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Die Turnierwaffen Teil 3

Die Stechtartsche, oberhalb rechteckig, unterhalb abgerundet und etwas nach vorwärts geschweift, breit ca. 40 cm, hoch ca. 35 cm, ist aus hartem Holz mit einem Belag von viereckigen, mosaikartig aneinander gereihten und mit Bolzen angehefteten Plättchen aus Hirschhorn, seltener aus Bein gefertigt. Diese Plättchen sollten das Brechen der Tartsche beim Stoß verhindern. Über das Ganze kommt ein Überzug aus geschwärztem Kalbsleder. In der Mitte befinden sich zwei Löcher, durch die die Hanfstricke gezogen werden, mit denen die Tartsche an die Brust gebunden ist. Beim Gestech ist die Tartsche mit einem Stoff überdeckt, der in der Regel mit denselben Farben und dem gleichen Muster wie die Decke des Pferdes geziert ist. (Fig. 625.)

 

Die Stechstange, von weichem Holz in einer durchschnittlichen Länge von 370 cm und einer Stärke von ca. 9 cm, trägt an der Spitze den Krönig oder das Krönlein. Dieser besteht aus einer kurzen Hülse, aus der drei bis vier Spitzen hervorragen. (Fig. 626.) Nach unten ist die Stange schwächer zugeschnitten und mit einem eisernen Ring (b) versehen, an den die von rückwärts eingeschobene Brechscheibe (c) mit Schrauben befestigt wurde. (Fig. 627.)

 

Fig. 625. Leichte Stechtartsche. Der Lederüberzug ist entfernt gedacht. Ende 15. Jahrhundert. Fig. 626. Schwerer Krönig für das deutsche Gestech. Ende 15. Jahrhundert.

Fig. 625. Leichte Stechtartsche. Der Lederüberzug ist entfernt gedacht. Ende 15. Jahrhundert.

Fig. 626. Schwerer Krönig für das deutsche Gestech. Ende 15. Jahrhundert.

 

Außer den genannten Stücken sind noch zur Ausrüstung zu zählen: die Harnischkappe, aus doppeltem mit Werg gefütterten und abgesteppten Zwilch, der an den Rändern noch durch Riemen verstärkt wird. Die Lederriemchen wurden durch die Löcher des Helmes gezogen und an diesem außen angebunden. (Fig. 628.) Außerdem bringen wir noch die Form eines alten Schraubenschlüssels (Fig. 629), eines zum Anlegen des Zeuges notwendigen Werkzeuges. Endlich, um alles zu erschöpfen, erwähnen wir noch der Sporen. Diese haben für das Gestech, wie für das Rennen im „Zeug“ einerlei Form; sie sind aus Eisen gefertigt und zuweilen an den Außenseiten mit Messing überzogen (vermessingt). Die bis 20 cm langen Hälse, mit den nicht sehr breiten Stegen in gleicher Richtung laufend, sind für diese Waffe charakteristisch. Diese Form gestattete die Anwendung (Hilfe) ohne viele Bewegung des Unterschenkels, durch die das Gleichgewicht des Reiters im Sattel hätte gestört werden können.

 

Das italienische Stechzeug, das für das sogenannte „Welsche Gestech“ berechnete, dessen Gestaltung wir noch zu schildern haben, weist einige bemerkenswerte Veränderungen auf. Zunächst ist der Stechhelm vorne und rückwärts an Naben befestigt. Der Oberrand der Helmwände ist zuweilen durch eine umlaufende Eisenspange verstärkt. An der rechten Helmwand findet sich eine breite, vierseitige, mit einem Türchen zu schließende Öffnung. Es ist das Helmfenster, das dazu dient, dem Stecher frische Luft zuzuführen.

 

Fig. 627. Stechstange mit Krönig und Brechscheibe. 15. Jahrhundert.

Fig. 627. Stechstange mit Krönig und Brechscheibe. 15. Jahrhundert.

 

Fig. 628. Harnischkappe als Unterlage für den Stechhelm. 15. Jahrhundert.

Fig. 628. Harnischkappe als Unterlage für den Stechhelm. 15. Jahrhundert.

 

Fig. 629. Schraubenschlüssel für Stech- und Rennzeuge. 15. Jahrhundert.

Fig. 629. Schraubenschlüssel für Stech- und Rennzeuge. 15. Jahrhundert.

