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Das Gewehrschloss

Bis ins 15. Jahrhundert erfolgte die Zündung des Gewehres, wie wir wissen, mittelst der Hand durch Auflegen eines brennenden Stückes Holzschwamm oder einer Stricklunte. Als das Zündloch an der Seite der Rohrwand angebracht wurde, fügte man die Pfanne hinzu. Das Bedürfnis, während des Zielens abfeuern zu können, gab Veranlassung zur Bildung des Luntenhahnes und des Luntenschlosses.

 

Man kann bei der ersten Anwendung mechanischer Hilfsmittel zur Abfeuerung von einem Luntenschloss nicht sprechen, da der ganze Apparat in nichts als einem Stängelchen bestand, welches am Schaft mit einem Stift befestigt war. Vorn war ein Spalt angebracht, in welchen der Schwamm oder die Lunte gezwängt wurde.

 

Die Zündung erfolgte durch Fingerführung, wobei der Hahn durch seine eigene Schwere auf die Pfanne klappte. In diesem Entwicklungsstadium finden wir den Zündmechanismus noch an den Handbüchsen in den Zeugbüchern Maximilians I.

 

In der nächsten Zeit bildete man den Hahn als zweiarmigen Hebel, wobei der hintere Arm das Bewegen desselben erleichterte. Gerade diese Konstruktion führte später auf den Abzug durch das Züngel. Eine wichtige Beigabe war die Stangenfeder, wodurch sich die Hahnbewegung regelte. Damit verband man eine sogenannte Abzugstange, ähnlich wie bei den Armbrüsten. Hahn, Feder und Abzugstange bildeten nun bereits ein mechanisches System, das mittels der Schlossplatte, die anfänglich nur aus einem langen, bandförmigen Blechstreifen bestand, zusammengefasst wurde. So entstand das erste Luntenschloss. Das Züngel erscheint bei feineren Gewehren schon im 16. Jahrhundert, bei Kriegsgewehren bleibt bis ans Ende des 17. Jahrhunderts vielfältig noch die Abzugstange in Gebrauch.

 

Fig. 555. Die sogenannte Mönchsbüchse. Orientalisch. Königlich Historisches Museum in Dresden. Nach Thierbach, Handfeuerwaffen I, Fig. 51.

Fig. 555. Die sogenannte Mönchsbüchse. Orientalisch. Königlich Historisches Museum in Dresden. Nach Thierbach, Handfeuerwaffen I, Fig. 51.

 

Die Vorrichtung am Hahn zur Aufnahme des Zündmittels bestand entweder in einem Spalt, dessen beide Lippen später, um die Lunte fester einzuklemmen, mit einer Schraube versehen wurden oder in einem vorn angebrachten Röhrchen, durch welches die Lunte gezogen wurde. Der Übelstand, dass bei Regenwetter das Zündpulver nass und somit unbrauchbar wurde, veranlasste die Beigabe des sogenannten Pfannenschiebers, der auch noch im Radschlosssystem beibehalten ist.

 

Ein weiterer mechanischer Fortschritt war der Luntenschnapphahn. Er erforderte bereits eine doppelte Federwirkung durch die Schlagfeder einer- und die Stangenfeder andererseits, die zumeist durch Zurückziehen eines Stiftes die Schlagfeder auslöste. Die Erfindung, wiewohl sie später zur Konstruktion des Schnapphahn- und Flintenschlosses führte, bewährte sich für die Luntenzündung nicht, da der Hahn während des Entzündens auf die Pfanne gesenkt blieb und das aufsprühende Zündpulver häufig die Lunte ausblies.

 

Wie erwähnt, nimmt man allgemein an, dass das Radschloss um 1515 in Nürnberg erfunden worden sei; das mag in Bezug auf die Konstruktion im Allgemeinen seine Richtigkeit haben, nicht aber in Bezug auf die Abfeuerung durch das Reiben des Schwefelkieses an einer rauen Eisenfläche. Wir sehen den Beweis in der sogenannten Mönchsbüchse im Königlich Historischen Museum zu Dresden, die spätestens ins 15. Jahrhundert zu setzen ist. Der Lauf aber zeigt am vorderen Ende Verzierungen in offenbar arabischem Stil und es weist dieser Umstand von neuem darauf hin, dass wir die wichtigsten Erfindungen den Orientalen zu danken haben. (Fig. 555)

