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Das Spetum, der Hakenspieß, die Kriegsgabel und die Sturmsense

Unter den besonderen Formen der Stangenwaffen ist zunächst des Spetums zu erwähnen. Das Spetum, auch Friaulerspieß genannt, wodurch seine Herkunft genügend bezeichnet ist, besteht aus einer langen Spießklinge, an deren unterem Ende nächst der Dille Ohren angebracht sind, welche mehr oder weniger einen seitab und rückwärts gebogenen Haken bilden. Die ältesten Spetums stammen aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, sie verschwinden am Beginn des 16. Jahrhunderts. Ihr Name leitet sich, wie bereits bemerkt, von dem lateinischen Worte spendum, Spieß, her. (Fig. 410, 411, 412.)

 

Eine schon am Beginn des 14. Jahrhunderts unter den italienischen Kriegsbanden erscheinende Stangenwaffe ist der Hakenspieß. An sich ist er eigentlich nichts anderes, als ein Spetum mit einseitigem Ohr. Der Haken ist dazu bestimmt, den Feind zu erfassen und an sich zu ziehen. Hakenspieße finden sich noch häufig im 15. Jahrhundert bei den Italienern und Schweizern, weniger bei den Franzosen und Deutschen.

 

Einen Kriegsmann, mit dem Hakenspieß bewaffnet (Hakenspießer), sehen wir auf Fig. 395 des Abschnittes Glefe.

 

In Italien, dem Land, in welchem wir vom 14. Jahrhundert die mannigfachsten Handwaffen antreffen, erscheint auch zuerst die eigentümlich geformte Kriegsgabel. Sie besteht gewöhnlich aus zwei, seltener drei gabelartig gestalteten, zugespitzten Zinken aus schwachem Stangeneisen, welche von einer Dille auslaufen. Diese Kriegsgabeln, welche für ihren Zweck, den Lentner zu durchbohren, doch zu schwach gestaltet waren, wurden gleichwohl bis ins 15. Jahrhundert häufig angetroffen, namentlich in Scharen, die für ihre Bewaffnung selbst zu sorgen hatten. Im 16. Jahrhundert kommen sie nur noch in Italien vor. (Fig. 413.)

 

In England tritt schon im 12. Jahrhundert eine Waffe auf, welche eigentlich in die Gattung der Sturmsensen gehört, in den verschiedenen Werken aber teils zu den Glefen gezählt, teils guisarme genannt wird1. Ihre Klinge besteht aus einer an einer Dille aufsitzenden Sense, an deren Rücken, von einem Ansatz auslaufend, ein langes, pfriemenartiges Spießeisen angebracht ist.

 

1Viollet-le-Duc in seinem sonst sehr anerkennenswerten Dictionnaire du Mobilier français, Bd. 5, pag. 492 benennt sie mit Anführung von alten Belegstellen guisarme. Diese Annahme ist, wie der verdienstvolle Autor selbst durchblicken lässt, irrig, da nirgends aus einem Bild konstatiert wird, dass diese Form in Frankreich vorgekommen ist, während ihr Gebrauch in England nachgewiesen ist. Im Gegenteil scheint die Guisarme des 12. Jahrhunderts eine Waffe gewesen zu sein, welche, zwischen Glefe und Couse stehend, eigentlich ein Messer darstellte, welches oben in eine pfriemenartige Spitze auslief (Glaive-guisarme).

Fig. 410. Spetum (Friaulerspieß) vom Ende des 15. Jahrhunderts. Fig. 411. Spetum vom Anfang des 16. Jahrhunderts. Fig. 412. Spetum vom Anfang des 16. Jahrhunderts. — Italienisch.

Fig. 410. Spetum (Friaulerspieß) vom Ende des 15. Jahrhunderts.

Fig. 411. Spetum vom Anfang des 16. Jahrhunderts.

