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Der Schild Teil 1

Das Bedürfnis des Kriegers, sich durch eine tragbare Schutzwaffe vor der Wirkung der Waffen des Feindes zu sichern, war stets umso reger, je bedeutender diese Wirkung erschien, je unausgebildeter die Taktik und je unzulänglicher der Schutz war, welchen die kriegerische Kleidung selbst bieten konnte.

 

Am Beginn des Mittelalters, in einer Epoche des Strebens nach geordneten Verhältnissen, fand man barbarische Völkerschaften über Europa verstreut, deren Kultur an sich verschieden voneinander, immer aber zu gering war, um sich durch technische Mittel ausreichend vor der feindlichen Angriffswaffe zu schützen. Barbarische Völker mussten im Krieg allezeit durch rasche Bewegungen das ersetzen, was ihnen durch ihre mangelhafte kriegerische Ausrüstung an defensiven Streitmitteln abging.

 

Wir finden deshalb unter den sarmatischen und hunnischen Reitervölkern, welche im 4. Jahrhundert den Westen Europas überschwemmten, nirgends eine Spur von einer Verwendung von Schilden. Jene Völkerschaften, welche sich in Deutschland sesshaft gemacht und manches von der Kampfweise der Römer sich angeeignet hatten, benutzten allerdings große, ovale Schilde, aber diese waren von zweifelhaftem Wert, von Weidenzweigen geflochten und mit ungegerbten Rindshäuten überspannt. Die Schilde der Germanen waren fast noch einfacher. Sie hatten in der allgemeinen Gestalt einige Ähnlichkeit mit jenen in den römischen Legionen üblichen, nur waren sie bei ihrer viereckigen Gestalt weniger ausgebogen. Gleichfalls aus Weidengeflecht gebildet, waren sie mit Pelzwerk, gemeiniglich vom Wolf, überzogen. Dieser Gebrauch, Schilde mit Pelzwerk (Rauchwerk) zu überziehen, erhielt sich bis ins 13. Jahrhundert, in welchem man noch häufig Schilde findet, welche wenigstens am oberen Teile mit Fellen verschiedener Tiere überzogen sind. Aus dieser Sitte hat sich auch das heraldische Pelzwerk (fêh) im Mittelalter herausgestaltet. Man findet übrigens noch heute Rundschilde asiatischer Völkerschaften mit Fell von Rindern überzogen.

 

Der leichte Reiter war einer Verwendung des Schildes stets abhold, er hinderte ihn in der Führung des Pferdes, ohne ihm den erwünschten Schutz zu bieten. Nur dem zu Fuß kämpfenden Mann erschien der Schild umso unentbehrlicher, je weniger er imstande war, sich der feindlichen Waffenwirkung durch eine rasche Bewegung zu entziehen.

 

Zwei Umstände führten zu einer allmählichen Verbesserung der Waffen der Völker, welche sich in Europa sesshaft gemacht hatten. Die Verbindung, in welche sie mit Konstantinopel geraten waren, von wo sie auf dem Handelsweg die Waffen bezogen, und der glückliche Zufall, dass sie auf ihrem Zug gegen Rom auch Länder berührten, in welchen seit langem autochthone Bevölkerungen das Eisen aus den Bergen gewannen und zu Waffen verarbeiteten. Jene südgermanischen Völkerschaften, welche vom Beginn der Kaiserzeit an mehr oder weniger mit dem römischen Reich in Beziehungen gestanden waren, hatten allgemach römischer Fechtweise sich anbequemt, und wir sehen auch aus ihren von den Römern entlehnten erst die den nationalen Eigenschaften entsprechenden germanischen Waffenformen erstehen. Der Weg, auf welchem die Germanen des Westens römische Art und Sitte an sich zogen, ging über Mailand, die Alpen durchschneidend, an den Rhein. In Iberien hatten die Westgoten eine uralte, von den Römern gegründete Eisenindustrie vorgefunden und im eigenen Interesse geschont. Sie versah mit ihren Erzeugnissen bis ins 8. Jahrhundert allein das ganze fränkische Reich bis an die Maas.