 

In der Detailkonstruktion des Radschlosses kommen seit seinem ersten Auftreten bis zu seinem Verschwinden die mannigfachsten Verschiedenheiten vor und jede einzelne Veränderung lässt, wenn wir genauer zusehen, einen bestimmten Grund, eine Verbesserung wahrnehmen. Betrachten wir vorerst das Rad. Die ältesten Räder liegen am Mechanismus unbeschützt zutage. Das offene Rad aber wurde leicht beschmutzt, verstaubt, was auf seine Bewegung einen widrigen Einfluss üben musste. Bei Regenwetter wurde es nass, wodurch die Funkenbildung gestört wurde. Man versah demnach das Rad mit einer schalenförmigen Decke, die zuweilen auch durchbrochen gebildet wurde, was freilich auch die Absicht wieder vereitelte. Diese Raddecke wird mit Vorliebe ein Gegenstand der Verzierung, sie ist meist aus Metall und vergoldet und zeigt die hübschesten Dessins in Gravierung oder Ätzung. Man unterscheidet darum zunächst Radschlösser mit offenem und solche mit gedecktem Rad. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts treffen wir bezüglich der Lage des Rades auf die mannigfachsten Konstruktionen; nicht selten finden wir das Rad an der Innenseite, eine Anordnung, die viele Nachteile im Gefolge hatte. Zur Feststellung des Rades diente ein Achslager, eine Art Studel, und nicht selten findet man, dass die Hahnfeder rings um die untere Hälfte des Rades geführt ist. Bei den ältesten Konstruktionen vollführt beim Abzug das Rad eine ganze Umdrehung. Bei den späteren macht das Rad nur eine halbe und selbst nur eine Viertelumdrehung. Sehr bald nach Erfindung des Radschlosses stellt sich zur Sicherung gegen unzeitiges Losgehen des Gewehres eine Sperrvorrichtung ein, die an der rückwärtigen Seite angebracht ist.

 

Es gibt vielerlei Sperrsysteme; das einfachste und am öftesten vorkommende ist jenes, wo der Fuß des Abzuges verlängert ist und mit seinem Ende aus einer Durchfeilung der Schlossplatte hervorragt. Ein Scharnierhebel kann mit seiner Kopffläche derart vor die vordere Seite des Fußes gelegt werden, dass der Abzug unbeweglich wird. Die ältesten Radschlösser haben noch Pfannenschieber, welche mit dem Daumen aufzuschieben sind. Die späteren, vornehmlich jene an Jagdgewehren, besitzen schon Pfannenschieber, welche, durch den Druck auf einen Knopf von einer Feder (Deckelfeder) im Innern bewegt, rasch sich öffnen lassen.

 

Unter den Radschlössern bildet das kurländische eine eigene Art. Vermutlich ist es überhaupt das älteste Radschloss. Seine Eigentümlichkeit besteht darin, dass Schlagfeder mit Rad und Kette nach außen zu gelegen ist. Über beide Teile ist die Studel im Bogen geführt. Der Hahn mit einer besonderen Feder liegt vor der Pfanne. Die Stangenfeder wirkt inwendig von unten auf den vorderen Arm der Stange. (Fig. 556.)

Fig. 556. Kurländisches, sogenanntes Tschinkenradschloss. Anfang 17. Jahrhundert.

Fig. 556. Kurländisches, sogenanntes Tschinkenradschloss. Anfang 17. Jahrhundert.

 

Eine besondere Konstruktion zeigen die sogenannten Selbstspanner. Während jedes gewöhnliche Radschloss mit einem Schlüssel, dem zu diesem Zweck an die Welle des Rades gesteckten Radschlossschlüssel, gespannt wird, erfolgt bei den Selbstspannern das Spannen durch die Bewegung, die der Hahn beim Niederlegen auf die Pfanne macht, sodass die Mitführung eines eigenen Schlüssels entbehrlich wird.

 

Die Konstruktionen dieser Art sind so mannigfaltig, dass es zu weit führen würde, selbst die gebräuchlichsten hier anzuführen. Der aufmerksame Liebhaber wird im vorkommenden Fall leicht eine solche Kombination entdecken und ihr System sich klar machen.

