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Die Heraldik und die modernen Fälschungen auf dem Gebiete des Waffenwesens

Von Erich Freiherrn von Hausen.
In wie naher Beziehung die Heraldik zum Waffenwesen steht, ist hinlänglich bekannt. In den ältesten Zeiten schon wurden Schutz- und Trutzwaffen — vor allem der ritterliche Schild und dann auch der Helm — mit bestimmten Abzeichen oder Figuren bemalt. Bald ward an Stelle der Helmbemalung die Helmzier (Kleinod oder Zimier) auf den Helm gesetzt, und während der Kreuzzüge trat auch noch der Helmhang — anfänglich nur ein einfacher Schleier gegen die glühende morgenländische Sonne, allmählich in den Wappenfarben gehalten, oft im Kampfe zerfetzt und endlich ornamental als Helmdecken stilisiert — dazu. So entstand aus den Waffen, nämlich Helm und Schild, welche die Person ihres ritterlichen Trägers kennzeichneten, das Wappen, wie wir es noch heute darstellen. Dem Laien kommt dies freilich nur dann noch zum Bewusstsein, wenn er Wappen im Stile des 12. bis 14. Jahrhunderts entworfen findet, in welcher Periode der Wappenschild mit dem Kampfschild, und der Prunkhelm mit dem Gebrauchshelme noch identisch — mit einem Worte die Waffen noch heraldisch, d. h. wappenmäßig — waren.


Wohl zu unterscheiden von diesen, an sich selbst das Wappen ausmachenden, altheraldischen Waffen ist nun der Gebrauch, die allmählich immer mehr und mehr ornamental werdenden Abbildungen von Wappen oder einzelnen Teilen derselben verkleinert auf Gegenständen und Geräten aller Art, besonders aber auch auf Waffen anzubringen.

Schon seit dem 12. Jahrhundert, also, noch während die heraldischen Waffen selbst in Gebrauch waren, findet sich jene Sitte z. B. auf Schwertern, Streitkolben, Pferdemaulkörben u.s f., wie unter anderem das in der k. k, Schatzkammer zu Wien befindliche Zeremonienschwert des Kaisers Heinrich VI. (1165 bis 1197), auf dessen Scheide man den Reichsadler erblickt, darthut. Häufiger wurde naturgemäß dieser Brauch mit der Vervollkommnung der zur Ausschmückung der Waffen verwendbaren Techniken. Besonders nach dem Aufkommen der Ätzkunst in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts ward jene Sitte allgemein, denn durch dieses Verfahren wurde es leicht, den blanken Stahl mit Ornamenten zu versehen — das Wappen aber war und ist mehr als irgendein anderer Schmuck imstande, den Besitzer — oder bei Geschenken den Geber — zu kennzeichnen und damit einen Gegenstand wertvoller, sinniger und interessanter zu machen. Hierzu gesellte sich ferner der Umstand, dass Künstler wie Lucas Cranach, Albrecht Dürer u. a. sich eingehend mit der Wappenkunst befassten, und dadurch mancherlei Anregungen für die Verwendung derselben im Kunstgewerbe gaben. Gelten doch auch heute noch Jost Ammans und Johann Sibmachers Wappenzeichnungen als beste und lehrreichste Vorbilder für die Heraldik der Renaissanceperiode, und sind daher besonders geeignet zur Anbringung von Schnitzereien und Intarsia auf Armbrust- und Gewehrschäften. Pulverhörnern, Lafetten u. dergl.

So versahen denn auch vom 16. Jahrhundert an nicht nur Fürsten und Herren, sondern auch Städte und deren Geschlechter ihre Schutz- und Trutzwaffen immer mehr mit heraldischen Ausschmückungen, und an den Plattenharnischen für Mann und Ross aus jener Zeit findet man häufig entweder die Schildfiguren, wie z. B. die in Eisen getriebenen Doppeladler auf der Rossrüstung Kaiser Maximilians I. in der Ambrasser Sammlung — oder ganze Wappen, geätzt oder auf gebläutem Stahl gemalt, wie z. B. auf dem 1546 gefertigten leichten Feld- oder Trabharnisch des Herzogs (späteren Kurfürsten) August von Sachsen und auf den Harnischen der sächsischen Kurfürsten Christian I. (1560 — 1591) und Johann Georg I. (1611—1656) im Historischen Museum zu Dresden (Prunkwaffensaal No. 5,6, 14 etc.). Auch auf Rüstungen von Edelleuten, und besonders auf solchen von Ordensrittern, sind die Wappen der Träger häufig auf der Brust des Harnisches eingeätzt, ziseliert oder tauschiert. Oft finden sich ferner auf Barten und Streitäxten, deren breite Flächen zur Aufnahme von Ornament einladen, heraldische Zeichnungen, wie beispielsweise das mit der Kolane des Goldenen Vlieses umgebene, spanisch-österreichische Wappen in Schwarzätzung auf der Streithacke im Museum der Stadtgemeinde Mährisch-Neustadt (Wendelin Boeheim, Ausstellung des Mährischen Kunstgewerbemuseums 1885. Taf. V). Besonders häufig aber kommen Wappen oder Schildfiguren auf den Klingen derjenigen Waffen, welche von fürstlichen Trabanten geführt wurden, vor, und letztere Sitte reichte bis in die neuere Zeit hinein. Mit Errichtung der stehenden Heere erfolgte bekanntlich auch deren gleichmäßige Bewaffnung und Ausrüstung, und noch heutigen Tages führen fast alle Armeen die Wappen ihrer Kriegsherren auf Geschützrohren und Säbeln, wie auf Patronentaschen und Helmen. Bei älteren Objekten trägt dieser Umstand wesentlich dazu bei, Herkunft und Alter festzustellen oder verlorene historische Daten wieder aufzufinden.