 

Des ungeachtet waren die Schilde noch zur Zeit Karls des Großen, wie uns das Schachspiel aus dem Schatz von Saint-Denis aus jener Zeit erkennen lässt, nicht allgemein von dem widerstandsfähigsten Material, dem Eisen, sondern noch zum größten Teil aus Holz, mit Leder überzogen und mit Eisenbändern verstärkt. Der Reiter führte einen leichten, hölzernen, runden oder unten kolbig zugespitzten Schild, mit eisernen Spangen und Nägeln verstärkt, bei Rundschilden war in der Mitte ein buckelförmiger Beschlag, der Schildnabel, aufgenietet. Getragen wurde derselbe am linken Arm an einem breiten Riemen (Schildfessel), ein zweiter diente, um selben an der Hand zu fassen. Der zu Fuß kämpfende Mann trug einen großen, mandelförmigen, etwas über 1 Meter hohen, stark gewölbten Holzschild, der an den Rändern und in der Mitte kreuzweise mit Eisenbändern verstärkt und in den dadurch gebildeten Rauten mit starken Nägeln besetzt war. Er wurde im Gefecht mit der Spitze auf den Boden gestützt und es scheint schon im 9. Jahrhundert der Gebrauch aufgekommen zu sein, die hohen Schilde knapp aneinander zu reihen und so eine feste Wand zu bilden, hinter welcher die Bogenschützen gedeckt sich postieren konnten. Wie man die langen, zugespitzten, der Dreiecksform sich nähernden Schilde als den germanischen Völkern eigentümlich erklären kann, ebenso sind die runden und ovalen Schilde hauptsächlich in den Heeren des Südens und Südostens Europas zu finden. Ja in Byzanz treffen wir die Rundschilde im 8. Jahrhundert in so kleinen Dimensionen, dass sie nahezu den Faustschilden anzureihen sind, die im Kampf gegen die blanke Waffe den Vorteil boten, dass sie sich zum Parieren eigneten.

 

Die ältesten Abbildungen von Schildformen des Mittelalters finden sich in einem Virgil in der Bibliothek des Vatikans, der dem 5. Jahrhundert angehört. Sie erscheinen dort als Rundschilde mit stumpf kegelförmigen Stacheln.

 

Im Psalterium aureum von St. Gallen sehen wir die Krieger zu Fuß und zu Pferde mit einerlei Schilden, Rundschilden romanischer Form, bewaffnet. Sie sind von halber Mannshöhe im Durchmesser, stark gewölbt und mit einem stark spitz zulaufenden Schildnabel versehen. Sie waren wie noch jene aus merowingischer Zeit ohne Zweifel aus Holz, mit Leder überzogen und mit radiallaufenden Bändern aus Metall verstärkt, welche mit Nägeln besetzt erscheinen. (Fig. 179 und 180.) Genau in dieser Form erblicken wir sie in einer Bibel aus dem 9. Jahrhundert in S. Paolo fuori le mura zu Rom.

Fig. 179. Krieger mit Rundschild vom Ende des 8. Jahrhunderts aus dem Psalterium aureum von St. Gallen, nach Rahn, Psalt. aur.  Fig. 180. Krieger mit Rundschild und Spieß vom Ende des 8. Jahrhunderts aus dem Psalterium von St. Gallen, nach Rahn.

 Fig. 179. Krieger mit Rundschild vom Ende des 8. Jahrhunderts aus dem Psalterium aureum von St. Gallen, nach Rahn, Psalt. aur.

 Fig. 180. Krieger mit Rundschild und Spieß vom Ende des 8. Jahrhunderts aus dem Psalterium von St. Gallen, nach Rahn.

 

Die Umwandlung in der anfangs römischen Bewaffnung der germanischen Heere ging nur nach Maßgabe des Verblassens der antiken Traditionen und langsam vor sich; so finden wir den Rundschild neben dem germanischen Schild im frühen Mittelalter noch lange in Gebrauch. Unter den Vornehmen blieb es Jahrhunderte hindurch noch Sitte, sich nach römischer Art zu tragen, und noch die ersten deutschen Könige erscheinen in ihren Siegeln mit dem römischen Rundschild bewaffnet, wie denn auch noch der Reiter im Schachspiel Karls des Großen mit einem solchen bewaffnet dargestellt ist. In Italien erhalten sich begreiflicherweise die antiken Formen der Schilde noch weit länger; in den Mosaiken der Markuskirche in Venedig (12. Jahrhundert) erscheinen die venezianischen Soldaten nur mit Rundschilden ausgerüstet. Und auch in einem Manuskript, enthaltend die Legende Alexanders III., im Museo Correr, aus dem 14. Jahrhundert tragen die venezianischen Soldaten Rundschilde und sonderbarer Weise dazu auch Helmbarten.