 

Die Form des Hahnes hat im Verlauf der Zeit Veränderungen erfahren, sodass es möglich ist, wenigstens die späteren auf den ersten Blick hin von den älteren zu unterscheiden. Die ältesten Hähne sind sehr einfach und bestehen nur aus einem dünnen, gedrehten oder vierkantig gefeilten Stiel, die Hahnlippen sind schmal und eckig gebildet, der Hebel ist kurz oder fehlt wohl auch ganz. Später ist der Hahn mehr geschwungen, der Stiel wird breiter, der Hebel strebt in hohem Bogen nach aufwärts und bildet auch einen Ring. Zuletzt werden die Hähne breit und plump mit allerlei Einfeilungen versehen. Immer aber sind sie und zuweilen selbst meisterhaft graviert. Viele und namhafte Kupferstecher, vorzüglich Augsburger, haben sich in der Gravierung und Auszierung von Radschlössern versucht.

 

Fig. 557. Radschloss mit zwei Hähnen und einer Pfanne. Brescianer Arbeit. 17. Jahrhundert.

Fig. 557. Radschloss mit zwei Hähnen und einer Pfanne. Brescianer Arbeit. 17. Jahrhundert.

 

Italienische Radschlösser, besonders die von Brescia und Gardone, sind meist sehr zierlich gebildet und die Hähne zeigen oft phantastische Formen: Drachen, Schlangen etc., ein Beweis für die ausgezeichnete künstlerische Schulung der Verfertiger.

 

Bei den älteren Radschlossgewehren neigt sich der Hahn gegen die Mündung zu, später hat er fast ausnahmslos eine entgegengesetzte Bewegung. Das geringe Vertrauen, welches man allweg dem Radschloss entgegenbrachte, führte zu verschiedenen Kombinationen, denen die Absicht zugrunde liegt, falls das Schloss versagte, den Schützen nicht in Verlegenheit kommen zu lassen. Bis ins 17. Jahrhundert hinein wird darum, namentlich bei Kriegsgewehren, dem Radschloss ein Luntenhahn beigegeben. Bei Jagdgewehren kommen häufig Radschlösser mit zwei Hähnen vor, welche abwechselnd auf die Pfanne gelegt werden können. (Fig. 557.) Diese Vorsicht entsprach kaum dem Zweck vollständig, da die meisten Versager ihre Ursache in dem verschmandeten Rad hatten. Die Umständlichkeit, das Rad nach jedem Schuss wieder aufziehen zu müssen, veranlasste schon um 1570 zu verschiedenen Versuchen, ein Schloss zusammenzustellen, welches bei einmaligem Spannen mehrere Schüsse abzugeben gestattet. Die hierauf abzielenden Systeme sind ungemein mannigfaltig.

 

Eine Eigentümlichkeit an Rad- und Flintenschlossgewehren findet sich in den sogenannten Doppelschlössern. (Fig. 558.) Zwei oder auch drei Schlösser liegen voreinander und jedes besitzt seine eigene Pfanne mit Zündloch. Diese Konstruktion ging aus der Absicht hervor, nicht für jeden einzelnen Schuss neu laden zu müssen. So wurden nun zwei bis drei Patronen je nach der Schlosszahl übereinander geladen und zwischen jede Ladung ein starker Pfropf gelagert. Die Einrichtung kann nicht als eine vorteilhafte angesehen werden.

 

Fig. 558. Doppelschloss einer Flinte mit zwei Pfannen. Um 1680.

Fig. 558. Doppelschloss einer Flinte mit zwei Pfannen. Um 1680.

 

Von der Mitte des 16. Jahrhunderts an streben die deutschen Werkstätten eifrig nach Verbesserung des Radschlosses, das man mit allem Recht als „deutsches Schloss“ bezeichnet. Es gab keinen Büchsenmacher, der nicht sein eigenes System gehabt hätte. Wir finden darum auch an Radschlössern bis ins 17. Jahrhundert die mannigfachsten Varianten, von denen nicht wenige sich als sehr sinnreich zu erkennen geben. Freilich treffen wir auch nicht selten sonderbare Verirrungen. (Fig. 559.) Die Gewehrschlosssammlung der k. k. Hof-Waffensammlung in Wien ist in dieser Beziehung sehr lehrreich, sie enthält u. a. ein monströses Radschloss von nicht weniger als 44 cm Schlossplattenlänge und 3,8 kg. Gewicht, eine bedenkliche Verirrung eines Meisters. Als ob zur Entzündung einer größeren Quantität Pulver mehr und stärkere Funken nötig wären als zur Entzündung einer kleineren.

