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Der Soldat in der deutschen Vergangenheit Teil 20

Landsknechtoberst
Oberst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Kupferstich von Vergil Colis (1514 - 1562). Dresden, Kupferstichkabinett.

 

Auch für die Fechtweise der Reiterei wurde die Feuerwaffe maßgebend, seit die Erfindung des Radschlosses die Lunte überflüssig machte und das feuern mit einer Hand ermöglichte. In den Hugenottenkriegen zuerst taten sich die bald typisch so benannten deutschen Reiter hervor. Leicht gerüstet, mit Pistolen, Fäustlinge genannt, bewaffnet gingen sie geschwaderweise vor, um nach Abgabe einer Salve abzuschwenken und den folgenden Platz zu machen. Ihre Erfolge selbst schwer Gerüsteten gegenüber machten bald den Namen der reitres ebenso gefürchtet wie einst den der lansquenets. Von echtem Reitergeist beseelt war freilich diese neue Taktik bei der gebotenen Langsamkeit des Avancierens nicht; ihn hat erst Gustav Adolf wiederbelebt. Die neue Waffe und die Gewöhnung an ein Manövrieren in Massen dienten aber dazu, der Reiterei den feudalen Charakter zu nehmen und auch sie dem modernen begriff des Soldaten näher zu führen

 

Exercitum. Holzschnitt aus "Soldatenbuch". Frankfurt a. M. 1610.
"Zum 25. Wie einer / wasnn er Reuter gewertig oder ansichtig ist / den Spies wieder den rechten Fuß stellen / und zugleich mit seiner Wehr ausserhalb den kincken Arm von Leder ziehen muß / wie diese Figur aufweiset."
Exercitum. Holzschnitt aus "Soldatenbuch". Frankfurt a. M. 1610.
"Zum 14. Wie er die Lonten widerumb zwischen die Finger fügen soll / von dannen er sie auffrichten / herauß genommen / und gleich immerdar sein Rohr vornen in die höhe halten."

 

Viel langsamer gelang dies mit der dritten Waffe, der Artillerie. Anstelle der regen Forderung, die sie anfangs in Deutschland erfuhren hatte, war ein Zunftgeist getreten, der in bequemer Tradition die Kenntnisse der Vergangenheit fortschleppte. Neben dem geringen Zusammenwirken mit anderen Waffen beschränkte den soldatischen Charakter der Waffe das Geheimnis, in das die Kundigen ihr Wissen zu hüllen liebten. Bis ins 18. Jahrhundert war die Büchsenmeisterei untrennbar verbunden mit der Feuerwerkerei und chemische Kenntnisse rückten leicht den ihrer Mächtigen in die verdächtige Beleuchtung des Schwarzkünstlers. Für die Geschützkundigen war solche Vorstellung eher von Wert, da sie das Ansehen erhöhte. Denn noch während des 16. Jahrhunderts gab es kein festes Artilleriepersonal, sondern nur eine nicht sonderlich große Zahl von Büchsenmeistern, die umherziehend ihre Dienste teuer verkauften und erst im Kriegsfalle Geschütze und untergeordnete Hilfskräfte zugewiesen erhielten. Der Besitz wertvoller Kenntnisse durch einen kleinen Kreis Eingeweihter erhöhte das Zunftmäßige des Berufs; nur von einem Meister durfte die Kunst erlernt und nur nach einer vor solchen abgelegten Prüfung geübt werden. Darum ist es begreiflich, dass bei der Stadtverteidigung noch die Bedienung der Geschütze den Bürgern überlassen wurde, als deren kriegerische Tätigkeit längst lahmgelegt war. Es wurden dazu aus ihrer Mitte Korps von Konstablern gebildet, die sich freilich in Erfurt Kuhstabel mussten schelten lassen.

 

Feldgeschütz Türkenkriege
Feldschlange, die Nürnberg zum Kriegszug gegen die Türken stellte. 1518. Kupferstich von A. Dürer. München, Kupferstichkabinett.

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Quelle Bild und Text: "Der Soldat in der deutschen Vergangenheit" miteinhunertdreiundachtzig Abbildungen und Beilagen nach den Originalen aus dem 15. - 18. Jahrhundert, von Georg Liebe; Leipzig, 1899.