Fig. 182. Bretonischer Schild aus Bronze, gefunden im Withamfluss in Lincolnshire aus der ehemaligen Sammlung des L. Meyrick in Goodrich-Court. 10. Jahrhundert.

 Fig. 181. Normannischer Schild mit Bemalungen in Schwarz und Rot auf gelblich-weißem Grund nach einer Miniatur aus der Bibel des heiligen Martial von Limoges in der Nationalbibliothek zu Paris vom Anfang des 12. Jahrhunderts.

 Fig. 182. Bretonischer Schild aus Bronze, gefunden im Withamfluss in Lincolnshire aus der ehemaligen Sammlung des L. Meyrick in Goodrich-Court. 10. Jahrhundert.

 

Im Teppich von Bayeux finden wir allerdings in der Mehrzahl den langen romanischen Schild (Fig. 181), daneben aber auch noch hochgewölbte und mit Spitzen versehene romanische Rundschilde in Verwendung. Bei den englischen Scharen finden sich in einigen Gruppen der Schlacht bei Hastings auch bretonische Schilde abgebildet. Ein solcher Schild aus Bronze befand sich vor einigen Jahren noch in der Sammlung Meyrick (Fig. 182), einen anderen von ähnlicher Form bringen wir nebenstehend aus der Tapete von Bayeux (Fig. 183).

Fig. 183. Bretonischer Schild aus dem Teppich von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts. Fig. 184. Innenseite eines normannischen Schildes mit Schildfessel und Tragriemen aus einem Manuskript d. Psalt. lat. der Nationalbibliothek in Paris vom Anfang des 13. J

 Fig. 183. Bretonischer Schild aus dem Teppich von Bayeux. Ende des 11. Jahrhunderts.

Fig. 184. Innenseite eines normannischen Schildes mit Schildfessel und Tragriemen aus einem Manuskript d. Psalt. lat. der Nationalbibliothek in Paris vom Anfang des 13. Jahrhunderts. Nach Viollet-le-Duc.

 

Schon im 6. Jahrhundert finden wir Zeugnisse, dass die Schilde ein beliebter Gegenstand der Dekoration durch die Kunst des Goldschmiedes gewesen waren. Gregor von Tours erwähnt eines reich in Gold verzierten und mit Steinen besetzten Schildes, welchen Brunehaut dem König von Spanien sendet.

 

Es ist bezeichnend, dass im 11. Jahrhundert, zur Zeit Haralds III. von Norwegen, die ersten Spuren von einer Bemalung der Schilde mit abenteuerlichen und abschreckenden Figuren angetroffen werden. Diese rohen Anfänge der Heraldik lassen damit auf ihre orientalische Herkunft schließen. Der normannische Schild, aus Holz mit Kreidegrund, schmal, unterhalb spitz zulaufend und oberhalb rund abschließend, kann als das Urbild aller späteren Schildformen des Mittelalters betrachtet werden. (Fig. 181, 184.)

 

Die Größe des Reiterschildes in jener von der römischen wesentlich abweichenden Form, wie selbe durch die Normannen zuerst in Gebrauch kam, war im Hinblick auf die primitive Harnischausrüstung wohlberechnet. Da diese den Schlagwaffen nicht widerstand, bedurfte man einer Schutzwaffe, welche den Reiter vom Fuß bis an die Schulter zu decken imstande war. Die Schilde des 11. und 12. Jahrhunderts hatten darum auch eine bedeutende Länge. Im genannten Teppich von Bayeux ist in der Schildform zwischen der Reiterei und dem Fußvolk kein Unterschied zu erkennen, sie eignete sich eben für beide gleich gut. Die Fußsoldaten reihten sich dicht aneinander, sodass ihre langen Schilde, einer über den anderen gelegt, eine feste, schusssichere Wand bildeten. Die Sorge um die Festigkeit des Schildes führte darauf, sie zu beschlagen und mit einem Schildbuckel auszustatten, von welchem aus die Eisenbänder gehalten wurden.