 

Indem wir zur Besprechung der Schnapphahnsysteme schreiten, bemerken wir, dass es rätselhaft ist, warum das spanische Schnapphahnschloss, das sicher so alt als das Radschloss ist, sich nicht gleich diesem allgemein verbreitete. Bei allen konstruktiven Mängeln war der Vorteil des Systems gegenüber jenem des Radschlosses so in die Augen springend, dass wir über die lange Dauer des Gebrauches von Lunten- und Radschlössern nur staunen können. Wir nennen die älteste Schnapphahnkonstruktion eine spanische, weil sie von Spanien her sich langsam über Frankreich und die Niederlande verbreitete. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass sie von den Mauren hergekommen ist; denn sie wird weit häufiger an arabischen und türkischen als an europäischen Gewehren des 16. Jahrhunderts angetroffen. (Fig. 560.) In verschiedenen Werken wird sie auch türkisches Schnapphahnschloss genannt. Wahrscheinlich aber ist sie eine maurisch-arabische Erfindung der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

 

Fig. 559. Radschloss mit Spanner von einem Jagdgewehr des Augustinus Kotter, genannt Sparr in Nürnberg. Die Gravierung ist von Wilhelm Weyer in Wien. Späteste Form des Radschlosses. Sammlung des Grafen Wladimir Mittrowsky in Pernstein in Mähren.

Fig. 559. Radschloss mit Spanner von einem Jagdgewehr des Augustinus Kotter, genannt Sparr in Nürnberg. Die Gravierung ist von Wilhelm Weyer in Wien. Späteste Form des Radschlosses. Sammlung des Grafen Wladimir Mittrowsky in Pernstein in Mähren.

 

Bei diesen Schlössern befindet sich das Federsystem an der äußeren Seite der Schlossplatte und das ist unstreitig ein Nachteil. Nirgends ist eine Nusskonstruktion vorhanden, die schlagende Bewegung erfolgt vielmehr durch den Druck der Schlagfeder auf einen Hahnfortsatz. Der Abzug wird durch Zurückziehen eines Stiftes bewirkt, der durch die Schlossplatte greift und den Hahn in gespannter Lage erhält. Die wichtigste und genialste Einrichtung besteht aber in der Verbindung des Pfannendeckels mit der Schlagfläche (Batterie), wodurch sich die Pfanne in dem Augenblick öffnet, wo der Schlag erfolgt1. Es ist daher ganz unbegreiflich, warum die niederländischen Meister, welche das spanische Schnapphahnschloss um 1560 übernahmen und weiterbildeten, gerade dessen vorteilhafteste Einrichtung, den Batteriedeckel (von battere, schlagen), verwarfen, den alten Pfannenschieber des Radschlosses beibehielten und auf die sogenannte Schnapphahnbatterie verfielen, welche in einem Schlageisen bestand, das auf einem Stiel angeordnet war2. Diese Schnapphahnbatterie wird von den Franzosen und Niederländern an den Flintenschlössern noch um 1680 angewendet. (Fig. 533.) Eine unleugbare Verbesserung besitzt das niederländische Schnapphahnschloss darin, dass der Federmechanismus nach innen zu gelegen ist. An einigen sind schon Versuche bemerkbar, die zum Flintenschlosssystem überleiten. Auch der Hahn nähert sich in seiner Form bereits dem späteren Flintenhahn. Es ist bemerkenswert, dass wir schon an türkischen Schnapphahngewehren vom Anfang des 17. Jahrhunderts die Hahnsperre (Sperrhaken) antreffen. Wir sehen auch hier wieder, dass die besten Einrichtungen weit älter sind, als man bisher angenommen hat und auf den Orient zurückgehen.

 

Schließlich sei erwähnt, dass das älteste bekannte niederländische Schnapphahnschloss im Historischen Museum in Dresden die Jahreszahl 1598 trägt.

 

1Solange noch der Schwefelkies angewendet wurde, musste die Schlagfläche mit nach abwärts laufenden Rifflungen zur Schonung des Steines versehen werden; beim Feuerstein war diese Vorsicht nicht mehr nötig.

