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Der Harnischrücken

Der Harnischrücken hatte ganz jene Entwicklungsphasen mitgemacht wie die Harnischbrust, als deren Ergänzung er anzusehen ist. Die ältesten Rückenstücke aus Platten bestanden aus zwei Teilen, welche in der Mitte des Rückens ähnlich wie einige Lentnerformen zusammengeschnallt wurden. Die späteren des 15. Jahrhunderts sind wie die Bruststücke zwei- bis dreimal geschoben mit in gotischen

Rücken eines sogenannten gotischen Harnisches des Erzherzogs Sigmund von Tirol. Deutsche Arbeit um 1480.

 Fig. 113. Rücken eines sogenannten gotischen Harnisches des Erzherzogs Sigmund von Tirol. Deutsche Arbeit um 1480.

 

Konturen ausgezackten Folgenrändern und ziemlich tief ausgeschnitten. Die Rückenstücke an sogenannten gotischen Harnischen besitzen zumeist am Unterrand Verlängerungen, die in ihrer Form das kleine, faltige Schößchen an florentinischen Wämsern wiedergeben. (Fig. 113.) Bei Feldharnischen des 15. Jahrhunderts setzt sich am Rücken zumeist ein Gesäßschurz fort, der geschoben gerade so weit reicht, um im Sattel sitzen zu können. Am Beginn des 16. Jahrhunderts verschwinden diese Schurze zum größten Teil, dann schließt der Rücken einfach mit einem etwas aufgetriebenen Gesäßreifen ab. (Fig. 114.) Die Verbindung der Brust mit dem Rücken erfolgt über die Schultern durch die beiden Riemen, welche an den vorderen Seiten des Bruststücks geschnallt werden. In der Übergangsperiode vom Lentner zum Plattenharnisch, in welcher letzterer noch aus kleineren Platten bestand, erfolgte noch häufig die Öffnung des Rückenstückes von der Mitte aus. Die Verbindung vermittelten Riemen und Schnallen,

Rücken eines Prunkharnisches, halber Krebs, welchen Erzherzog Ferdinand von Tirol bei seiner Vermählung mit Anna Katharina von Mantua 1583 getragen hatte. Deutsche, vermutlich Tiroler Arbeit, um 1580.

Fig. 114. Rücken eines Prunkharnisches, halber Krebs, welchen Erzherzog Ferdinand von Tirol bei seiner Vermählung mit Anna Katharina von Mantua 1583 getragen hatte. Deutsche, vermutlich Tiroler Arbeit, um 1580.

 

wie wir aus der interessanten Statue Philipps VI., Grafen von Holland, (Fig. 115) ersehen. Die Form ist italienisch. Vom 17. Jahrhundert an wird der Rücken an das Bruststück durch Schuppenbänder befestigt, welche Befestigung an den beiden Seiten der Brust in Knöpfen gehalten wird.

 

An den Seiten unterhalb der Arme sind beide Stücke bis etwa um die Mitte des 16. Jahrhunderts mittelst Häspen, später mittelst Häkchen, außerdem mit einem Leibriemen verbunden, welcher, am Unterrand des Rückens befestigt, vorn an der Brust zusammengeschnallt wurde. Erst von ca. 1540 an erblickt man Verbindungen mittelst kleiner Naben und Vorsteckbolzen. Bis um die Mitte des 16. Jahrhunderts ist in der plastischen Gestaltung des Rückens der anatomischen Form noch wenig Rechnung getragen, in der

Rückseite einer Holzstatuette Wilhelms VI., Grafen von Holland (gest. 1417). Kopie einer Bronzestatue, die bei dem Brand des Stadthauses von Amsterdam 1652 zugrunde ging, ausgeführt von A. Quellinus. Nach D. Van der Kellen Nederlands Oudheden.

ig. 115. Rückseite einer Holzstatuette Wilhelms VI., Grafen von Holland (gest. 1417). Kopie einer Bronzestatue, die bei dem Brand des Stadthauses von Amsterdam 1652 zugrunde ging, ausgeführt von A. Quellinus. Nach D. Van der Kellen Nederlands Oudheden.

 

zweiten Hälfte des Jahrhunderts sehen wir die Schulterblätter zuweilen übermäßig vorgetrieben.

 

Die Gestalt des Rückens bei geschobenen ungarischen Harnischen ist entsprechend der Brust mit gleichlaufenden horizontalen Geschüben. Der Rücken reicht dann bis in die Kragenhöhe und verbindet sich mit dem Vorderteil des Kragens an der Brust. Um 1580 kommen auch ungeschobene Rückenstücke vor Augen, welche den entsprechenden Teil des Kragens angenietet haben. (Fig. 116.)

 

Die Rückenstücke bei älteren Korazins, welche vorn an der Brust geschlossen werden, bilden insofern einen Hauptteil des Ganzen, als die gesamte Anordnung der Stahlplättchen von der Linie des Rückgrats aus erfolgt, die sich in der Reihe gegen vorn fortsetzt. (Fig. 117 und 118.) Ähnlich wie die Bruststücke an Harnischen des 15. Jahrhunderts

 

Rücken eines Trabharnisches (ganzer Krebs) des Niclas III. Grafen von Salm-Neuburg (gest. 1550). Deutsche Arbeit von 1542. (Siehe Fig. 100.)

 Fig. 116. Rücken eines Trabharnisches (ganzer Krebs) des Niclas III. Grafen von Salm-Neuburg (gest. 1550). Deutsche Arbeit von 1542. (Siehe Fig. 100.)

 Fig. 117. Rücken eines Korazins mit kirschrotem Samt überzogen, des Feldobersten Jacob von Embs (gest. 1512) italienisch um 1500. (Siehe Fig. 110.)

 

wurden auch die Rückenstücke nicht selten mit Stoffen überkleidet und dieser Gebrauch hatte nicht allein einen rein dekorativen Zweck, sondern auch einen praktischen, um das Eisen vor der Einwirkung der Sonne zu schützen. An Harnischen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, allecrets und ähnlich gebildeten Formen, an welchen der Oberrand des Bruststückes in gerader Linie und horizontal läuft, hat auch jener des Rückens die gleiche Richtung, wobei der tiefen Lage wegen ein großer Teil des Rückenbleches vom Kragen sichtbar ist. (Fig. 119.) An allen späteren Formen reicht der Oberrand von Brust und Rücken höher an den Hals hinauf.

 

Am Beginn des 17. Jahrhunderts kam man auf kurze Zeit wieder darauf zurück, den Rücken mit einem geschobenen Gesäßschurz auszustatten, aus der Ursache, weil jener kaum den halben Rücken deckte. Mit der Verlängerung der Brust und des Rückens verschwindet er auf immer.

Innenseite des Rückens eines italienischen Korazins von ca. 1510. Die Plättchen stehen am Hals und den Hüften in Verbindung mit Panzerzeug. Rücken mit Gesäßschurz von einem Maximilianharnisch des Eitel Friedrich, Grafen Zollern (gest. 1512). Deutsche Arbe

 Fig. 118. Innenseite des Rückens eines italienischen Korazins von ca. 1510. Die Plättchen stehen am Hals und den Hüften in Verbindung mit Panzerzeug.

 Fig. 119. Rücken mit Gesäßschurz von einem Maximilianharnisch des Eitel Friedrich, Grafen Zollern (gest. 1512). Deutsche Arbeit um 1506.

 

 

 

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Fortsetzung: Das Beinzeug.

 

Quelle: Wendelin Boeheims "Handbuch der Waffenkunde" von 1890.



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