 

Gerade um diese Zeit wird der Harnisch aber in seiner Festigkeit wesentlich verbessert. Dieser bedeutende, aus den Erfahrungen in den Kreuzzügen hervorgetretene Erfolg war zunächst Ursache, dass im Verlauf des 13. Jahrhunderts der Reiterschild allmählich kürzer wurde, sodass er nun nur noch vom Sattelsteg bis an das Kinn reichte. Die Seitenränder sind noch stark kolbig gegen die Spitze laufend, aber der Oberrand wird nun flacher gebildet, denn für die Deckung des Gesichtes ist durch die neue Helmform ausreichend vorgesorgt. Der Schild, anfänglich noch gewölbt, wird flacher, und Schildbuckel und Beschläge verschwinden nach und nach. In den älteren Teilen des Nibelungenliedes, welche vor den Beginn der Epoche des Minnegesanges im 12. Jahrhundert zu reihen sind, sehen wir noch die Schilde mit Edelsteinen besetzt, ebenso auch den Riemen, welcher, um den Schild zu tragen, um den Hals geschlungen wurde (schiltvezzel). Ebenso ist wiederholt des „schiltgespenges“, des Beschlages der Schilde aus Bronze Erwähnung getan. Lebhaft tritt in der Dichtung die Sorge zu Tage, den Schild breit und dick zu gestalten, wie in der Aventiure VII, gelegentlich des Wettkampfes mit Brunhild, wo von dem Schild die Rede ist, den drei Kämmerer kaum zu tragen vermochten. Das ist die Periode, welche jener der Kreuzzüge vorausging. Ihr folgte die neue Ausrüstung mit Topfhelm und dem allmählich sich verkleinernden, dreieckigen Schild, der nun in der Regel nicht mehr mit Steinen besetzt, sondern mit den gewählten Emblemen und Farben bemalt wird.

 

Ein bezeichnendes Moment bildet die Wahrnehmung, dass die Bewaffnung des Fußvolkes bis ins 13., ja selbst bis ins 14. Jahrhundert sich von jener der Reiterei nur ganz unwesentlich unterscheidet.

Fig. 185. Fußknecht im Topfhelm mit Spieß und Dreieckschild in der Schlachtstellung. Die Formen nach der Statue in der Kathedrale zu Reims. Französisch, um 1240. Nach Viollet-le-Duc. Fig. 186. Fußknecht, einen Wall ersteigend. Aus einer Miniatur im Codex

Fig. 185. Fußknecht im Topfhelm mit Spieß und Dreieckschild in der Schlachtstellung. Die Formen nach der Statue in der Kathedrale zu Reims. Französisch, um 1240. Nach Viollet-le-Duc.

 Fig. 186. Fußknecht, einen Wall ersteigend. Aus einer Miniatur im Codex Balduini Trevirensis von ca. 1340.

 

Die Ursache davon ist darin gelegen, dass dem Fußvolk überhaupt eine geringe Bedeutung im Kampf beigemessen wurde und man darum die Nötigung nicht empfand, über die Bedürfnisse desselben nachzudenken. So führte der Fußknecht genau denselben Schild wie der Reiter, obwohl derselbe in seiner Form nur auf die Deckung zu Pferde berechnet war. In der Stellung zu Fuß deckte der dreieckige Schild den Mann nur sehr unzureichend. Erst als der Reiterschild zum petit écu zusammenschrumpfte und damit für den Fußstreiter vollkommen unbrauchbar wurde, wird eine Verschiedenheit in der Bewaffnung insofern wahrnehmbar, als der letztere den alten, längeren Dreieckschild, welchen der Reiter abgelegt hatte, fernerhin beibehielt. (Fig. 185, 186.)

 

Um 1300 hatte die Harnischerzeugung wieder einen erheblichen Fortschritt gemacht, dadurch verlor der Reiterschild abermals an Bedeutung. Er wird nun zu einer kleinen, dreieckigen Tartsche (petit écu) mit geradlinigen Rändern, die wenig mehr als die halbe Brust und die linke Schulter deckt. Der Name Tartsche, welcher um die genannte Zeit zum ersten Mal auftritt, leitet sich von dem arabischen dárake ab, wovon das italienische targa stammt, womit ursprünglich der kleine Rundschild bezeichnet wurde. (Fig. 187.)

