Liebe Leser,

heute möchte ich euch ein weiteres interessantes Buch vorstellen, das als überarbeitetes Reprint neu verlegt wurde, aber immer noch höchst interessant ist. "Die Indianer Nordamerikas" von Theodor Waitz wurde zwar 1865 in Leipzig zum ersten Mal veröffentlicht, da war der Autor übrigens schon tot, doch die Hintergrundinformationen und Berichte von Siedlern und Reisenden, die teilweise über Jahre bei noch unberührten Naturvölkern in Nordamerika lebten, sind beeindruckend und aufschlussreich.


Denn man mag es kaum glauben, aber 1865 gab es noch große Indianervölker, die noch nicht vom Leben durch die Weißen beeinflussen waren und an ihrer Kultur und ihrer Lebensweise weiter festhielten. Das Buch fängt auch mit der Charakterisierung der Indianerstämme und Menschen. Es erklärt neben der äußeren Erscheinung, wie beispielsweise ob sie einen Bartwuchs hatten oder welche Haartrachten sie bevorzugten, auch Stammverwandschaften, die unterschiedlichen Indianersprachen, Traditionen und deren Wanderungen innerhalb des nordamerikanischen Kontinents.


Im zweiten Kapitel wird auf die historischen Schicksale der Indianerstämme näher eingegangen und die Kriege zwischen ihnen und den Engländern insbesondere in Virginia und Massachusetts. Aber auch die Kriege untereinander - die gelebte Feindschaft zwischen einzelnen Stämmen, die über Generationen weitergetragen wurde - zehrte an der Entwicklung der Stämme. Im schlimmsten Fall wurden einst stolze und große Indianerstämme durch jahrelangen Krieg mit den Engländern und feindlichen Indianerstämmen zersprengt und assimiliert.


Waitz geht in seinem Werk insbesondere auf die Brutalität der Indianer ein, die ihre Gegner skalpierten, um als ruhmreich und mutig in ihrer Sippe und Stamm zu gelten. Das Foltern und bestialische Hinrichten, das Töten von Frauen und Kindern von verfeindeten Stämmen macht den Leser erst einmal sprachlos. Aber Waitz erklärt, dass solche Scharmützel fester Bestandteil des harten Lebens der sogenannten Wilden war. Weil das Töten wegen eines begangenen Unrechts nun mal die Rechtssprechung einer Zivilisation ersetzte. Die Blutrache wurde von den Indianer selbst schon als unantastbar gehalten, weil es ihr stärkstes Rechtsempfinden für Sühne war und daher jede Person betroffen sein konnte. Jedoch richteten solche Blutrachemorde natürlich weitere Vergeltungsmorde an, die dann in generations-übergreifenden blutigen Stammeskonflikten ausarteten, die wahrscheinlich nur dann aufhörten, wenn man wegzog oder des Mordens überdrüssig wurde.


Die Kämpfe gegen die Engländer waren nicht weniger grausam, weil auch die Weißen mit List und Betrug, Folter und bestialischer Brutalität gegen auch befreundeten Indianerstämmen vorgingen. Auch weiße Siedler zeigten kein Erbarmen gegen indianische Frauen und Kinder und setzten den Branntwein gezielt gegen unberührte Stämme ein, um sie zu schwächen. Allein die sogenannten Blattern (Pocken) zerstörten ganze Dorfgemeinschaften und reduzierten die Indianer um mehrere hunderttausend Menschen.


Alles in allem war es eine sehr unruhige und blutige Zeitepoche, die Millionen Menschen das Leben kostete. Aber das Buch handelt natürlich nicht nur vom Untergang des Indianercharakters, sondern auch um ihr Familienleben und Freundschaften, politische und soziale Verhältnisse, ihr Temperament, Religion und sittlichen Vorstellungen.

 

 

Und es stellt sich wieder die Frage, an wen sich dieses Buch richtet?

 

Nun ganz klar an geschichtsinteressierte Leser, die mehr wissen wollen, als uns Hollywood und Bully-Herbig-Filme über das Indianerleben erklären. Es ist natürlich keine Lektüre für die Abendromantik doch ist die Geschichte der Menschheit leider nie besonders friedlich verlaufen. Das vorliegende Werk bleibt trotz seines Alters aktuell und wir haben mit dieser Neuauflage eines alten Bestsellers nun die Möglichkeit, das Leid und die Freude eines längst vergangenen Kulturraumes wieder kennenzulernen.