Kriegsaxt Ungarn 16. Jahrhundert
Ungarische Streithacke von 1526.

Es liegt somit nahe, dass das Interesse für ein Stück wesentlich belebt und gehoben wird, sobald es mit einem heraldischen Kennzeichen versehen ist, und jeder Sammler bzw. jede größere Sammlung wird eine Waffe höher schätzen, wenn sie mit einem Wappen verziert ist. Kein Wunder also, wenn auch der Fälscher es versucht, durch Anbringung eines Wappens den Wert seiner Ware zu erhöhen. Dass es ihm nicht um den idealen, sondern um den realen Wert zu tun ist, bedarf kaum eines besonderen Hinweises.

Aber nur zu oft begeht der Fälscher gerade mit diesem Verfahren eine große Torheit, weil dadurch leichter als durch andere Merkmale seine Ware als Imitation gebrandmarkt wird. Die Ursache dieses Misslingens ist darin zu suchen, dass dem Fälscher und seinen Helfershelfern meist gründliche heraldische Kenntnisse abgehen, so dass ihm infolgedessen größere oder kleinere Verstöße gegen diese Wissenschaft und Kunst unterlaufen.

Bei fürstlichen großen Staatswappen z. B. übersieht der moderne Verfertiger leicht die historische Entwicklung derselben. Diese Gesamtwappen vereinigen nämlich fast immer die Einzelwappen der zugehörigen Provinzen, wie auch die Abzeichen der Rechte. Würden und Erbämter des Hauses. Sie sind folglich bei Erlangung oder aber Verlust von Länderteilen oder Reichswürden auch immer Änderungen unterworfen. Ebenso geht es dem Fälscher bei den Wappen der geistlichen Fürstentümer, denn diese sind wiederum zusammengesetzt, und zwar aus dem geistlichen Stiftswappen und dem Familienwappen des jeweiligen geistlichen Herrn. Bei den Wappen des niederen Adels oder der Patrizier ist dies nur ganz ausnahmsweise der Fall. Hierdurch aber bleiben sich die anfänglich genannten Wappen niemals gleich, treten vielmehr fast in jedem Jahrhundert in unterschiedlicher Form auf, so dass eine Verwechselung tatsächlich leicht vorkommen kann. Derartige Fehler in der Darstellung eines geradezu falschen oder doch wenigstens falsch zusammengesetzten Wappens kommen sogar bei sonst ganz geschickten Fälschungen vor, weil es dem Verfertiger unklar ist, ob der Stil des Originales, dessen er sich bediente, mit der Zusammensetzung und Form des Wappens in einer gewissen Zeitperiode sich deckt oder nicht.

Besonders häufig aber sind die Verstöße gegen die Stilisierung der Wappen, so dass man oft auf Imitationen Wappen im Stile eines früheren oder späteren Jahrhunderts entdeckt. Bei Beurteilung dieser Erscheinung darf man freilich nicht außer Acht lassen, dass sich in der Heraldik ein langes Nachleben der Gotik bis ins 17. Jahrhundert nachweisen lässt. Freunden der echten Heroldskunst wird aus eigener Erfahrung zur Genüge bekannt sein, wie sich hierin Wappenherrn und Künstler häufig nicht nur gründlich versehen, sondern oft auch jeder Belehrung erhaben lächelnd verschließen. Fälle wie die oben angeführten sind mir im Laufe der Jahre mehrfach und an Waffen aller Art entweder persönlich vor Augen gekommen oder doch bekannt geworden.

