Die Religion des mittleren Amerika

Coverbild Religion des mittleren Amerika - Konrad Haebler

Die Religion des mittleren Amerika

 

Von
Konrad Haebler.


Darstellungen aus dem Gebiete der nichtchristlichen Religionsgeschichte.

 

Umfang: 164 Seiten

ISBN: 978-3-746759-89-0

Ladenpreis: 10,95 Euro

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Veröffentlicht am 03.09.2018

 

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Im ersten Kapitel des großen Werkes über „Die Religion des mittleren Amerika“ werden die Götter Mittelamerikas vorgestellt. Konrad Haebler geht thematisch auf die unterschiedlichen Gottheiten des Himmels, der Erde, des Wassers und des Feuers ein. Auch in der Hierarchie tieferstehende Gottheiten der Himmelsrichtungen oder der Unterwelt werden beschrieben und deren Ursprung erklärt. Es wird ein Zusammenhang zwischen den vielzähligen Himmelsgöttern der Azteken, Nahua- und Maya-Völkern sowie weiteren mittel-amerikanischen Kulturkreisen hergestellt, die trotz unterschiedlicher Riten, Festlichkeiten und Opferungen den gleichen Ursprung haben. Die Weiterentwicklung und Assimilation benachbarter Kulturgruppen spiegelt sich auch in deren verändernder Götterverehrung wider.
Im zweiten Kapitel wird auf den jeweiligen Kultus der Tempel, Priesterkaste und Festjahre eingegangen. Ausführlich werden die Opfe-rungen von Sklaven, Kriegsgefangenen und Auserwählten erklärt sowie die verzerrte Sicht der spanischen Eroberer auf die vor-zivilisatorischen Religionen der mittelamerikanischen Eingeborenen und ihren blutigen Menschenopfern.
Der Text ist in neuer deutscher Rechtschreibung.


Inhaltsverzeichnis

 

Vorwort
I. Die Götter
1. Der mittelamerikanische Kulturkreis und seine Religion
2. Die Götter der Weltschöpfung
3. Die Sonnengötter
4. Die übrigen Himmelsgötter
5. Die Gottheiten der Erde
6. Gottheiten der Sterne und Himmelsrichtungen
7. Gottheiten des Erdinnern und der Unterwelt
8. Symbolische Tiere
9. Phallus-Verehrung
II. Der Kultus
1. Tempel und Götterbilder
2. Die Priesterschaft
3. Die Opfer
4. Das festliche Jahr
5. Private Kulthandlungen
Schlusswort


6. Gottheiten der Sterne und Himmelsrichtungen

Nach der hervorragenden Rolle, welche in den mittelamerikanischen Religionen die Sonne spielt, konnte man vermuten, dass auch die anderen Gestirne, welche sich dem menschlichen Auge besonders auffallend darstellen, nicht ohne mythologische Beziehungen geblieben sein würden. Es scheint allerdings, als ob solche in umfänglicheren Verhältnissen bei den Maya bestanden hätten. Wir wissen wenigstens, dass diese eifrige Sternenbeobachter waren, und dass sie auf diesem Gebiet Erfahrungen in einem Umfang gesammelt hatten, der geradezu staunenerregend ist. Leider aber gestattet uns die Dürftigkeit unserer Kenntnisse von der Religion der Maya nicht, ganz klar zu stellen, ob den Gestirnen unmittelbar eine göttliche Rolle zugeschrieben wurde oder ob sie überwiegend als Regler der Zeiten nur in astronomisch respektive astrologischem Sinn in Betracht genommen wurden.


