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Die Turnierwaffen Teil 2

Fig. 616. Der Minnesänger Wilhelm von Scharfenberg kämpfend. Aus der Manessischen Bilderhandschrift. Um 1300. Nach Eye, Kunst und Leben der Vorzeit.

Fig. 616. Der Minnesänger Wilhelm von Scharfenberg kämpfend. Aus der Manessischen Bilderhandschrift. Um 1300. Nach Eye, Kunst und Leben der Vorzeit.

 

In der Abbildung eines Fußkampfes in der Manesseschen Handschrift in Zürich, die um das Jahr 1300 entstand, sehen wir zwei Kämpfer, die ihre Sache in Gegenwart von Damen austragen, die mit den Händen Beifall klatschen. Für uns ist hier nur Tracht und Bewaffnung bemerkenswert. Was die Tracht betrifft, so ist das lange Hemd (später über den Harnisch getragen) als Gewand des Kämpfers vom frühen Mittelalter an traditionell; es verliert sich erst gegen Mitte des 15. Jahrhunderts. Die Waffe beider Streitenden ist das stumpfe Schwert, wir finden hier auch ein altes Beispiel der Verwendung von sogenannten „Faustschilden“. (Fig. 616.)

 

Wesentliche Verschiedenheiten in Tracht und Ausrüstung gewahren wir in einem vom Anfang des 15. Jahrhunderts stammenden Bildkodex der Bibliothèque nationale zu Paris, betitelt: Cérémonies des gages de bataille1; hier tragen die beiden Kämpfer den vollständigen Plattenharnisch mit einem Helm von kugelförmiger Gestalt und breitem Visier; über den Harnisch das herkömmliche Waffenhemd mit dem Blason des Wappens der Träger. Das erinnert noch an die bei den Ordalien üblichen Gebräuche. Die Waffe aber, welche die Kämpfer führen, besteht in einem kurzen Ahlspieß mit zwei runden Scheiben am Griff und mit spitzer Klinge. (Fig. 617.)

 

1Lacroix, P., Vie militaire et religieuse au Moyen-âge. Paris 1873, p. 167.

 

Fig. 617. Ritter im Fußkampf mit Ahlspießen. Aus dem Bildcodex „Ceremonies des gages de bataille“ der Nationalbibliothek zu Paris vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Nach Lacroix, Vie militaire etc.

Fig. 617. Ritter im Fußkampf mit Ahlspießen. Aus dem Bildcodex „Ceremonies des gages de bataille“ der Nationalbibliothek zu Paris vom Anfang des 15. Jahrhunderts. Nach Lacroix, Vie militaire etc.

 

Gegen Mitte des 15. Jahrhunderts erfährt die Ausrüstung für den alten deutschen Fußkampf eine bedeutende Veränderung. Zunächst vervielfältigen sich die Waffen. Man kämpft, wie wir aus dem Freydal Maximilians I. ersehen, nicht nur mit Schwertern, sondern auch mit Kolben, Ahlspießen, Cousen, Spitzhämmern, gemeinen Spießen, Dolchen (Degen), Stangen, Dusäggen, Helmbarten, ja selbst mit Drischeln. Der Harnisch erhält eine für die Kampfart berechnete Form. Der Helm, mit breitem, aufschlächtigen Visier, ist übermäßig groß, kugelförmig gestaltet und wird an Brust und Rücken angeschraubt oder mit Riemen daran festgeschnallt. Es ist auch hier die Absicht erkennbar, zu verhindern, dass der Helm mit dem Kopf des Trägers in unmittelbare Verbindung kommt, um diesen vor den Erschütterungen durch Kolbenschläge möglichst zu bewahren. Die Brust ist einmal geschoben, an sie schließt sich unterhalb ein vielfach geschobener Schurz, sogenannter Kampfschurz, der nahezu bis an die Knie reicht. Die Achseln sind geschoben und reichen zum Schutz der Achselhöhlen bis zur Brustmitte. Das Armzeug ist das gewöhnliche der gleichzeitigen Harnische; ebenso sind die Handschuhe mit spitz geschnittenen Stulpen der Form der Hentzen jener Zeit entsprechend. Das Fußzeug zeigt gleichfalls keine besonderen Formen, doch reichen die Diechlinge weit über den Schenkel hinauf, die Kniebeugen sind meist mittelst Folgen geschlossen und die natürlich unbespornten Schuhe, welche für sich angezogen werden, erscheinen schon um 1480, kolbig, gleich den späteren Kuhmäulern oder Bären-Füßen. So erblicken wir den Kampfharnisch des burgundischen Ritters, Rates und Kämmerers Herzog Karls des Kühnen, Claude de Vaudrey, worin derselbe auf dem Turnier zu Worms 1495 von Kaiser Maximilian I. besiegt wurde. (Fig. 618.) Die Darstellung des Kampfes mit Fausthämmern ist im Freydal1 enthalten. Aus dieser ist ersichtlich, dass über den Harnisch noch ein Röckchen aus Stoff gezogen wurde. Um den unteren Teil des Schurzes kam häufig das alte Zeichen der Ritterwürde, der breite Waffengürtel, den wir schon an der ritterlichen Tracht des 14. Jahrhunderts finden. Eine Betrachtung der Form des Harnisches führt weiter zu der Überzeugung, dass dem Träger in den Armen eine nur beschränkte Bewegung gestattet war, offenbar um die Gefahr zu mäßigen, ohne den Effekt für das Auge viel zu beeinträchtigen.