 

Die Brust zeigt keine Abflachung an der rechten Seite, sondern ist eine volle Kugelbrust. In der Regel ist sie mit feinem Damast überzogen, der mit heraldischen Emblemen in Stickerei geziert ist. An der rechten Seite findet sich ein schwerer Ring zum Anschnüren der in diesem Fall viereckigen Tartsche. An der rechten Seite der Brust am Unterrand findet sich ein täschchenartiger Ansatz aus Leder, der mit Stoff überzogen ist. Er dient zum Aufsetzen der Stechstange beim Einritt, welch letztere weit leichter ist, als jene beim deutschen Gestech. Die Brust hat an der rechten Seite einen schweren Rüsthaken, der an Kloben befestigt ist, aber keinen Rasthaken. Der Rücken, gleichfalls mit Stoff überzogen, ist wie bei dem deutschen Stechzeug in den Armlöchern stark ausgeschnitten. Die geschobenen Achseln haben keine Vorder- und Hinterflüge, sondern erscheinen als Spangröls. Das rechte Armzeug ist ähnlich dem deutschen, das linke ist nicht steif, sondern beweglich. Als Beispiel geben wir das Welsche Stechzeug aus der Armeria Real zu Madrid, das irrig Karl V. zugeschrieben wird. (Fig. 630.)

 

Das französische Stechzeug jener Periode ist dem italienischen ähnlich, nur ist der Helm sehr niedrig. Seine Befestigung wird vorn mittels Kloben, rückwärts durch Riemen bewirkt, die über einige im Nacken angebrachte Stifte geschlungen werden.

 

Das englische Stechzeug hat in Bezug auf Helm- und Brustformen große Ähnlichkeit mit den älteren Feld- und Turnierharnischen des 14. Jahrhunderts, wie denn überhaupt in England die Umbildung der Waffenformen sich weit langsamer vollzieht als anderswo.

 

Um den Beginn des 15. Jahrhunderts kam in Deutschland eine neue Turniergattung in Aufnahme, die bald mehr beliebt wurde, als das Gestech: das Rennen1.

 

Schon aus dem oberflächlichen Vergleich des Stech- mit dem Rennzeug ist zu ersehen, dass, wie jenes sich aus den alten Harnischen mit den Kübelhelmen entwickelt, dieses seine Formen von den gleichzeitigen Schallernharnischen des 15. Jahrhunderts entlehnt, ja geradezu als eine Verstärkung des Schallernharnisches erscheint.

 

Die Kopfbedeckung des Rennzeuges (Fig. 631 und 632) bildet der Rennhut, dessen Formen ganz der Schallern entsprechen, mit Sehspalt, jedoch ohne Visier. Die Stirnseite wird durch zwei Platten (Stirnplatten) verstärkt, welche mit Federlappen an das Stirnstück befestigt werden. Auch hier finden sich mit Messing gefütterte Löcher zur Befestigung des einfacheren Helmschmuckes, der beim Rennhut leichter und weniger auffällig erscheint und meist nur aus Federn bestand. Die Brust ist im Allgemeinen wie die Stechbrust mit Rüst- und Rasthaken versehen. An die Brust wird ein sogenannter Bart aus Eisenblech geschraubt, der die untere Hälfte des Gesichtes deckt.

 

An das Magenblech schließen sich die Bauchreifen und an diese die Renn-Schöße, die meist geschoben sind. Der Rücken ist gewöhnlich in den Armlöchern, am Nacken und unterhalb derart tief ausgeschnitten, dass er nur wie ein kreuzweise gelegtes Band erscheint. Am Unterrand des Rückens ist, wie beim Stechzeug, das Schwänzel angenietet. Rüsthaken und Rasthakenschiene ist ganz wie beim deutschen Stechzeug.

 

Dies ist die für alle Renngattungen gemeinsame Form des Rennzeuges. Die kleinen Formvarianten werden wir der Verständlichkeit halber bei Gelegenheit der Erklärung der verschiedenen Gattungen des Rennens näher ins Auge fassen.