Eine Mondgottheit lässt sich für die Maya weder in den Handschriften nachweisen, noch gedenkt einer solchen die Überlieferung. Wohl aber findet sie sich bei den Nahua und hier gehört der Mondgott zu denjenigen Gestalten, von denen man glaubte, dass sie schon in der ältesten Erdperiode gelebt hätten. Sein Name ist Metztli, er wird aber fast noch häufiger nach einem seiner wichtigsten Attribute Tecciztecatl, der Herr der Meerschnecke, genannt. Die Schnecke gilt den Zentralamerikanern ziemlich allgemein als Repräsentantin des Mutterleibes und sie kehrt deshalb ziemlich regelmäßig in dem Ausputz derjenigen Gottheiten wieder, die mit den Vorgängen der Zeugung und der Geburt in Verbindung gebracht werden. Diese Bedeutung wohnt ihr auch im vorliegenden Fall inne, denn der Mond ist der Patron der Frauen, insbesondere der Gott der Fortpflanzung. Ein anderes Attribut des Mondgottes ist das Kaninchen. Ob dies darin begründet ist, dass wir das Kaninchen auch bei den Pulque-Göttern fanden, deren verallgemeinerte Grundbedeutung ja auch diejenige des Wachsens, Gedeihens, der Stärke ist, ist unklar. Nach der Überlieferung glaubten die Azteken in den Zeichnungen auf der Mondscheibe ein Kaninchen wieder zu erkennen, das Abbild eines solchen Tieres, welches die Götter gegen die Mondscheibe warfen, um deren Schein, der anfänglich der Sonne gleich war, zu verdunkeln. Sie betrachteten deshalb das Tier als dem Mondgott geheiligt. Im Allgemeinen aber spielt der Mond in der Hauptsache eine Rolle als Gegenstück zur Sonne, während seine selbständige Bedeutung eine ziemlich beschränkte ist.


Nächst dem Mond ist es immer der Morgen- und der Abendstern, die Venus, gewesen, welche die Aufmerksamkeit der Naturvölker auf sich gezogen hat. Schon die Maya haben ihm eine besondere mythologische Bedeutung zugelegt und bezeichnen ihn als Noh Ek, der große Stern, Chac Ek, der starke Stern, Zaztal Ek, der strahlende Stern, Ah Zahcab, der Begleiter der Morgenröte. Eine ähnliche Bedeutung hat auch die im Tzendal, dem Dialekt der Gegend, welche die bedeutendsten Maya-Ruinen birgt, übliche Bezeichnung Canan Chulchan, der Wächter der Dämmerung. Wir erfahren allerdings erst aus den Überlieferungen der Nahua-Völker, welche Bewandtnis es mit dieser Bezeichnung hat. Die Azteken nannten den Morgenstern Tlahuizcalpantecuhtli, das bedeutet der Herr im Hause des Hellwerdens, der Beherrscher der Morgenröte, und zwar glaubten sie in ihm dasjenige Gestirn zu erkennen, welches den ersten Göttern zu ihrem Schöpfungswerk geleuchtet habe. So wurde auch Tlahuizcalpantecuhtli zu einer der uralten, der Dämmerungsgottheiten, die unter dem Namen der Tzitzimime zusammengefasst wurden. Da er aber in jener ältesten Zeit diejenige Rolle spielte, welche später die Sonne übernahm, so versteht es sich, dass Tlahuizcalpantecuhtli in seinen Darstellungen und seinen Attributen vielfach Beziehungen zu den Sonnengottheiten aufweist, und zwar so intime, dass man versucht wird, ihn mit einzelnen derselben, besonders Mixcoatl-Camaxtli, fast gleichzustellen. Wenn aber unter seinen Attributen auch der Totenschädel vorkommt, so soll damit wohl auf den Abendstern hingewiesen sein, der nach der Sonne im Westen zu dem Reiche der Nacht und des Todes hinabsinkt und mit ihr durch dieses den Weg nach Osten nimmt, um am nächsten Morgen wieder der Welt das Nahen der Sonne zu verkünden. Noch eine ganze Reihe anderer Gestirne und Sternbilder wurde sowohl von den Maya-, wie von den Nahua-Völkern in Beziehung zu Mythologie und Kultus gebracht.


In erster Linie gilt dies von dem Polarstern, Xaman Ek, Stern des Nordens, oder Chimal Ek, Stern des Schildes. Xaman Ek ist eine der Gottheiten, die wir in den Maya-Handschriften außerordentlich häufig dargestellt finden, und zwar mit einem eigentümlichen, affenartigen Kopf. Man hat daran im Anschluss an kalendarische Kongruenzen die nicht unwahrscheinliche Vermutung geknüpft, dass die Maya dasjenige Sternbild, welches sich um den Nordstern gruppiert (der Kleine Bär) als einen Affen ansahen, der sich mit seinem Greifschwanz am Polarstern festhielt und so durch alle vier Himmelsgegenden hindurch herumschwang. Die Gottheit des Nordsterns galt als eine menschenfreundliche. Sie spendete Reichtum und Segen. Sie galt als Patron der Kaufleute, vielleicht wohl ebenso sehr als das Gestirn, welches diesen auf ihren Fahrten in unwandelbarer Stetigkeit die Richtung wies, als wegen ihrer Beziehungen zu Reichtum und Überfluss.