 

Zu den Handwaffen des Fußkampfes zählte zunächst der Faustschild. Wir sehen einen solchen aus dem Ende des 15. Jahrhunderts in Fig. 619. Er hat einen Durchmesser von 32 cm, der Rand ist aufgeworfen. Etwas innerhalb des letzteren läuft ein eiserner Reif rings um den Schild, der freistehend nur an starken, stiftähnlichen Stielen auf dem Schildblatt aufsitzt. Es ist dies ein sogenannter Klingenfänger, seine Bestimmung war, falls es gelang, die Spitze des Ahlspießes oder der Schwertklinge in den Zwischenraum des Reifes zu bringen, diese durch eine Handbewegung einzuklemmen und festzuhalten. An derlei Faustschilden finden sich oft auch drei bis sechs und mehr konzentrisch angeordnete Reifen. Der Schildnabel ist hoch aufgetrieben und mit aufgelegten Verzierungen gotischen Stiles ausgestattet. Im Inneren findet sich ein starker Bügel (A.) zur freien Führung mit der linken Faust, am Oberrand ein langer Haken (B.), mit dem der Schild am Schwertgehänge getragen werden konnte. (Fig. 619.)

 

Neben dem Faustschild wurden auch in Kämpfen, bei denen nicht Stangenwaffen geführt wurden, schwere Holzschilde (Pavesen) und sogenannte Handtartschen gebraucht, welche gleichfalls aus Holz mit Leinwand überzogen und gleich den ersteren bemalt waren.

 

1Bildkodex in der Bibliothek der kunsthist. Sammlungen des kais. Hauses zu Wien. Quirin v. Leitner, Freydal. Des Kaisers Maximilians I. Turniere und Mummereien. Wien, 1880‒1882.

 

Fig. 618. Harnisch für den deutschen Fußkampf des burgundischen Kämmerers Claude de Vaudrey, in welchen gerüstet derselbe mit Kaiser Maximilian I. am Reichstag zu Worms 1495 sich maß. Um 1590. Nach Leitner, Freidal.

Fig. 618. Harnisch für den deutschen Fußkampf des burgundischen Kämmerers Claude de Vaudrey, in welchen gerüstet derselbe mit Kaiser Maximilian I. am Reichstag zu Worms 1495 sich maß. Um 1590. Nach Leitner, Freidal.

 

Im 16. Jahrhundert kam der deutsche Fußkampf allmählich außer Übung. Dafür kam das weit wirkungsvollere Fußturnier in Aufnahme und zu großer Beliebtheit, das mit den alten Buhurts einige Ähnlichkeit dadurch hat, dass auch hier in Gruppen turniert wurde; die Gruppen waren aber durch Schranken getrennt. Bei der schwärmerischen Verehrung jedoch, welche die alten Gebräuche in den Adelskreisen genossen, fanden Angehörige des hohen Adels es auch in jener Zeit ihrer Würde angemessen, wenigstens einen Kampfharnisch zu besitzen, um sich bei einer etwaigen Herausforderung zum Kampf stellen zu können. Etwa vom Jahr 1510 an begannen die Plattner die Harnische in ganzen Garnituren so einzurichten, dass einen und denselben Harnisch durch Veränderung mittelst Wechselstücken ebenso für das Feld, wie für das Turnier verwendet werden konnte, und um 1560 kam man so weit, dass ein und derselbe Harnisch auch für den Fußkampf zu verwenden war. Viele Kampfharnische, darunter jener des Albrecht Achilles, Markgrafen von Brandenburg, Karls V., Ferdinands I. und des Erzherzogs Ferdinand von Tirol sind noch vorhanden. Monarchen bedienten sich der imposanten Kampfharnische auch bei Gelegenheit von Festlichkeiten, wie denn auch Maximilian I. wiederholt in solchen Harnisch gekleidet in H. Burgmayrs Holzschnitten erscheint. In diesem Fall benutzte man sie selbst zu Pferde, zu welchem Zweck der Kampfschurtz vorn und rückwärts bogenförmig ausgeschnitten wurde.

