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Der Soldat in der deutschen Vergangenheit Teil 30

Fußkampfszenen. Kupferstich aus J. J. von Wallhausen, Ritterkunst. Frankfurt 1616.
Fußkampfszenen. Kupferstich aus J. J. von Wallhausen, Ritterkunst. Frankfurt 1616.

Die mit der Dauer der Raubzüge abnehmende Ergiebigkeit hat selbst auf die äußere Zusammensetzung der Heere Einfluss geübt. Bei der Notwendigkeit immer weiterer Ausdehnung und raschen Ortswechsels, wie sie die Erschöpfung des Landes hervorrief, war Reiterei besser zu verwenden. Ihr bisher zurückgedrängtes Übergewicht begann sich wiederherzustellen und gegen Ende des Krieges übertraf sie bisweilen das Fußvolk an Zahl. Vielfach zählte eine Truppe sogenannte Freireiter, die ohne im festen Verband zu stehen sich nur in der Hoffnung auf beutereiche Streifzüge ihr angeschlossen hatten. Musste eine solche Kriegsführung ein Verderb für die militärische Disziplin sein, so war die Beförderung sittlicher Verrohung noch schlimmer. Sie vor allem gab den Anlass zu den Scheußlichkeiten, die den Namen dieses Krieges berüchtigt gemacht haben. Alle Qualen einer erfinderischen Grausamkeit wurden über die Unglücklichen verhängt, denen man das Geheimnis ihrer wie oft nur vermeintlich verborgenen Schätze abpressen wollte. Eine schwache Entschuldigung ist es für die Bestialität, die damals den Stand des Kriegers entehrte, dass die ärgsten Schandtaten den slawischen und romanischen Hilfstruppen zur Last fallen, die katholischerseits auf Deutschland losgelassen wurden. Wie in den Zeiten sittlicher Verkommenheit lange Zeit gebändigte dunkle Mächte wieder aus der Tiefe der Volksseele aufzusteigen pflegen, so begann ein dumpfer Aberglaube die Menschen zu umstricken.

Soldatengreul und Martern von Bauern. Kupferstich aus "Simplicissimus". Nürnberg 1684.
Soldatengreul und Martern von Bauern. Kupferstich aus "Simplicissimus". Nürnberg 1684.

Er hatte am Ende des 16. Jahrhunderts, als das theologische Gezänk alle geistigen Kräfte verbrauchte, den Hexenwahn erzeugt, er folgte jetzt den Bedürfnissen des Krieges; seinen Gefahren durch übernatürliche Mittel zu entgehen war das Streben der Menschen. War doch die religiöse Empfindung auf das tiefste gesunken, trotzdem der Kampf als ein Glaubenskrieg begonnen war und in den Lagern sonntäglich Feldgottesdienst gehalten wurde. Davon zeugt eine der gewöhnlichen Zeitsünden, über die schon lange vor dem Kriege geklagt wurde, das gotteslästerliche Fluchen. „In Wahrheit, nicht allein ist dieses Laster allenthalben bei hohes und niederen Standes Personen, zumal aber bei den Kriegsgurgeln, dermaßen gemein und üblich worden, daß es nit allein für kein Sünd nicht wird gehalten, sondern auch daß sie nit vermeinen, daß sie rechtschaffene Soldaten seien, wofern sie nit immerdar schnarchen, poltern, Potzmarter und Sakramenten auswerfen und ale ihre Rede mit dem Schwören schmücken. Und gleichwie eines Fuhrmanns Gebet pflegt Schiff und Wagen zu treiben, also ätzt ein Hauptmanns-Fluch durch drei Harnisch“. Während des Krieges wuchs die gräuliche Unsitte. „Vor Zeiten, wenn man hat zur Feldschlacht aber auf Partei gehen wollen, so hat´s geheißen: Nun Gott helf, haltet eich redlich, ihr Brüder, und denket an Gott und an unsern gnädigen Herrn und thut alle das beste. Da hat´s denn gegolten und ist Glück dabei gewesen. Aber heutigen Tages, es gehe für Scharmützel vor, was immer wolle, wo ist einer, der in Gottes Namen daran ginge. Da heißt es jetzt: Gebt Feuer, daß dich der Hagel erschlag, ihr Bursch alle miteinander! Marschiert, daß euch der Donner erschmeiß! Sauf, daß dir´s höllische Feuer in den Hals fahr! Wie wollt es denn möglich sein, daß ihr solltet Glück und Segen zu hoffen haben, da ihr euch alle unter einander so verfluchet?“


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Quelle Bild und Text: "Der Soldat in der deutschen Vergangenheit" miteinhunertdreiundachtzig Abbildungen und Beilagen nach den Originalen aus dem 15. - 18. Jahrhundert, von Georg Liebe; Leipzig, 1899.