Auch die Plejaden waren den Maya bekannt als Tzab, die Klapper der Klapperschlange. Einige Sterne aus den Zwillingen werden als Ac Ek, die Schildkrötensterne, bezeichnet. Die verhältnismäßig häufigen Darstellungen dieses Tieres beweisen, dass es eine wichtige astronomisch-mythologische Bedeutung besaß. Auch Sterne des Orion werden mit dem Namen Mehen Ek, die Sternensöhne, bezeichnet. Sogar die Milchstraße hatte nicht nur ihre besonderen Namen, Tamacaz oder Ah Poou, sondern auch eine eigene Bedeutung, die mit der Erreichung der Pubertät in Verbindung stand.


Die Nahua sind kaum minder eifrige Sternenbeobachter gewesen, als die Maya. Eine Verehrung des Nordsterns respektive des Kleinen Bären lässt sich allerdings bei ihnen nicht nachweisen. Dagegen verwendeten sie fünf verschiedene andere Sternenbilder in ihrer mythologischen Mantik zur Bezeichnung der Himmelsrichtungen. Davon bezeichneten die Plejaden die Richtung von oben nach unten oder die Richtung der Mitte. Sie werden mit dem Namen Miec, der Haufen, oder Tianquiztli, der Markt, bezeichnet. Der Moment, wo nach Ablauf einer 52-jährigen Periode die Plejaden im Zenit standen, war der Zeitpunkt, an welchem das neue Feuer erzeugt werden musste. Den Osten bezeichnete eine Sterngruppe im Bild des Widders, welche die Mexikaner Mamalhuaztli, der Feuerbohrer, nannten. Als Repräsentant des Nordens galt Citlaltlachtli, der Sternenballspielplatz, vielleicht eine Gruppe, in welcher Sterne des Großen Bären mit in Betracht kamen. Für den Westen trat Colotl, der Skorpion, ein. Obwohl das mexikanische Manuskript Sahaguns in Madrid eine Abbildung dieses Sternbildes enthält, nach welcher es sich aus nicht weniger als 24 Sternen zusammensetzte, ist man doch bisher zu keinem bestimmen Resultat darüber gelangt, wo wir diesen „Skorpion“ am heutigen Sternenhimmel zu suchen haben. Endlich galt als das Zeichen des Südens das Xonecuilli, unter welchem Namen jedenfalls das südliche Kreuz gemeint worden ist.


Alle diese interessanten Streiflichter sind leider zu flüchtig, um tiefere Einblicke zu gestatten. Sie beweisen aber, dass die mittelamerikanischen Völker, nicht minder wie die Morgenländer und die Griechen, das sternenbesäte Firmament beobachteten und mit den fantastischen Gestalten ihrer Götterwelt belebten. Zu den Bildungen, welche die Maya und Nahua den Erscheinungen des Himmels entlehnten, sind auch noch die Bacabs zu rechnen. Sie sind in ihrer engeren Bedeutung die Repräsentanten der vier Himmelsgegenden, und zwar war Hobnil der Herr des Südens, Canzicnal der des Ostens, Zaczini des Nordens und Hozan Ek des Westens. Allein um ihrer Bedeutung voll gerecht zu werden, muss man etwas näher eingehen auf die Vorstellungen, welche sich diese Völker von dem Bau des Weltalls, der Erde und des Himmels machten.