Fig. 187. Reiterschild aus dem Frauenkloster Seedorf im Kanton Uri, wahrscheinlich von einem Angehörigen der Familie von Briens. Erste Hälfte des 13. Jahrhunderts.

 Fig. 187. Reiterschild aus dem Frauenkloster Seedorf im Kanton Uri, wahrscheinlich von einem Angehörigen der Familie von Briens. Erste Hälfte des 13. Jahrhunderts.

 

Vom Ende des 13. Jahrhunderts, von etwa 1274 bis 1348 an begegnen wir in der kriegerischen Ausrüstung französischer und burgundischer Heere den Achselschilden, ailettes, meist quadratförmigen Platten, welche, schief aufgestellt, vom Helm bis ans Schulterende reichend, den Hals und die Schulter des Streiters deckten. Um ihr Auftreten begreiflich zu finden, muss man in Erwägung ziehen, dass die Kapuze, Halsbrünne, camail, im 13. Jahrhundert noch dicht an den Hals schloss und jeder Schwerthieb auf die Halsarterien ungeachtet des Panzerzeuges den augenblicklichen Tod herbeiführen konnte. Erst als die Kapuze des Hauberts derart gestaltet wurde, dass die unteren Teile gerade herabfielen, schwächte sich jeder Hieb an dem nachgiebigen Panzerzeug.

 

Die Achselschilde, deren Verwendung um 1348 endet, waren gleich der Tartsche mit dem Wappen der Eigner bemalt. Sie bildeten im französischen Adel gleich jenen ein Abzeichen des ritterlichen Standes. Ihre Befestigung am Haubert war nach den vorhandenen gleichzeitigen Abbildungen sehr einfach. An den Innenseiten befanden sich Lederschleifen, durch welche ein Riemen lief, welcher um den Hals geschnallt wurde. Auf dem Marsch wurde der Halsriemen gelockert, sodass die Achselschilde an beiden Seiten der Brust nach vorn oder rückwärts herabhingen. (Fig. 188.) Ein Beispiel finden wir in dem Siegel Louis’ I. von Bourbon von ca. 1300.

Fig. 188. Reiter mit übereck gestelltem Achselschilde aus einer Miniatur in einer Sammlung von Romanen in der königl. Bibliothek zu London. Mscr. 14. E. 3. Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Nach Hewitt.

 Fig. 188. Reiter mit übereck gestelltem Achselschilde aus einer Miniatur in einer Sammlung von Romanen in der königl. Bibliothek zu London. Mscr. 14. E. 3. Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Nach Hewitt.

 

Gegen Ende des 14. und im 15. Jahrhundert erleidet die Form der Tartschen Veränderungen, die nicht mehr eine waffentechnische, sondern lediglich stilistische Bedeutung haben. Sie wird nun unterhalb halbrund gebildet, zuweilen, wie in England und Nordfrankreich, viereckig, nahezu quadratförmig.

 

Im 16. Jahrhundert ist der Plattenharnisch zur Vollendung gediehen und der Reiterschild, durch fünf Jahrhunderte eine der wichtigsten Schutzwaffen, hatte nicht mehr ein Recht auf das Dasein.

 

Mit der Erstarkung des feudalen Wesens kam das Fußvolk immer mehr in Missachtung, so wurde eben auf die Bewaffnung der Fußknechte wenig oder gar kein Wert gelegt und man findet auch in der Tat dort, wo uns eine Kunde über eine Verwendung von Fußvolk wird, die mannigfachsten und sonderbarsten Schildformen, während ersichtlich auf die Ausbildung der Formen der Reiterschilde ein sorgsames Augenmerk gelenkt ist.

 

Durch die herben Erfahrungen in den Schweizerkriegen des 14. Jahrhunderts, die auch auf die feudalen Parteien außerhalb des deutschen Reiches mächtigen Eindruck machten, wurden die Ritterschaften über den hohen Wert des Fußvolkes belehrt und von dieser Zeit an wird allmählich der entsprechenden Ausrüstung des Fußknechtes mehr Sorgfalt zugewendet.