 

Fig. 619. Faustschild aus Eisen mit einfachem Klingenfänger. Italienisch. 15. Jahrhundert. A. Obere Ansicht. B. Durchschnitt nach der Mitte.

Fig. 619. Faustschild aus Eisen mit einfachem Klingenfänger. Italienisch. 15. Jahrhundert. A. Obere Ansicht. B. Durchschnitt nach der Mitte.

 

Die Form dieser spätesten Kampfharnische ist, abgesehen von ihren besonderen Eigentümlichkeiten, des Kampfschurzes, der geschobenen breiten Achseln, des fehlenden Rüsthakens, ganz den gewöhnlichen gleichzeitigen Harnischen nachgebildet. Häufig finden wir den burgundischen Helm, „der im kragen umbget“, nicht selten auch den an die Brust geschraubten Helm (Fig. 620), aber in einer dem Kopf des Trägers angepassten Größe. Sowohl die Armbeugen als die Kniekehlen sind mit Folgen geschlossen. Verstärkungsstücke kommen gewöhnlich nur an den Achseln vor. (Fig. 621.)

 

Wie erwähnt, war die Ausrüstung für das Gestech ursprünglich dieselbe wie im Krieg. Erst im 14. Jahrhundert bemerkt man einige Vorkehrungen, namentlich an den Helmen und Schilden (Tartschen), die auf den besonderen Zweck des Turniers deuten. Eine solche besondere Ausstattung sehen wir in dem sogenannten Pranckher Helm aus der Mitte des 14. Jahrhunderts (Fig. 622), der an der linken Seite der Helmwand durch Filz und eine darüber genietete Eisenplatte verstärkt ist.

 

Fig. 620. Geschlossener Helm zu einem Harnisch für den deutschen Fußkampf, blank mit geätzten und vergoldeten Strichen und Emblemen. Deutsche, vielleicht Augsburger Arbeit um 1560. Armeria Reale zu Turin.

Fig. 620. Geschlossener Helm zu einem Harnisch für den deutschen Fußkampf, blank mit geätzten und vergoldeten Strichen und Emblemen. Deutsche, vielleicht Augsburger Arbeit um 1560. Armeria Reale zu Turin.

 

Vom Beginn des 15. Jahrhunderts an erfuhr der Harnisch für das Gestech eine vollständige Umänderung. Die Sorge für die Sicherheit des Stechers (stickers), das Streben nach äußerlicher Wirkung und Erhöhung des Effektes waren die nächsten Anlässe dazu, sich zum Gestech nicht mehr der Kriegsharnische, sondern besonderer schwerer Harnische zu bedienen, die man unter der allgemeinen Bezeichnung Stechzeuge begreift. Diese Umwandlung erfolgte jedoch nicht bei allen Nationen zu gleicher Zeit und in gleicher Weise, wenn auch die Formen im Allgemeinen Ähnlichkeiten aufweisen. In der Hauptsache werden zwei charakteristische Typen unterschieden: das deutsche und italienische Stechzeug. Der weniger bedeutenden Varianten werden wir später gedenken.

 

Fig. 621. Harnisch für den deutschen Fußkampf späterer Form mit burgundischem Helm, geschlossenem Arm- und Beinzeug. Aus der Harnischgarnitur des Erzherzogs Ferdinand von Tirol von 1547 (siehe Fig. 169).

Fig. 621. Harnisch für den deutschen Fußkampf späterer Form mit burgundischem Helm, geschlossenem Arm- und Beinzeug. Aus der Harnischgarnitur des Erzherzogs Ferdinand von Tirol von 1547 (siehe Fig. 169).

