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Der Soldat in der deutschen Vergangenheit Teil 24

Truppen von Soldaten des 16. Jahrhunderts in Deutschland.
Auszug zum Stückschießen in Nürnberg 1592. Gleichzeitiger Holzschnitt. Nürnberg, Germanisches Museum.

Die schwereren sittlichen Mängel der Zeit, die als nicht geringstes Unheil eine wachsende kriegerische Untüchtigkeit zeigten, sind dem Einsichtsvollen nicht verborgen geblieben, wenn es auch mehr die ins Auge fallenden Laster, vor allem die Völlerei, sind, die die angstvolle Vorstellung eines bevorstehenden Strafgerichts wach rufen. So schrieb 1586 ein Lübecker Bürger bekümmert: „Man sehe herum in Deutschland, wie die Herren hohen und niederen Standes haushalten; wenn sie zusammen kommen, so ist man auf Schlemmen, Fressen und Saufen gerichtet. O Dudeslant, Dudeslant, ik fürchte, dat Dudeslant eine grote strafe avergan wart!“ Die Erkenntnis der Schäden des Söldnerwesens hatte wieder und wieder den Wunsch nach einer anderen Art der Heeresaufbringung auftauchen lassen und es lag am nächsten, auf die Fälle ungenutzter kriegerischer Kräfte im Volk zurückzugreifen. Eine fortdauernde Waffenübung bestand nur noch in den Städten durch die Schützengilden, die im 16. Jahrhundert ihre glänzendste Ausgestaltung empfingen, nachdem anstelle des „Stahls“, der Armbrust, fasst ausschließlich die Muskete getreten war. Kamen sie doch urdeutschen Neigungen entgegen, der Waffenfreude, der Luft sich feierlich und glänzend darzustellen, nicht zuletzt dem Humor! Nicht selten wird mit ihnen eine Musterung der Bürger, auch wohl Übungen im Scharmuzieren verbunden. Aber die Interessen des Bürgers galten nur der heimlichen Stadt; was kümmerte ihn der Staat, dem er oft genug misstrauisch gegenüberstand. Wohl hatten die Fürsten niemals auf die Verpflichtung der Untertanen zu bewaffneter Hilfeleistung verzichtet, aber sie bestand nur zur Verteidigung des eigenen Landes, nicht zu auswärtigen Feldzügen. Dazu wurde mit den Fortschritten der Waffentechnik die Verwendung ungeübter Mannschaft immer misslicher, auch scheute man die Bewaffnung der Massen, nachdem man erlebt hatte, welches Unheil die vielfach von gewissenlosen Aufwieglern verhetzten Bauern in ihrem Aufstand anrichteten. Aber die Unerschwinglichkeit und Zügellosigkeit der Landsknechte zwang gebieterisch, einen Ausweg zu suchen.

Marodierender Landsknecht im 30-jährigem Krieg.
Marodeur mit Weib im Anfang des 17. Jahrhunderts. Kupferstich von Buytewech (1590 - ca. 1630)- München, Kupferstichkabinett.

 

Man bemühte sich, den bisher von Fall zu Fall erfolgten Aufgeboten der Lehnsdienste und Landfolgen schon im Frieden ein mehr militärisches Gepräge zu geben und schuf so das sogenannte Defensionswesen, das bis zum entscheidenden Sieg der stehenden Heere bestanden hat. Wie auf taktischen Gebiet gingen auch hier die nassauischen Fürsten voran. Graf Johann, ein Vetter des großen Oraniers, ist schon in seiner Jugend, die noch in das 16. Jahrhundert fällt, und dann sein Leben lang ein eifriger Verfechter der Volksbewaffnung gewesen, die er mit Rücksicht auf die spanische Gefahr von seinem Vater eingeführt sah. Dieses Vorbild bestimmte Landgraf Moritz von Hessen 1600 die gleichen Einrichtungen zu treffen. Wie der Anfang dieser Tätigkeit, so gehört auch ihrer Fortsetzung vorzugsweise den protestantischen Ständen, die hier eine Deckung gegen das heraufziehende Unwetter zu finden hofften.

 

Landsknechtslager im 16. Jhd. Deutsches Reich.
Verschanztes Lage mit Rondellen 1564. Kupferstich von Jost Amman (1539 - 91). Berlin, Kupferstichkabinett.

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Quelle Bild und Text: "Der Soldat in der deutschen Vergangenheit" miteinhunertdreiundachtzig Abbildungen und Beilagen nach den Originalen aus dem 15. - 18. Jahrhundert, von Georg Liebe; Leipzig, 1899.