verzehren, ja einer der Kolonisten tötete seine Frau und salzte sie ein, um von dem Fleisch zu leben.


Pocahontas kam während dieser ganzen Zeit nicht mehr nach Jamestown. Im Jahr 1611 aber geriet sie durch Verrat anderer Indianer in die Gefangenschaft von Kapitän Argal, der sie zu benutzen suchte, um einen vorteilhaften Frieden mit Powhatan zu schließen, welcher jedoch erst dann zustande kam, als 1613 ein junger Engländer, John Rolfe, mit Pocahontas sich verheiratete. Von jetzt an war Powhatan ein aufrichtiger Freund der Engländer bis zu seinem Tode. Seine Tochter, zum Christentum übergetreten, ging mit ihrem Gatten nach England, wo sie Kapitän Smith wiedersah, der ihr nicht die warme Dankbarkeit bewahrt zu haben scheint, welche sie mit ihrer aufopfernden Hingebung so sehr verdient hatte. Im Begriff in ihr Vaterland wieder zurückzukehren, erkrankte sie und starb in Gravesend im Jahr 1617.


Nemattanow, ein indianischer Held der sich durch seine Tapferkeit in den Gefechten gegen die Engländer den Ruhm der Unverwundbarkeit erworben hatte, da er sich ungestraft immer der größten Gefahr aussetzte, wurde von den Seinigen für ein höheres übermenschliches Wesen gehalten. Eines Tages kam er (im Jahr 1622) zu einem Engländer namens Morgan, bei dem er viele Gegenstände sah, die für den Handel mit den Indianern bestimmt ihre Begierde reizen sollten. Da er kein Geld haben mochte die Sachen zu kaufen, sagte er ihm, er solle damit nach Pamunkey kommen, wenn er sie vorteilhaft absetzen wolle. Morgan ohne Misstrauen folgte seinem Rat und kehrte nie zurück. Nematta-nows Unstern wollte, dass er nach einiger Zeit den Wohnort Morgans aufs Neue besuchte mit der Mütze des Ermordeten auf dem Kopfe. Man ergriff ihn, um ihn vor Gericht zu führen und da er Widerstand leistete, schoss man ihn nieder. Tödlich verwundet und in sein Schicksal ruhig ergeben bat er mit großem Ernst nur noch um zwei Vergünstigungen, die eine, dass man seinen Landsleuten nie sage, dass er durch eine Kugel getötet worden sei, die andere, dass er unter den Engländern begraben würde, damit man nie erführe, dass er auch sterblich gewesen sei, wie andere Menschen.


Der Hass der Indianer gegen die Engländer war in dieser Zeit bereits ganz allgemein und vollkommen festgewurzelt. Opekanka-noug, nach einigen ein Bruder des Powhatan und nach dessen Tod bei weitem der angesehenste der Indianerhäupt-linge, die den englischen Kolonisten in Virginia gegenüberstanden, war zwar eifersüchtig auf den Ruhm Nemattanows und daher erfreut über dessen Schicksal gewesen, wusste aber den Tod desselben durch die Engländer listig zu benutzen um den Hass der Indianer gegen sie zu stacheln. Durch seine Verstellung wusste er jene vollständig zu täuschen. Während die Verschwörung reifte, die allen Engländern den Untergang bringen sollte, lebte man im tiefsten Frieden mit ihnen und leistete ihnen jeden Freundschaftsdienst auf das Bereitwilligste. Noch am Morgen des 22. März 1622 kamen die Indianer unbewaffnet zu den Engländern, handelten und frühstückten mit ihnen. Diese liehen ihnen ihre Boote und mancherlei Geräte, die sich plötzlich in Waffen gegen sie verwandelten. Zur bestimmten Stunde fielen die Indianer aus ihren Verstecken über sie her und mordeten Männer, Frauen und Kinder ohne Unterschied, 347 an der Zahl, ungefähr in einer Stunde. Von 80 Pflanzungen bleiben nur 6 verschont, die durch die rechtzeitige Anzeige eines christlichen Indianers gerettet wurden.


Die Engländer sammelten ihre Kräfte und sinnten auf Rache, die sie womöglich in noch verräterischerer und grausamerer Weise ausführten als selbst die Indianer. Sie lockten diese unter dem Schein mit ihnen Frieden machen zu wollen herbei, versprachen ihnen Vergebung für das Geschehene und persönliche Sicherheit, griffen sie unvermutet an und metzelten nieder so viele in ihre Hände fielen.


Opekankanough entkam und wusste 22 Jahre später alle Indianer, die auf einem Raum von 600 Meilen wohnten, gegen die Engländer zu vereinigen, um sie zugrunde zu richten. Er selbst, ein Greis von fast 100 Jahren, konnte nicht mehr gehen, aber wollte doch bei der Ausführung des Planes gegenwärtig sein. In zwei Tagen sollen 500 (nach anderen Angaben 300) Weiße gefallen sein, bis William Berkeley an der Spitze einer bewaffneten Macht dem Fortschritt des Mordens ein Ende setzte, die Indianer schlug und Opekankanough gefangen nahm. Dieser von den Anstrengungen des Tages ermattet, vermochte die Augen nicht mehr aufzuschlagen. Von einem Soldaten tödlich verwundet hörte er den Lärm der neugierig ihn umdrängenden Menge und befahl einem Diener ihm die Augenlider zu öffnen. Erzürnt und verächtlich die Umstehenden anblickend, erhob er sich noch einmal vom Boden und befahl den Gouverneur zu ihm zu rufen, zu dem er sprach: Hätte mein Glück gewollt, dass William Berkeley mein Gefangener geworden wäre, so würde ich ihn nicht so gemein der Menge zur Schau gestellt haben.


Die bittere Feindschaft, welche die Indianer zu jenen Verschwörungen veranlasste, hatte ihren hauptsächlichen Grund darin, dass ihnen von den Engländern allmählich immer größere Länderstrecken abgenommen und sie aus ihrem ursprünglichen Besitz vertrieben wurden. Freilich geschah dies großenteils dadurch, dass die Indianer ihre Ländereien freiwillig verkauften, aber wie diese Käufe vonseiten der Indianer oft höchst leichtsinnig eingegangen wurden und sie bald in bittere Not brachten, die ihnen keine anderen als die gewaltsamsten Mittel zu ihrer Selbsterhaltung mehr übrig ließen, so wurden sie vonseiten der Weißen, die ihre Überlegenheit auf das Schändlichste benutzten, oft in einer solchen Weise betrieben, dass sie dem schmählichsten Betrug gleich kamen, für den jene sich dann auf jede Weise zu rächen versuchten.


So war es in Virginia, so war es in Massachusetts, so war es überall, wo die Weißen als Ansiedler oder Kaufleute mit den Indianern verkehrten. Sehr häufig machten sie diese erst vollständig betrunken und schlössen dann ihre Verträge mit ihnen ab. Feindschaft und Kriege waren die natürliche Folge davon.

 

Textquelle: Die Indianer Nordamerikas- Einblick ins Buch

Quelle Symbolbild: "Twenty Years among our hostile Indians", New York, 1899


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