 

Fig. 622. Topfhelm eines Angehörigen der steirischen Familie Pranckh, aus Eisen mit linksseitiger Verstärkung der Helmwand für das Gestech. Deutsch. Mitte 14. Jahrhundert. Das Zimier, aus Leder und vergoldet, ist etwas jünger und stammt aus dem Anfang des

Fig. 622. Topfhelm eines Angehörigen der steirischen Familie Pranckh, aus Eisen mit linksseitiger Verstärkung der Helmwand für das Gestech. Deutsch. Mitte 14. Jahrhundert. Das Zimier, aus Leder und vergoldet, ist etwas jünger und stammt aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts.

 

Fig. 623. Deutsches Stechzeug mit aufgebundener Stechtartsche des Kaisers Maximilian I. Blank, gekehlt mit gotisch durchbrochenen Rändern. Der gotisch durchbrochen gearbeitete Luftgeber an der rechten Helmwand ist von italienischer Form. Deutsch. Um 1490.

Fig. 623. Deutsches Stechzeug mit aufgebundener Stechtartsche des Kaisers Maximilian I. Blank, gekehlt mit gotisch durchbrochenen Rändern. Der gotisch durchbrochen gearbeitete Luftgeber an der rechten Helmwand ist von italienischer Form. Deutsch. Um 1490. Vorderseite.

 

Das sogenannte deutsche Stechzeug (Fig. 623 und 624) besteht aus folgenden Teilen: Der Stechhelm hat annähernd die Form der alten Kübelhelme, mit hohen Wänden und ziemlich flachem Scheitelstück, an der vorderen Seite strebt die Helmwand vor und bildet den Rand des Sehspaltes. Sowohl am Scheitelstück, als auch am Oberrand der Wände finden sich, paarweise angeordnet, mit Messing gefütterte Löcher; jene dienen zur Befestigung der Helmzier, diese zum Anziehen der Lederriemchen der Harnischkappe. Die kurze, einmal geschobene Brust ist nur vorn und an der linken Seite bauchig gestaltet, an der rechten Seite bildet sie der Stangenführung halber eine flache Wand. Der Rücken hat meist die gewöhnliche Form. Der Helm wird an die Brust entweder mit drei Schrauben oder mit Kloben befestigt; am Rücken erfolgt die Verbindung durch eine vertikal stehende Schraube, die Helmzagelschraube. An der rechtsseitigen Brustwand ist eine schwere Eisenschiene angeschraubt, deren vorderes Ende an den Rüsthaken stößt; ihr rückwärtiges Ende ist nach abwärts gekrümmt und bildet dort den Rasthaken als Widerlager für die Stechstange. An der rechten Brustseite finden sich zwei Löcher, zuweilen auch ein starker Ring, durch den die Hanfstricke gezogen werden, mit denen die Stechtartsche an die Brust gebunden wird. Ein birnförmiges Holzstück, durch das die Stricke gezogen wurden, bildet für die Tartsche die Unterlage. An die Brust schließt sich ein Geschiebe, Magenblech genannt, mit diesem stehen die Bauchreifen in Verbindung, deren Fortsetzung die geschobenen oder auch steifen Beintaschen bilden. An den Rücken, dessen Armlöcher weit ausgeschnitten sind, schließt sich ein Fortsatz aus Eisenblech, das Schwänzel genannt, auf dem beim Gestech der Rückteil des Stechzeuges am Sattel aufruht. Die Achseln haften an den eisernen Bändern der Brust in Federbolzen, sie besitzen zumeist vorne nur sehr kleine oder gar keine, rückwärts aber sehr große Flüge. Die Achselhöhlen werden durch manchmal übermäßig große Schwebescheiben gedeckt, welche an Lederriemen hängen. An dem rechten Unterarmzeug findet sich zum Schutz der Armbeuge zuweilen eine breite Stauche, ebenso auch am steifen Unterarmzeug der Zügelhand, die in einer Hentze endet. Auf der rechten Achsel erblickt man öfter einen stielartigen Ansatz; er dient als Haltpunkt, wenn die Stange beim Eintritt zum Gestech auf der Schulter getragen wird.

 

Noch sei bemerkt, dass zu dem Stechzeug in der Regel steife, faltige Schößchen aus Stoff getragen wurden, welche oft mit künstlichen Stickereien geziert waren.

 

Das Stechzeug ist umso älter, je steiler seine Helmwände laufen, und umso jünger, je mehr sie sich enger an den Hals ziehen.

 

Zur Stechzeugausrüstung gehören die Stechtartsche, und die Stechstange.


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Quelle: Wendelin Boeheims "Handbuch der Waffenkunde"

 


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