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Gerätschaften des 15. Jahrhunderts Bd 6 Teil 6

Schachtel mit gepresstem und gemaltem Bildwerk aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Germanischen Museum zu Nürnberg.
Schachtel mit gepresstem und gemaltem Bildwerk aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts im Germanischen Museum zu Nürnberg.

Tafel 396.

 

Dieser Gegenstand gibt eine interessante Probe eines sehr verbreiteten Gewerbezweiges des deutschen Mittelalters, von welchem, des vergänglichen Materials wegen, wenige Überreste besonders so gut erhalten auf uns gekommen sind. Die obere Darstellung unserer Abbildung zeigt die runde Oberfläche des Ganzen; die untere stellt einen Teil der Seitenwand des Deckels und der Schachtel dar, jedoch als flach oder ausgestreckt gedacht. Das Bild auf dem Deckel, welches durch den astigen, hellbraunen Rundstab, an den sich nach außen ein flacher, rot gemalter Kreis anschließt, seinen Abschluss hat, ist nicht sehr erhaben in Papier oder Pappmasse mittels einer Form gepresst und bemalt. Es stellt das Urteil des Paris dar, und zwar in mittelalterlicher Auffassung und Stilisierung. Der schlafende Paris erscheint in Rüstung und roten Schnabelschuhen dieser Periode; Brust und Hüftteil der Rüstung sind vergoldet, das hellrote Tuch ist die Sendelbinde, welche von der Schulter herabhängt.

 

Merkur, der ihn weckt, ihm den goldenen Apfel zu reichen, erscheint in Kopfbedeckung und langem Rock, der Schaube, der Tracht älterer Männer dieser Zeit. Die drei Göttinnen tragen als einzigen Schmuck Kleinodien an Korallenschnüren, den damals üblichen Frauenkopfputz mit herabhängenden Sendelbinden.

 

Auf fliegenden, weißen Zetteln stehen mit Zinnober die Namen Merkurs und der drei Göttinnen; die sonstige Schrift ist nur noch teilweise zu lesen. Die Umgebung wird durch grünen Rasen und einem gotischen Brunnen als Lustgarten charakterisiert; das weiße Schoßhündchen bildet den Schluss dieser naiven Darstellung. Die übrige Ornamentierung der Schachtel ist einfach flach in dunkelblauem Grund auf den Papierüberzug der gewöhnlichen Holzschachtel gemalt. Bei den Blumen und Blättern sind Schablonen angewendet, die feinen, weißen Ornamente mit besonderer Sicherheit aus freier Hand entworfen.


Reliquienschrein aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Reliquienschrein aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Tafel 398.

 

Reliquienschrein aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, aufbewahrt in der Stadtbibliothek zu Nürnberg. Auf den Seitenwänden befindet sich die Überlage mit Figuren von Heiligen in architektonischer Umgebung, in Kupfer gegossen und vergoldet. An jeder der vier Ecken erscheint St. Sebastian unter einem Baldachin, ebenfalls von vergoldetem Kupfer. Die Überlage des Daches besteht aus ziegelartigen vergoldeten Silberplatten; die Räume zwischen den gotischen Bogen über den Figuren und dem Dachgesims sind rot bemalt. Nach Raumers Beschreibung der Nürnberger Stadtbibliothek befand sich dieser Schrein in der im Jahr 1513 erbauten und bereits im Jahr 1553 wieder abgebrochenen St. Sebastians Kapelle und seit dieser Zeit in der Bibliothek.

 

Auf der an einer Seitenwand später unpassend angebrachten Tür befindet sich das Behaim'sche Wappen. Die Figur: Christus mit der Siegesfahne, in der Mitte des Schreins, im Original nicht mehr vorhanden, haben wir in unserer Abbildung ergänzt.


Brauttruhe aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Brauttruhe aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Ein leinenes, gesticktes Handtuch aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
Ein leinenes, gesticktes Handtuch aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Tafel 400.

 

A Brauttruhe aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, im Kunstgewerbemuseum zu Berlin.

 

Ähnliche Brauttruhen erschienen vom frühen Mittelalter an bis zum Schluss des 17. Jahrhunderts sehr häufig, dienten zur Aufbewahrung der Aussteuer und Brautgeschenke und bildeten zugleich selbst ein Hochzeitsgeschenk und eine Zierde in den Haushaltungen.

 

Vorliegende Darstellung zeigt nur die reichgezierte Vorderseite der Truhe, indem die Oberfläche oder der Deckel, wie die Seitenwände derselben ganz einfach und schmucklos sind. Das inhaltsreiche Bildwerk der Vorderwand dieser ganz aus Birnbaumholz gefertigten Kiste besteht aus gleichmäßig eingeschnittenen Konturen und der Hintergrund aller dargestellten Gegenstände ist kaum um einen Zentimeter vertieft und durch ein Instrument in Kreuzschraffierung ausgeschlagen. Es enthält, wie in der Regel die mittelalterlichen Brautgeschenke, Minnedarstellungen. Vor der in ihrem Palast auf dem Thron sitzenden und von ihrem Hofstaat umgebenen Frau Minne kniet zur Linken ein Liebespaar, seine Klage vorbringend; sie schießt auf die Geliebte einen Pfeil ab. Zur Rechten übergibt dasselbe liebende Paar einem König und einer Königin in ihrem Palast einen Ring. Amor erscheint zweimal in der Tracht eines jungen Mannes des 15. Jahrhunderts mit Flügeln. In der Mitte des Ganzen zeigt sich, wie fast in jedem Minnegarten, ein Brunnen, auf welchem hier das Schlüsselloch der Kiste angebracht ist. Die Zwischenräume dieser Darstellungen, wie die Randverzierungen bestehen aus Laubwerk, in dem sich Jagdtiere und Jäger befinden.

 

Dass dieses Werk französischen Ursprungs ist, zeigt nicht nur die Technik des Ganzen, welche an vielen französischen Werken der Art vorkommt und der Geschmack der Ornamente, sondern auch die Trachten der Figuren, welche sich sowohl im Allgemeinen, als besonders durch die an den Schultern der Männer aufgehöhten Ärmel und den hohen Kopfputz der Frauen entschieden als französisch aussprechen.

 

B ein leinenes, gesticktes Handtuch aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, im Besitz des Verfassers. In der Mitte desselben befinden sich ein Horn blasender Jäger mit drei Hunden, welche ein Einhorn jagen, das sich zu einer Jungfrau flüchtet, rechts eine Distel und links eine Rosenranke, worin verschiedene Vögel sitzen. Oben in der Mitte ein Spruchband, dessen Inschrift aber nicht zu enträtseln ist. Die Stickerei, deren Umrisse aus braungelben, starken Leinenfäden bestehen, ist weiß und wechselt in den mannigfaltigsten und kunstreichsten Sticharten netzartig ab; bloß die Köpfe, Hände und einzelne Vögel sind durch Plattstich gebildet. Das Ganze ist nach einer guten Zeichnung gefertigt.



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