So erinnere ich mich eines Falles, bei dem ein ganzer blanker Harnisch von einem Sammler für schweres Geld erworben worden war. Das Stück machte einen völlig vertrauenerweckenden Eindruck, alle Teile waren durchaus korrekt in der Form, jede Niete saß an der richtigen Stelle und im Innern waren die Hammerschläge des Waffenschmiedes deutlich erkennbar. Der Harnisch zeigte auch einige Gebrauchsspuren und Rostnarben und im übrigen hatte darauf, dass die Belederung erneuert und eine Hentze durch Schübe ergänzt war, der schlaue Händler selbst aufmerksam gemacht. Seiner Form nach musste dieser Harnisch mit Tapulbrust der Mitte des 16. Jahrhunderts angehören. — Auf der linken Brustseite aber war das Wappen einer bekannten freiherrlichen Familie v. H. im unverkennbaren Stile der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingeätzt. — Es blieben sonach nur zwei Möglichkeiten: entweder das Wappen war ca. 100 Jahre später darauf angebracht worden — oder der ganze Harnisch war neu. Bei genauerer Untersuchung stellte sich denn auch das letztere heraus, und glücklicherweise konnte in vorliegendem Falle der Handel wieder rückgängig gemacht werden.

Freilich ist ein bloßer heraldischer Fehler nicht allein und nicht immer berufen, nur an sich selbst eine Fälschung zu bekunden, denn gegen manche heraldische Regeln hat man hie und da auch in früheren Zeiten verstoßen, wie z. B. gegen die Kegel der Kehrung (Wendung) einer heraldischen Figur oder eines ganzen Wappens, gegen die Anordnung der Farben auf Fahnen, das Belegen von Farbe mit Farbe usw. So ist der preußische Adler auf der rechten Seite der Rossrüstung, welche die Kurfürstin Magdalena Sibylla ihrem Gemahl Johann Georg I. von Sachsen zu Weihnachten 1622 verehrte, und welche bei dessen Beerdigung 1656 der Leiche vorangeritten wurde, fälschlich nach rechts, also nach dem Pferdeschweife zugekehrt, während der Heroldsbrauch es vorschreibt, dass Wappen und Wappenfiguren in einer der Bewegung von Mann und Ross entsprechenden Wendung angebracht werden.

Aber es gibt auch Verstöße gegen die Heraldik, welche bei Originalen unmöglich vorkommen können. So wenden z. B. moderne Graveure und Wappenmaler — und folglich auch Leute, welche Fälschungen vornehmen — mit Vorliebe die Schraffierungen, welche die Wappenfarben andeuten sollen, auch in Fällen an, in denen die ganze Darstellung als einer Zeit vor dem 17. Jahrhundert entstammend gehalten werden soll. Da nun jene Schraffierungen oder Tinkturen erst um 1638 von Vulson de la Combiére erfunden und in dem Wappenwerke des Jesuiten Sylvester á Petra zum ersten male in der noch heute üblichen Weise angewendet wurden, können sie füglich nicht in Zeichnungen vor jener Zeit zur Anwendung gelangt sein. Hieran würde man also die Imitation einer Waffe, deren Entstehung vor diese Zeit fällt, sofort und ohne weiteres erkennen. Zu den Versündigungen gegen den heraldischen Stil gehören auch solche Fälle, in denen der Wappenhelm einer anderen Geschmacksrichtung oder Zeitperiode entlehnt ist als der Schild, oder die Wappenfiguren oder Helmdecken in der Auffassung eines anderen Jahrhunderts ausgeführt sind, als die übrigen Bestandteile des Wappens. Gleiches gilt natürlich von Orden, Schildhaltern oder sonstigen sogenannten heraldischen Frachtstücken. Standes- oder Rangkronen des niederen Adels kommen bekanntlich erst seit Ende des 17. Jahrhunderts vor. Selbst bei scheinbar völlig genauer Nachbildung einer heraldischen Zeichnung, und zwar gerade einer eingeätzten, an welcher der Zahn der Zeit doch meist schon feinere Einzelheiten unkenntlich gemacht hat, werden vom Laien nur zu leicht falsche Linien miteinander verbunden, so dass die Nachbildung gar bald als verständnislose Imitation zu erkennen ist.

Trotz der nahen Verwandtschaft von Wappenwesen und Waffenwesen kann doch nicht jeder Waffenfreund und Waffensammler immer auch gründlicher Heraldiker sein, und deshalb sei dem Sammler empfohlen, sobald ihm eine geschmückte Waffe mit Wappen zum Kaufe angeboten wird, deren Echtheit nicht von vornherein außer jedem Zweifel steht, sich an einen Heraldiker zu wenden. Die genaue Angabe der Zeit, welcher das betreffende Stück entstammen soll, mit einer Pause des darauf befindlichen Wappens wird in den meisten Fällen schon genügen, um ein Urteil oder doch wenigstens eine Warnung abgeben zu können.

 

Textquelle: Zeitschrift für historische Waffenkunde, 1902

Bildquelle: Kunstgewerbeblatt - Monatsschrift für Geschichte und Literatur der Kleinkunst, Organd für die Bestrebungen der Kunstgewerbe-Vereine. Zweiter Jahrgang. 1886