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Der Soldat in der deutschen Vergangenheit Teil 28

Wie für die soziale Stellung des Soldaten wurde auch für die materielle im Verlauf des Krieges auch für die Grundlage ungewisser. Zwar war der Sold bedeutend gestiegen, er betrug jetzt selbst für den Fußsoldaten zehn bis fünfzehn Gulden monatlich, aber seine Auszahlung wurde immer unsicherer. Nicht nur das Auftreiben der Geldsummen wurde bei der schwerfälligen Finanzwirtschaft und der steigenden Verarmung der Untertanen für die Landesfürsten immer schwieriger, noch schlimmer war die Zwischenwirtschaft, durch die das Geld erst an die Söldner gelangte. Nicht umsonst hieß es schon vor dem Krieg: „Ob ein Kriegsfürst schon ein ganzes Haus oder Turm voll Dukaten beisammen hätte, so bedarf er doch deren gar wohl, und wenn er vermeint, dass er auf sechs Monat mit Geld sei versehen, so ist es doch schier alles hin, ehe er recht anfängt zu kriegen. Und hieran seind die Obristen und Hautleute bisweilen schuldig, die machen dem Fürsten den Handel dermaßen süß, leicht und gering, als wenn man nur auf einen Tanz ziehen sollte. Und dieses tun die Kriegsgurgeln seiner andern Ursachen halben als damit sie ihren unersättlichen Geiz und hungrigen Magen mögen füllen. Und stürzen also die Fürsten in ein tiefes Meer, darin sie begehren zu fischen.“

 

Das militärische Unternehmertum, dem wir bereits bei der Anwerbung der ritterlichen Gleven des 15. Jahrhunderts begegnen, stand jetzt in voller Blüte. Hauptmann war, wer ein Fähnlein, Obrist, wer ein Regiment warb; ins Große getrieben wurde das Geschäft durch Wallenstein. Wer von einem Fürsten das Geld zur Soldzahlung erhielt, der suchte seinen Vorteil dabei wahrzunehmen. Der gewöhnliche Weg war, mehr Soldaten in den Listen zu führen als wirklich vorhanden waren, und den überschüssigen Sold in die Tasche zu stecken. Das war das berüchtigte „Finanzen“ der Offizieren, wie es auch den Beamten seit dem 16. Jahrhundert vorgeworfen wurde. Auch sie waren aus Mitgliedern eines patriarchalischen Haushalts zu Geschäftsleuten geworden, die ihre Dienste möglichst teuer verkauften; beide mussten zum öffentlichen Dienst erst erzogen werden. Als für die Soldzahlungen die fürstlichen Geldquellen zu versiegen begannen, musste Kredit in Anspruch genommen werden, der Unternehmer warb auf eigene Kosten und ließ sich auf andere Weise, etwa durch Domänen entschädigen. Die wichtigste Lebensregung des Staates, das Militärwesen, ging so in Privatwirtschaft über. Der weitere Unterhalt der Truppen wurde auf die Untertanen, Freud oder Feind, abgewälzt unter den Namen der Kontributionen. Das war die furchtbare Wahrheit von Wallensteins Wort, dass er zehntausend Mann nicht erhalten könne, aber vierzigtausend. Der Krieg musste sich selbst ernähren.

Mandat des kaiserlichen Feldmarschal Herzog von Savello gegen Marodeure. 1638. Aus Henne am Rhyn, Kulturgeschichte.
Mandat des kaiserlichen Feldmarschal Herzog von Savello gegen Marodeure. 1638. Aus Henne am Rhyn, Kulturgeschichte.

Reißende Fortschritte machte der Verfall der schon morsch in den Krieg eingetretenen Sitten. Die militärische Disziplin zwar war strenger geworden mit der Verschlechterung des Menschenmaterials, rascher die Justiz, barbarischer die Strafen, aber um so nachsichtiger behandelte man alles, was sich nicht unmittelbar auf die kriegerische Tätigkeit bezog. Um den Söldner, den nichts bei der Fahne hielt als die Aussicht auf Befriedigung seiner Gelüste, bei guter Laune zu erhalten, gestatteten die Feldherren ein Lagerleben, das alle kriegerische Zucht untergraben musste. „Zoff und Spiel und Mädels die Menge!“ Während das Land immer mehr verarmte und seine unglücklichen Bewohner oft mit den widerwärtigen Mitteln den Hunger zu bekämpfen sich mühten, schwelgte die Soldateska zumal in den ersten Zeiten des Krieges im Überfluss. Bunt genug war der Anblick des Feldlagers, das nicht mehr durch die ineinander geschobenen Heerwagen, sondern durch Wall und Graben eingehegt, mehr der Heimstätte einer wandernden Völkerschaft als eines Heeres glich. Zwischen den Zelten, Stroh- und Bretterhütten der Lagergassen bewegte sich eine Menge, buntscheckig durch Verschiedenheit der Nationalität und Willkür der Tracht in oft nichts weniger als kriegerischen Verrichtungen, wie sie der wilde Haushalt des Soldaten und die ihm reichlich gelassene Freiheit mit sich brachten. Der leichte Gewinn eines glücklichen Zuges förderte einen unsinnigen Aufwand wie in Völlerei so in Kleiderprunk. Die kostbarsten Stoffe, der reichste Schmuck waren den Soldaten und ihren Dirnen eben gut genug. Das militärische Stutzertum artete durch die Verschwendungssucht und die Nachahmung fremder Moden ins Abenteuerliche aus und breitete seinen Einfluss bei der alles beherrschenden Macht des Krieges auch auf die bürgerliche Gesellschaft aus. Rascher noch pflegte der gemachte Gewinn durch die Spielleidenschaft draufzugehen. Ihre Unausrottbarkeit hatte sogar veranlasst, inmitten des Lagers vor dem Zelt des Oberbefehlshabers einen freien Platz zu lassen, wie ihn Simplicissimus beschreibt: „Er war ungefähr so groß wie der alte Markt zu Köln, überall mit Mänteln überstreut und mit Tischen bestellt, die alle mit Spielern umgeben waren. Jeder Gesellschaft hatte drei viereckige Schelmenbeiner, denen sie ihr Glück vertrauten, so hatte auch jeder Mantel oder Tisch einen Scholderer, deren Amt war, dass sie Richter sein und zusehen sollten, dass keinem Unrecht geschehe. Sie liehen auch Mäntel, Tische und Würfel her und wussten deswegen ihre Gebühr sowohl vom Gewinn einzunehmen, dass sie gewöhnlich das meiste Geld erschnappten.“ Die gewöhnliche Folge der hier üblichen falschen Würfel waren Streitigkeiten und Zweikämpfe, darum stand dräuend auf demselben Platz der Quartiergalgen. Denn an diesen oder einen Baum, nicht  an ein gemeines Hochgericht gehängt zu werden war Soldatenvorrecht.

Streitende Weiber. Kupferstich von H. U. Franck 1656.
Streitende Weiber. Kupferstich von H. U. Franck 1656.
Soldaten im Wirtshaus. Kupferstich von H. U. Franck 1656.
Soldaten im Wirtshaus. Kupferstich von H. U. Franck 1656.


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Quelle Bild und Text: "Der Soldat in der deutschen Vergangenheit" miteinhunertdreiundachtzig Abbildungen und Beilagen nach den Originalen aus dem 15. - 18. Jahrhundert, von Georg Liebe; Leipzig, 1899.