Fig. 188. Reiter mit übereck gestelltem Achselschilde aus einer Miniatur in einer Sammlung von Romanen in der königl. Bibliothek zu London. Mscr. 14. E. 3. Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Nach Hewitt.

Fig. 188. Reiter mit übereck gestelltem Achselschilde aus einer Miniatur in einer Sammlung von Romanen in der königl. Bibliothek zu London. Mscr. 14. E. 3. Erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. Nach Hewitt.

 

So wird es im 14. Jahrhundert deutlich merkbar, dass das Streben dahin ging, die defensive Kraft des Fußvolkes möglichst auszunutzen und dieses dafür auszurüsten. Dieses Streben führte wieder auf die alte Verteidigungsmanier des Fußvolkes, die schon die Römer mit großem Erfolg übten und die selbst im frühen Mittelalter in Deutschland noch häufig zur Anwendung gelangte. Sie bestand in der Bildung von festen Wänden, aus dicht aneinandergereihten Schilden, hinter welchen die Streiter geschützt ihre Fernwaffen gebrauchen konnten.

Fig. 189. Setzschild aus dem Heer des römischen Königs, Maximilians I., aus Holz mit Temperamalerei mit heraldischen Emblemen: der deutsche Königsadler, der Bindenschild und Tirol. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. Zeug Tirol.

 

Fig. 189. Setzschild aus dem Heer des römischen Königs, Maximilians I., aus Holz mit Temperamalerei mit heraldischen Emblemen: der deutsche Königsadler, der Bindenschild und Tirol. Aus den Zeugbüchern Maximilians I. Zeug Tirol.

 

Dazu musste der Schild so groß sein, dass er, auf den Boden gestellt, einen Mann zu decken imstande war, so fest, dass ein Bolzen darin stecken blieb, so leicht, dass er ohne Beschwer getragen werden konnte. Damit entstand der Setzschild, die große Pavese. Er ist aus Holz und mit Haut überzogen, darüber kam ein dünner Kreidegrund, auf welchen Embleme in Tempera gemalt wurden, zu welchen teils religiöse, teils heraldische Motive mit Inschriften gewählt wurden. Letztere enthalten meist religiöse Anrufungen, in späterer Zeit auch kabbalistische Sprüche, Waffensegen etc., die man auch auf Schwertklingen findet1. Die Form dieser Setzschilde ist im Allgemeinen die eines Parallelogramms, oberhalb mit bogenförmigem Abschluss mit leichter, konvexer Wölbung. Die Mitte entlang zieht eine auch innen hohl gebildete Ausbauchung, die am Oberrand in einen vorstehenden stumpfen Schnabel oder einer Vorkragung endet. (Fig. 189.) Innerhalb ist das Tragband aus Leder angenietet, unterhalb welchem sich die Handhabe befindet. In einigen deutschen Heerteilen bediente man sich am Anfang des 15. Jahrhunderts statt der Setzschilde der allerdings besser schützenden, aber schwer transportierbaren Sturmwände, wie sich eine solche noch im Museum zu Sigmaringen erhalten hat. Nicht selten haben Setzschilde oberhalb Visierspalten oder Gucklöcher, viele sind unterhalb mit eisernen Spitzen versehen. (Fig. 190.)

 

Wir begegnen häufig der Ansicht, dass die Pavese böhmischen Ursprunges sei; diese Annahme ist sehr alt, denn schon in den Zeugbüchern Maximilians von 1519 lesen wir:

 

„Nicht allein auf die teutschen art Ist dises paradeis bewart, Sonnder nach beheimischem syt Tregt man uns gros pavesen mit.“

 

1Unter den gothischen Randinschriften auf Setzschilden und Pavesen findet man häufig die Anrufungen: „Hilf, Maria!“, „Hilf, heiliger Ritter St. Jörg!“, „Hilf, du ewiges Wort dem Leibe hier, den Seelen dort!“, aber auch das kabbalistische Wort „agla“, das sind die Anfangsbuchstaben des Spruches: „Atha Gibbon Leolam, Adonai“, d. h. „du bist stark, Herr in Ewigkeit“; oder dafür auch die Zusammenfassung: „Thetragramathon“, d. h. das durch vier Zeichen (Worte) Ausgedrückte. Endlich finden sich auch häufig die Namen der heiligen drei Könige.