Es scheint, dass sich die Mittelamerikaner das Weltall schwimmend dachten, und zwar schwimmend in dem endlosen Ozean. Aus diesem tauchte die Erde empor, als die Welt von den Göttern erschaffen wurde — am Tag ce tochtli, eines Kaninchens, — und je weiter die Gewässer zurücktraten, desto mehr breitete sich das dem Leben erschlossene Gebiet der Erde aus. Derselbe Ozean umschloss aber nicht nur die oberirdische Welt, auch das Reich des Dunkeln, des Erdinnern, lag innerhalb der von den Wässern umspannten Zone und selbst die Himmel ruhten im fernsten Horizont, wenn auch nicht ausschließlich auf dem Meer. Die Vorstellungen von dem Himmel der Maya respektive von den Himmeln der Nahua scheinen nicht immer ganz konsequent festgehalten worden zu sein. Es lassen sich wenigstens nicht alle Erzählungen, die davon berichten, mit den offiziellen Darstellungen von der Gestalt des Himmels ganz in Einklang bringen. In den kosmischen Vorstellungen der Maya spielt eine große Rolle der Baum des Lebens. Sein irdischer Repräsentant ist die zu gigantischer Größe sich erhebende Ceiba, eine Bombaxart, von der in jedem Maya-Dorf ein Exemplar gestanden und als Wohnsitz der Ahnen gegolten haben soll. Dass dies aber nur eine symbolische Bedeutung war, geht hervor aus den Darstellungen, denen wir in den Maya-Handschriften und in den Büchern des Chilan Balam begegnen. Hier erhebt sich auf der nach den vier Himmelsgegenden quadratisch gedachten und als der große Altar der Götter bezeichneten Erde vierfach gestützt der mächtige Baum, in dessen Schatten die Götter rasten. Er wächst hindurch durch verschiedene Räume: zunächst lagert über der Erde die Region der himmlischen Wässer, gewöhnlich dargestellt durch ein flaches wassergefülltes Gefäß. Darüber liegt die Region der Wolken, aus denen sich das Nass des Himmelsgefäßes ersetzt, und über diesen endlich breitet der Lebensbaum seine ewig grünen, Frucht beschwerten Äste aus, der Himmel, in dem die Seligen und die Götter ihre Wohnsitze haben.


Konventionell reduziert hat diese Darstellung Anlass gegeben zu den Kreuzen, deren Verehrung die ersten Christen mit so großer Verwunderung bei den Bewohnern Yukatans feststellten. Die berühmte Darstellung auf der Altartafel des Kreuztempels von Palenque zeigt, dass dieses Kreuz nichts weiter ist, als der aus der Erde und der Region der Gewässer aufstrebende Baum des Lebens, dessen Arme sich nach den vier Himmelsgegenden erstrecken, um anzudeuten, dass er das ganze Weltall umfasst. Das Kreuz der Maya-Völker ist das Symbol der vier Himmelsrichtungen in ihrer Gesamtheit, und zwar besonders in ihrer Beziehung auf das über der Erde Liegende, den Himmel, den Sitz und die Heimat der Götter. Daher auch die Beziehungen, welche zwischen dem Baum des Lebens respektive dem Himmelskreuz und der irdischen Welt in den Maya-Handschriften angedeutet werden, daher vor allem seine Verbindung mit den Opfern, welche man den im Lebensbaum, im Himmel, Wohnenden, den Göttern, brachte.


Etwas anders dachten sich die Nahua-Völker ihren Himmel. Er ist weit reicher und komplizierter gegliedert, aber man findet unschwer darin die Anklänge an die Himmel der Maya wieder. Den Regionen des himmlischen Wassers und der Wolken entsprechen die drei unteren, uneigentlichen Himmel der Azteken, der des Tlaloc, dessen Reich Tlalocan ja stets der Erde zunächst, manchmal sogar noch auf die Erde, auf die Spitzen der Berge verlegt wurde. In diesen Himmel versetzte man auch den Mond, während sich darüber derjenige der Gestirne und noch höher der der Sonne lagerte. Himmel im eigentlichen Sinn waren dies aber noch nicht. Sonne, Mond und Sterne zogen ihre Bahnen durch die Luft ohne den Himmel zu berühren. Erst über ihrer Sphäre erhob sich in neunfacher Gliederung der Himmel der eigentlichen Götter, der alten, die schon vor der Erschaffung der Sonne, in der Dämmerung existierten. Der oberste und neunte der Götterhimmel ist Omeyocan, der Himmel des Weltenschöpfers Tonacatecutli. Ihn trennen drei Lichthimmel, der rote, gelbe und weiße, von dem Himmel Tezcatlipocas oder Camaxtlis. Unter diesem folgen sich von oben nach unten: der Himmel des Donners, „wo die Steine krachen“, der hellgrüne Himmel Huitzilopochtlis, der dunkelgrüne des roten Tezcatlipoca oder Xipe, dann der Himmel des Blitzes oder des Feuerreibers. Und endlich als unterster Götterhimmel der der Huixtocihuatl, vielleicht eine Andeutung darauf, dass der Ozean, das Salzwasser, die Region des Erschaffenen auch über der Erde gegen den Himmel der schaffenden Götter abschließt.