Fig. 412. Spetum vom Anfang des 16. Jahrhunderts. — Italienisch.

 

Die in Fig. 414 dargestellte Waffe gehört jedoch bereits ins 14. Jahrhundert und hat auf dem Festland eine wenig ausgedehnte Verwendung gefunden.

 

Die Kriegs- oder Sturmsensen besitzen eine flache, gekrümmte, säbelähnliche Klinge, welche am konvexen Rand verstärkt oder gleich den Sensen am Rücken umgebogen, am konkaven Teil aber geschärft ist.

Fig. 413. Kriegsgabel mir doppeltem Beil (Bart). 16. Jahrhundert. Sammlung Poldi-Pezzoli in Mailand. Fig. 414. Sturmsense (guisarme genannt). 14. Jahrhundert. Sammlung W. H. Riggs.

Fig. 413. Kriegsgabel mir doppeltem Beil (Bart). 16. Jahrhundert. Sammlung Poldi-Pezzoli in Mailand.

Fig. 414. Sturmsense (guisarme genannt). 14. Jahrhundert. Sammlung W. H. Riggs.

 

Die Kriegssensen erscheinen in größeren Mengen als Kriegswaffen zuerst in den Bauernunruhen Tirols in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in geringerer Zahl dürften sie in den Burgunderkriegen von den Schweizern geführt worden sein. Die Kriegssense, ine Bauernwaffe, ist für den Stoß ganz ungeeignet und für den Hieb weniger wirksam, als man gemeiniglich annimmt. Dennoch hat diese Waffe, weil sie dem Begriffsvermögen des Bauern am nächsten lag, in allen Empörungskriegen eine allgemeine Anwendung gefunden, besonders in dem Bauernkrieg am Anfang des 16. Jahrhunderts, dem Aufstand der Tiroler 1703, 1805 und 1809, endlich in den polnischen Aufständen von 1830 und 1848.

Fig. 415. Sturmsensen in ihrer Zusammenstellung für den Angriff. 1683. K. u. k. Heeresmuseum in Wien.

Fig. 415. Sturmsensen in ihrer Zusammenstellung für den Angriff. 1683. K. u. k. Heeresmuseum in Wien.

 

Während der Belagerung Wiens durch die Türken 1683 verwendeten die Verteidiger eine eigene Art von Sturmsensen, die sich im Kampf in der Bresche gut bewährte. Eine solche Sense bestand aus einer 90 cm langen, flachen Spießklinge an einem kurzen Schaft. Knapp vor der Dille breiteten sich beiderseits konkav nach aufwärts gerichtete sensenähnliche Klingen aus, deren Spitzen 80 cm von der Spießklinge abstanden. Etwa in der Mitte dieser Sensenklingen waren viereckige Löcher angebracht, die bezweckten, die Klingen mit den beiden benachbarten Sturmsensen durch Bolzen verbinden zu können, sodass die ganze Reihe derselben gewissermaßen nur eine einzige Waffe darstellte. (Fig. 415.) Beim Gebrauch wurde die nötige Anzahl von Sturmsensen zusammengestellt und mittelst Federbolzen verbunden. So viele Soldaten, als Platz fanden, ergriffen die Schäfte und rückten mit dieser Maschine dem anstürmenden Feind entgegen1. Die Anwendung eines ähnlichen Systems war damals nicht neu. Schon Maximilian I. führte in seinen Zeughäusern sogenannte Streitkarren, welche mit Spießen, Sensen und selbst mit Hakenbüchsen bewehrt waren.

 

Im 18. Jahrhundert führte die Mannschaft der Kriegsflottille an der unteren Donau, die sogenannten Czaikisten, Sturmsensen auf ihren Schiffen, um das Entern zu verhindern.

 

1Diese häufig in Anwendung gebrachte Waffe wurde dem Feind zuletzt so furchtbar, dass er sich über diese „schlechte Kriegsmanier“ bitter beklagte.


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