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Der Soldat in der deutschen Vergangenheit Teil 34

Unerfreulich wie die eigene Auffassung des Soldaten von seinem Stand ist auch die anderer geworden. Hatte schon seit dem Ausgang des 16. Jahrhunderts die überwuchernde gelehrte Bildung und die einbringende Fremdländerei eine Kluft geöffnet zwischen den Gebildeten und dem Volk, so brachten die Soldatengräuel des großen Krieges das kriegerischste aller Völker in einen Gegensatz zu seinen bewaffneten Mitgliedern, der anderthalb Jahrhunderte lebendig geblieben ist. Am brutalsten äußerte er sich in der grimmigen Wiedervergeltung, die zumal die Bauern, wo sie in der Übermacht waren, gegen plündernde Soldaten übten. Die Empfindungen der zur Verzweiflung Getriebenen schildert der blasphemische Humor der Verse des Bauern-Vaterunsers in Teil 33.


Anziehender und folgenreicher ist die Einwirkung auf die prosaische Literatur gewesen. Es rächte sich jetzt, dass die Bildung seit lange dem Volk fremd geworden war und sich in die Gelehrtenstuben zurückgezogen hatte; die Vertreter eines Standes, der ohne sie zum alles beherrschenden geworden war, säumten nicht, ihrer Verachtung über das unkriegerische gelehrte Wesen Ausdruck zu geben. Schon Luther hatte diesen Gegensatz erfahren, da er als Junker Georg auf der Wartburg hauste. Ihm wurde für seine Ausritte ein Reitersmann beigegeben, der ihn unterwies, wie er sich adlig halten solle „mit Geberde, Bartstreichen und Versehung der Wehre“. Wenn dann in einer Herberge der Doktor ein Buch liegen fand und eifrig besah, ermahnte ihn jener: „das wäre nicht adlig und reimte sich die Reuterei und Schreiberei gar übel zusammen“. Im Simplicissimus rühmt sich der verlumpte ehemalige Student Olivier, wie er sich nach seiner Anwerbung bei der ersten Bataille „nicht als ein Federsoitzer gezeigt, sondern als ein braver Soldat“. Ganz in moderner Fassung erscheint der unerfreuliche Gegensatz nach dem Kriege in den Worten eines clevischen Dichters:


„Sonst war der blanke Degen
Der Feder überlegen,
Nun wendet sich das Blatt.
Der Degen steckt im Leder,
Man sucht hervor die Feder,
Dieweil man Frieden hat.“

Das Totenheer. Kupferstich aus Gesichte Philanders von Sittewaldt. Aus Henne am Rhyn, Kulturgeschichte.
Das Totenheer. Kupferstich aus Gesichte Philanders von Sittewaldt. Aus Henne am Rhyn, Kulturgeschichte.

Die literarische Rache der „Federfechter“ hat den Soldaten dafür besonders auf der Bühne dem Gelächter preisgegeben. Seit dem Miles gloriosus des Römers Plautus sind die Eigenschaften dieser Figur in der italienischen Renaissance-Komödie, in Shakespeares Falstaff und im Spiel des Herzogs Heinrich Julius dieselben geblieben. Prahlerisch, feige und verliebt, so erscheint der Soldat auch in den deutschen Bühnenstücken des 17. Jahrhunderts. Das von Johann Rist 1634 verfasste Drama Perseus, welches trotz des aus der makedonischen Geschichte entnommenen Stoffes in seinen plattdeutschen Zwischenspielen höchst realistische Zeitbilder bietet, führt eine Werbeszene vor; der Kapitän Hans Knapkäse trommelt und ruft: Hört zu, rechtschaffene Cabbalers, Reuters und Soldaten zu Fuß und zu Pferd, alle diejenigen, so da Luft, Liebe und Courage haben, dem gräulichen, großen und erschrecklichen Könige, Don Philippo in Macedonia, unter dem Parlament des hochadligen, tapferhaften und gottesjämmerlichen Bratenobersten Herrn Quidriza Scharlatan, Freiherrn zu Baruthi, Erbgesellen zu Müggenburg, Buttram und Sandkuhlen unter mir Monsteur Jean de Knapkäse, wohlbefallten Kapitän über eine Kompagnie Nürnbergische Dragoner zu Fuße wie auch Regiments-Trommen-Tambour zu dienen, zu fechten und die Leute totzuschießen, der verfüge sich über acht Tage alsobald heute diesen Abend zu mir in die Herberge, ich gebe ihm par dieu Geld auf die Hand, dass es brummt“. Dieser Held kriecht einer Bauerndirne zu Liebe in einen Sack, bei dem sie unter dem Vorgeben, es sei ein Kalb darin, ihren bäuerlichen Liebhaber Schildwacht stehen heißt.

 

Da sie dann einen dritten bittet, ihr doch besagtes Kalb zu verschaffen, ergibt sich Gelegenheit zur schönsten Prügelei. Noch ärger mitgespielt wird dem Soldatenstand in des Andreas Gryphius Scherzspiel Horribilicribrifax, das zwar erst 1663 erschien, aber beständig auf die Ereignisse des Krieges Bezug nimmt. Die Mittel der Komik sind dieselben geblieben wie in der Komödie von Vincentius von Mantua, aber sie sind derber geworden. Wie dort tritt zum Beginn Don Daradiridatumdarides Windbrecher von Tausendmord, Erbherr zu Windloch mit feierlicher Grandezza auf. Pappenheim selbst hat ihm eine goldene Kette um den Hals gehängt, als er zuerst sich auf Magdeburgs Mauern wagte und er äußert alsbald die löbliche Absicht, einen Nebenbuhler bei der äußersten Zehe des linken Fußes zu ergreifen, dreimal um den Hut und dann in die Höhe zu schleudern, dass er mit der Nase am großen Hundsstern kleben bleiben soll. Doch er ist nach des eignen Dieners Worten nur ein gehelmter Hase, die Augen einer Katze im Dunkeln und der Gesang des Nachtwächters flößen ihm Furcht ein. Sein gleichwertiger Kumpan Don Horribilicribrifax von Donnerkeil, Herr auf Blitzen und Erbsaß auf Carthaunenknall ist entrüstet, dass der Kaiser ohne ihn mit den Schweden Frieden geschlossen hat, und wenn ihn nicht eine Dame zurückhielte, hätten die Venezianer längst den Türken aus Konstantinopel vertrieben. Beide Helden sind nicht nur unausstehliche Prahlhälse, sondern auch alamodische Gecken, der eine spricht halb französisch, der andere halb italienisch. Als endlich eine beleidigte Schöne den einen auf den anderen hetzt, beschränken sich beide auf dröhnende Kraftworte: „Sprich einen englischen Gruß und hiermit stirbt!“ - „So hab ich mein Schwert ausgezogen in der Schlacht bei Lützen.“ Ein Bedienter schlägt ihnen die Degen um die Köpfe mit den Worten: „Aufschneider, Lügner, Bärenhäuter, Bengel, Bauernschinder, Erznarren, Cujone [Anm. Hrsg.: Entmannter, Memme]!“


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Quelle Bild und Text: "Der Soldat in der deutschen Vergangenheit" miteinhunertdreiundachtzig Abbildungen und Beilagen nach den Originalen aus dem 15. - 18. Jahrhundert, von Georg Liebe; Leipzig, 1899.