 

1Wenn wir den Schilderungen des Hofmeisters des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg, Ludwig von Eyb, Glauben schenken, so hatte dieser einen bedeutenden Anteil an der Einführung des Rennens im Turnierwesen. Er sagt in Bezug darauf: „er, Albrecht, hat herfurbracht vnd geoffnet das rennen mit dem spieß, denn das vor im selten (sic!) gebraucht was, der hat mit einem seiner diener Heinrich Dondorfer herfurbracht das rennen hinter dem punt mit großer versorgknus, das vor nit gwest was, auch das rennen hinter der angeschweiften dartschen. Auch zum stechen die zeug darzu gericht, die stechzeug mit der stegen uff der platten über die achsell, darauff der helm sein ruh hat. Auch die anzug uff der platten mit den schrauben, das man vor mit den rymen anzug, die ließen nach, dadurch die stucker hart gestoßen wurden.“ (Jul. v. Minutoli. Das kais. Buch des Markgrafen Albrecht Achilles. Berlin 1850, pag. 511.) In diesem Werk finden sich noch wichtige Bemerkungen über das Turnierwesen. Nachweislich hat sich für die Ausbildung des späteren Turnierwesens im 15. Jahrhundert neben Albrecht Achilles auch Maximilian I. wesentliche Verdienste erworben.

 

Fig. 630. Italienisches Stechzeug, sogenanntes Welsches Zeug, aus der Harnischkammer Karls V. Das Bruststück ist mit genuesischem Brokat überzogen, das Zeug, sonst blank, teilweise vergoldet. Arbeit des 15. Jahrhunderts, das Armzeug gehört dem 16. Jahrhun

Fig. 630. Italienisches Stechzeug, sogenanntes Welsches Zeug, aus der Harnischkammer Karls V. Das Bruststück ist mit genuesischem Brokat überzogen, das Zeug, sonst blank, teilweise vergoldet. Arbeit des 15. Jahrhunderts, das Armzeug gehört dem 16. Jahrhundert an. Das Zeug gehörte wahrscheinlich Ferdinand dem Katholischen. Armeria Real zu Madrid.

 

Fig. 631. Rennzeug zum Anzogenrennen mit aufgeschraubter Renntartsche. Ende 15. Jahrhundert. Vordere Ansicht.

Fig. 631. Rennzeug zum Anzogenrennen mit aufgeschraubter Renntartsche. Ende 15. Jahrhundert. Vordere Ansicht.

 

Fig. 632. Das in Fig. 631 abgebildete Rennzeug. Rückenansicht.

Fig. 632. Das in Fig. 631 abgebildete Rennzeug. Rückenansicht.

 

Zu den Ausrüstungsstücken des Rennzeuges gehören:

 

Die Renntartsche. (Fig. 633.) Sie ist aus Holz, an den Rändern unterhalb mit Eisenblech verstärkt und mit geschwärztem Kalbsleder überzogen. Um bequem an die Rennbrust befestigt werden zu können, schmiegt sie sich in ihrer Form ganz der Form der Brust und linken Schulter an und ist nur am Unterrand etwas nach vorwärts gebogen. Ihre Größe ist, je nach der Art ihrer Verwendung, verschieden. Im Schweif- oder Bundrennen reicht sie nur bis an den Hals, während sie beim Anzogenrennen sich bis zum Sehspalt des Rennhutes erstreckt. Bei allen Rennen, wo die Stechtartsche beim Stoß nicht mit einem „Geschift“ versehen ist, erscheint sie in der Regel mit Stoff von der Farbe und mit den Emblemen der Rossdecke überzogen.

 

Die Rennstange, gemeiniglich leichter als die Stechstange, ist von weichem Holz, sie besitzt bei einer Länge von etwa 380 cm eine Stärke von 7 cm, was einem Gewicht von ca. 14 kg. entspricht. An dem oberen Ende ist das Scharfeisen angebracht, das aus einer Hülse besteht, auf der eine kurze Spitze sitzt. Die gebräuchlichsten Formen geben wir in Fig. 634 a—d wieder. Die übrigen Bestandteile sind denen der Stechstange gleich; nur wird statt der Brechscheibe der sogenannte Brechschild (Garbeisen, Fig. 635 a und b) an die Stange geschraubt. Dieser Brechschild hat eine größere Ausdehnung und eine Form, der gemäß er bei eingelegter Stange den ganzen Arm des Renners bis an dessen rechte Schulter deckt. Der Brechschild und mit diesem die Stange wird mittels eines Hakens regiert, der innerhalb desselben angenietet ist und den der Renner bei eingelegter Stange mit der Rechten ergreift. (Fig. 636.)

 

Die Harnischkappe, ähnlich jener am Stechzeug, wurde auf den Kopf geschnallt und darüber der Rennhut aufgesetzt, der mit kleinen Riemchen an jene außerhalb festgebunden wurde.

 

Bei den meisten Renngattungen trug der Renner an der rechten, oft auch an beiden Händen sogenannte Stutzen aus Eisenblech zum Schutz des Handgelenkes. (Fig. 637.)