2Die Ursache wird wohl sein, dass die niederländischen Büchsenmacher zu sehr unter dem Einfluss der deutschen standen und von dem aufschnellenden Pfannenschuber des Radschlosses eine zu hohe Meinung hatten.

 

Fig. 560. Spanisches Schnapphahnschloss von Francisco Lopez in Madrid. 18. Jahrhundert.

Fig. 560. Spanisches Schnapphahnschloss von Francisco Lopez in Madrid. 18. Jahrhundert.

 

Fig. 561. Flintenschloss mit reicher Auszierung in Eisenschnitt, zur Flinte Fig. 544 gehörig. Um 1700.

Fig. 561. Flintenschloss mit reicher Auszierung in Eisenschnitt, zur Flinte Fig. 544 gehörig. Um 1700.

 

Das französische Flintenschloss kann als eine der wichtigsten Verbesserungen im Gewehrwesen betrachtet werden. Es war damit ein System geschaffen, welches allen Anforderungen an eine sichere und rasche Entladung entsprach und dennoch begegnete es in den konservativen Militärkreisen in Frankreich einem nicht zu bannenden Misstrauen. Bis ans Ende des 17. Jahrhunderts blieb der Luntenhahn noch an den Schlössern der Füseliergewehre.

 

Am Flintenschloss liegt mit Ausnahme des Hahnes, der Pfanne, dem Batteriedeckel und der Deckelfeder der Mechanismus, bestehend in der Nuss, der Stangenfeder, der Schlagfeder, der Studel und der Stange im Innern der Schlossplatte. Die ältesten französischen Flintenschlösser besaßen, wie erwähnt, noch die alte Schnapphahnbatterie, was als ein Beweis erscheint, dass der französische Erfinder des Flintenschlosses das niederländische Schnapphahnschloss zum Vorbild genommen hatte. Der Pfannenschuber wird noch mittels Drücker geöffnet. Diese Umständlichkeit wussten die Pariser Meister dadurch zu beseitigen, dass sie den Pfannenschuber mit dem Hahn durch ein Gestänge verbanden, sodass sich ersterer beim Aufziehen öffnet. Eine charakteristische und wesentliche Neuerung ist in der Nuss mit ihren beiden Rasten zu sehen. Sie gewinnt aber nach vielen Studien erst die zweckentsprechende Form. Bis etwa 1660 trifft man noch häufig geriffelte Schlagflächen für Schwefelkies, von da an nur noch platte. Um dieselbe Zeit verschwinden auch die Schnapphahnbatterien, die sich unverdienterweise so lange im Gebrauche erhielten. Von dem Entstehen des Flintenschlosses an datiert ein riesiger Aufschwung der französischen Büchsenmacherwerkstätten unter dem Schutz, welchen ihnen namentlich Colbert gewährte. Die Arbeiten sind aber auch von einer Schönheit und Eleganz, welche alle Bewunderung verdienen. Auf die Ausschmückung der Schlösser wie der Läufe nahmen die ersten Künstler Frankreichs im Fach der Dekoration, wie Lebrun, Berain, Brisseville und viele andere, Einfluss. (Fig. 561.) Nach und nach erst bequemten sich die deutschen Büchsenmacher dazu, von ihrem geliebten Radschloss zu lassen und Flintenschlösser zu erzeugen. Bei ihrer ausgezeichneten fachlichen Schulung gelang es ihnen aber im 18. Jahrhundert rasch den Franzosen und Belgiern empfindlichste Konkurrenz zu machen, ja einzelne, wie Ulrich Mänz in Braunschweig, S. Hauschka in Wolfenbüttel, Andreas Kuchenreuter in Regensburg, L. Becher in Karlsbad, Georg Keiser in Wien u. a., übertrafen bald die Franzosen in der Schönheit und Güte ihrer Arbeiten.

 

Die Einfachheit und konzise Zusammenstellung des Mechanismus gestattete ohne Schwierigkeit die Umwandlung des Flintenschlosses in ein Stechschloss. Stechschlösser finden sich schon am Beginn des 18. Jahrhunderts in nahezu derselben Form wie ein Jahrhundert später.

 


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Quelle: Wendelin Boeheims "Handbuch der Waffenkunde"