Das bildliche Zeichen für Himmel und Erde ist das Zeichen Nahui ollin, 4 Bewegung, und zwar wird ollin dargestellt durch den zweifach gefärbten Ball, den Kautschukball, dessen sich die Mexikaner, offenbar aber auch schon die Maya-Völker, zu ihrem Nationalspiel, dem Ballspiel auf dem Tlachco, dem Tempelplatz, bedienten. Diesem Spiel sowie dem verwandten Bohnenspiele Patolli wohnte gleichfalls eine mythologische Bedeutung inne und man verfehlte nicht, aus den Peripetien des Spieles und dem endlichen Ausgang Schlüsse auf die Zukunft zu ziehen.


Den ganzen Himmel nun dachten sich die Maya ruhend auf den Schultern von vier gewaltigen Riesen, der Bacabs. Sie galten als vier Zwillingsbrüder, Söhne des Urgottes Hunabku, der ihnendie Riesenkraft verliehen und ihnen ihr Amt als Träger des Himmels zugewiesen hatte. Jeder von ihnen beherrschte eine der vier Himmelsgegenden und war deshalb gleichzeitig der Herr der aus jener Richtung wehenden Winde. Diese Herrscher des räumlich via geteilten Weltalls wurden nun aber auch zu Herrschern der Zeiten gemacht: die Bacabs standen jeder einem Zeitraum von 65 Tagen, einem Viertel des rituellen Jahres von 260 Tagen vor und genossen in dieser Zeit das Vorrecht einer besonderen Berücksichtigung in allen religiösen Zeremonien. Dann aber herrschte auch jeder der Bacabs abwechselnd über je ein bürgerliches Jahr. Die eigenartige komplizierte Berechnung, durch welche alle Zentralamerikaner ihre rituelle Zeitrechnung mit der bürgerlichen in Übereinstimmung erhielten, brachte es mit sich, dass von den 20 Tagen, aus denen sich die Monate zusammensetzten, nur vier untereinander abwechselnd den Tag des Jahresanfangs bilden konnten. Bei den Maya sind dies die Tage kan, muluc, ix, cavac, bei den Nahua acatl, tecpatl, calli, tochtli. Die neuesten Forschungen haben unwiderleglich dargetan, dass der zentralamerikanische Kalender bis in die feinsten Einzelheiten hinein ein gemeinsames Gut aller mittelamerikanischen Völker gewesen ist, dass selbst die anschauend stark divergierenden Tagesnamen überall auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgeführt werden können. So war denn auch der Glaube an die Gewalt der Bacabs über die einzelnen Jahresabschnitte und die ganzen Jahre ebenso bei den Nahua wie bei den Maya verbreitet, und zwar stand nach der Mythologie der letzteren der Bacab des Südens, Hobnil, den Kan-Jahren, der des Ostens Canzicnal den Muluc-Jahren, Zaczini, Herr des Nordens, den Ix- und Hozanek dem Westen und den Cauac-Jahren vor. Schließlich waren die Bacabs auch noch die Herren der vier Elemente und der vier Grundfarben, und zwar entsprach dem Süden die gelbe Farbe und das Element der Luft, dem Osten rot und Feuer, dem Norden weiß und Wasser und dem Westen schwarz und Erde. Die beiden letzteren Elemente sind nicht mit gleicher Sicherheit zuzuteilen, wie die beiden ersten. Möglicherweise ist richtiger der Norden mit der schwarzen Farbe und der Erde, und der Westen mit Weiß und Wasser in Verbindung zu bringen.


Ihre vorzüglichste Bedeutung hatte diese Einteilung für die Mantik dieser Völker. Dieselbe spielte in ihrem Kultus und in den Funktionen der Priester eine ganz hervorragende Rolle und es wird nötig sein, darauf an anderer Stelle noch einmal zurückzukommen. Die Zentralamerikaner — und darin stimmen sie wieder mit ihren nördlichen Nachbarn, den Pueblo-Indianern, überein — kannten nicht nur vier Richtungen. Die Bücher des Chilan Balam umfassen gelegentlich das Weltall durch 13 Richtungen. Ganz allgemein aber erkannte man deren sechs an, indem man zu den vier Kardinal-Punkten die Richtungen von unten nach oben, von der Erde zum Himmel, und von oben nach unten, von der Erde in das Reich der Nacht, hinzuzählte.