 

Fig. 633. Renntartsche für das Schweif- oder Scharfrennen aus Holz, mit Leder überzogen und mit Eisenplatten verstärkt. Ende 15. Jahrhundert.

Fig. 633. Renntartsche für das Schweif- oder Scharfrennen aus Holz, mit Leder überzogen und mit Eisenplatten verstärkt. Ende 15. Jahrhundert.

 

Zu den älteren Turniergattungen, die im 15. und am Beginn des 16. Jahrhunderts üblich waren, gehört das „Turnier“ im engeren Sinne, das auch als Feldturnier bezeichnet wird. Diese Übung leitet sich, nach manchen Ähnlichkeiten zu schließen, von dem alten Buhurt ab. Im Allgemeinen stimmt sie mit diesem darin überein, dass die Parteien in Gruppen und zu Pferde auf die Bahn treten und weicht nur in Bezug auf die im Laufe der Zeit stark veränderte Harnischtracht von ihm ab. Zum Feldturnier wurde der gewöhnliche Feldharnisch verwendet, der nur eine geringe Veränderung darin zeigt, dass an die Brust ein steifer Bart geschraubt wird, der nach oben bis an den Sehspalt reicht. Außerdem wurden je nach dem Belieben des Turnierenden Verstärkungsstücke, eine linke Doppelachsel, ein Doppelkinn oder ein Garde-bras aufgeschraubt. Der Turnierharnisch ist daran zu erkennen, dass der Oberrand der Brust des aufzuschraubenden Bartes halber keine Wulst hat und in dessen Nähe zwei bis drei Schraubenlöcher sich finden. Die Bewaffnung bildete der Turnierspieß; er war ganz ähnlich dem Reisspieß, nur etwas kürzer und stärker, und seine Spitze war dem Scharfeisen ähnlich, nur dünner und schlanker gebildet. (Fig. 638 a—d.)

 

Für manche Turniergattungen wurde der gewöhnliche, für das Feld gebräuchliche Rossharnisch, „das stählin geliger“, benutzt. Für einzelne Arten, namentlich für das Stechen und Rennen im „Zeug“, kam eine besondere Pferderüstung in Anwendung.

 

Er war für beide Gattungen im Wesentlichen gleich, nur in den Sattelformen verschieden. Das Kopfgestell, haubtgstiel, war das denkbar einfachste und bestand nur aus rohen Hanfbändern. In der Regel war das Ross mit der Stange gezäumt, deren Gebiss jedoch gebrochen war (Fig. 639); die Zügelriemen erhielten Behänge, in Stoff und Farbe übereinstimmend mit der Decke. Über das Pferd wurde die lederne Parsche gelegt, die Hals und Widerrist deckte; darüber kam die Rossdecke aus Leinwand, die auch den Hals und den Kopf des Rosses bis zu den Nüstern einhüllte. Auf den Vorderteil des Kopfes wurde sodann die Blendstirn (Fig. 640), aus starkem Eisenblech, geschnallt, die, ohne Augenlöcher, die Augen des Rosses vollständig deckte, „blendt und thört“, wie der Fachausdruck lautete. Das Blenden des Rosses war eine Vorsicht, um beim Anrennen das Stutzigwerden oder Ausbrechen des Tieres zu verhindern, da andernfalls ein sicheres Treffen des Zielpunktes unmöglich geworden wäre. Das älteste Beispiel einer geblendeten Rossstirn findet G. Demay in einem Siegel Johannes’ I. von Lothringen von 13671.

 

Im Folgenden beschreiben wir die vollständigen Ausrüstungen zu den verschiedenen Gattungen des Gesteches, des Rennens und des Turniers, wobei wir des besseren Verständnisses halber den jeweilig beabsichtigten Effekt ins Auge fassen wollen.

 

1G. Demay, Le costume au moyen-âge d’après les sceaux. Paris, 1880.

 

Fig. 634.a—d. Scharfeisenformen.

Fig. 634.a—d. Scharfeisenformen.

 

Fig. 635. Brechschild zu einem Rennzeug, blank und gekehlt. a. Vorderseite. b. Rück- oder innere Seite mit dem Griffhaken.

Fig. 635. Brechschild zu einem Rennzeug, blank und gekehlt. a. Vorderseite. b. Rück- oder innere Seite mit dem Griffhaken.

 


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Quelle: Wendelin Boeheims "Handbuch der Waffenkunde"